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Kalibergbau Ist in Zielitz bald Schicht im Schacht?

Kali+Salz braucht in Zielitz eine größere Halde, ansonsten ist der Bergbau 2020 erledigt. Ob sie genehmigt wird, ist ungewiss.

Von Jens Schmidt 11.07.2018, 01:01

Zielitz l Es geht abwärts. Der Korb rauscht in die Tiefe. Druck auf den Ohren. Luft pfeift. Fast zwei Minuten lang. Der Fahrkorb bremst. Noch mehr Druck auf den Ohren. Stopp. Bei minus 700 Metern. Das sind 230 Stockwerke - unter der Erde. Die Tür geht rumpelnd auf.

An der Decke hängt eine Anzeigetafel. 32 Grad. So warm wie oben. Doch das ist Zufall. So warm ist es hier immer. Hier unten sind wir der Hölle ein Stück näher. Dem glühendheißen Erdkern. 32 Grad. „Das ist noch gar nichts“, sagt Michael Zacher. Etliche Kumpels arbeiten 1000 Meter unter der Erde. „Da sind es 40 Grad - und mehr.“ Michael Zacher kümmert sich unter Tage um den Nachwuchs, er ist Ausbildungsleiter, kennt jeden Winkel - heute kümmert er sich um die Reporter. Er grüßt ein paar Kumpel. „Glück auf!“ Niemand sagt mehr Guten Morgen. Niemand sagt hier „Sie“. „Hier duzen sich alle.“

Wir steigen zu Michael Zacher in den Jeep. Ziel: Revier drei. 10 Kilometer liegen vor uns. Tempo 40 darf er fahren. Eine gute Viertelstunde wird es dauern. Die unterirdische Welt ist fast so groß wie Magdeburg. 24 Kilometer lang, sechs Kilometer breit. Es gibt Dutzende Straßen und Abzweige. Fahrbahn, Decke, Wände – alles Salz. Ein letzter Gruß vom Zechsteinmeer, das vor Jahrmillionen verdunstete. Der Lichtkegel des Jeeps erhellt nur wenige Meter. Dahinter hockt die Dunkelheit. Es ist wie eine Fahrt in einen Schlund.

Durchs Scheinwerferlicht huscht ein Verkehrsschild: „20 %“ Die Salzstraße geht steil bergan. Linkskurve, Rechtskurve, dann geht es wieder bergab. Die Straße verläuft so, wie die Kaliflöze sich durchs Erdreich schlängeln. Es gibt Strecken mit bis zu 28 Prozent Gefälle. Das ist doppelt so steil wie Sachsen-Anhalts steilste Straße, die Brockenstraße. Sie hat 14 Prozent. Da hier unten ein Horizont fehlt, ist die Neigung nicht so stark zu spüren. „Aber steigst du aus, stehst du da wie ein Hanghuhn“, sagt Zacher.

Der Jeep stoppt. Motor aus. Lichter aus. Sofort ist alles um uns schwarz. Kopf nach links, wo Zacher sitzt: nichts. Hände vor die Augen: nichts. „Dunkelschwarz“ ist oben ein falsches Wort. Hier unten herrscht die totale Finsternis. Sie ist dunkelschwarz.

Zacher macht den Schwarztest mit Azubis. Sie sollen versuchen, mal 50 Meter zu gehen. „Die meisten verlieren nach zehn Metern jede Orientierung.“ Die Lehre: Nie die Grubenlampe vergessen.

Ein paar Kurven später wird es gleißend hell. Schwere Motoren brummen. Scheinwerfer strahlen Wände und Decken an. Oben schimmert es grau. Steinsalz. An den Wänden dominiert Weiß, durchsetzt mit orangefarbenen Streifen. „Das ist Kali“ sagt Dirk Hirschfeld. Er ist der Reviersteiger. Und hat dafür zu sorgen, dass pro Schicht gut 3000 Tonnen Rohsalz aus dem Revier nach oben kommen.

Kaliumchlorid - Kali - daraus wird der Dünger gemacht. Im grauen Steinsalz hingegen steckt vor allem Natriumchlorid. Daraus kann man Speisesalz machen. Aber nur, wenn es hochrein ist. Wie in Bernburg. In Zielitz ist es das nicht. Hier ist es Abfall.

Das Revier von Dirk Hirschfeld ist so groß wie die Stadt Wolmirstedt. Es hat 70 „Ansatzpunkte“. Da müssen sich die Bergleute hineinarbeiten. Dort schlummert der begehrte Stoff. Höchst wahrscheinlich. Manchmal ist nach drei vier Metern Schluss und es kommt kein Kali mehr. Bei aller geologischen Vorarbeit: „Hinter der Hacke ist‘s duster“, sagt Hirschfeld. Alter Bergmannsspruch.

Die Abläufe sind eingespielt. Bohren, sprengen, Salz abfahren, sichern. Den Bohrwagen bedient heute Patrick Kesemeyer. 28, hier gelernt, seit neun Jahren dabei. Erst bohrt er drei große Löcher, um die Spannung aus dem Salz zu nehmen. Dann 100 bis 140 kleine. Ein Knopfdruck und Stahl dreht sich kreischend ins Salz.

In die Löcher kommt der Sprengstoff. Das übernimmt der Sprenghauer, er füllt jedes Loch mit einem explosiven Gemisch. Ist er fertig, ist Schichtwechsel. Alle müssen raus. Dann rumst es. Nach jeder Sprengung dringen die Bergleute etwa sieben Meter tiefer ins Salz. Das geht so dreimal am Tag. 5 Uhr, 13 Uhr, 21 Uhr.

(700 Meter weiter oben hören es die Leute grollen. Etwa in Niegripp. „Es ist wie ein fernes Gewitter - nur von unten“, erzählt später Bürgermeister Karl-Heinz Summa.)

Martin Bertz fährt das gesprengte Rohsalz zum Förderband. Er steuert ein stählernes Ungetüm - Listenpreis: 1,1 Millionen Euro. Mit jeder Fuhre nimmt der Lader bis zu 21 Tonnen in die Schaufel. So viel wie 15 Autos. Mannshohe Reifen zermahlen das Salz am Boden zu weißem Puder. Für ein Foto öffnet Bertz kurz die Kabinentür. Rauschebart, Tatoos auf den Armen. Seit Anfang des Jahres 2018 arbeitet er hier unten. Erst war es etwas mulmig. „Jetzt hab ich mich dran gewöhnt.“ Seine Kabine innen ist klimatisiert. Draußen riecht es nach Dieselabgasen. Es gibt auch Elektrofahrzeuge - mit ellenlangen Stromkabeln dran. „Die Diesel sind aber flexibler“, sagt Ausbildungschef Zacher. Außerdem haben alle Euro 4, die neuen sogar Euro 6. „Die Luft ist schon besser geworden.“

Ein paar Meter weiter kratzt ein Bergmann mit schwerem Gerät Salzstücke von der Decke. Die „Firste wird beraubt“, sagen die Männer hier. Also alles, was abfallen könnte, wird abgekratzt. Dann kommen Anker in die Decke. Das ist die Lebensversicherung.

Seit sechs Jahren ist nichts passiert. Aber die totale Garantie gibt es hier unten nicht. 2012 hatten sich zwei Mal Brocken gelöst. Zwei Männer kamen ums Leben.

Michael Zacher sitzt wieder am Steuer des Jeeps. Wir fahren zurück zum Fahrstuhl. Eine Viertelstunde Berg- und Talbahn. Linke Kurve, rechte Kurve; mein Magen flau, mein Blick verräterisch. „Soll ich mal anhalten?“, fragt Zacher. „Nö, nö, geht schon.“ Ein Schluck Wasser – und drei Kurven später geht es wirklich. Michael Zacher erzählt, dass er schon nach drei Wochen Urlaub sich immer danach sehnt, wieder hier runter zu kommen.

Die Luft schmeckt nach Salzstaub. Manchmal steigt eine Abgasschwade in die Nase. Nichts als Salz um uns und Dunkelheit. Zacher lächelt.

Der Aufwand ist riesig, die Ausbeute überschaubar. Im Zielitzer Revier ist der Salzstock etwa 300 Meter mächtig. Doch abgebaut werden gerade mal fünf bis sechs Meter. Nur in diesem schmalen Flöz steckt das wertvolle Kali. Und von dem kleinen Teil ist ein noch viel kleinerer dann wirklich brauchbar. 1800 Bergleute holen jedes Jahr 12 Millionen Tonnen Rohsalz aus der Tiefe. Darin stecken gerade mal zwei Millionen Tonnen Kali. Der Rest geht auf die Halde. Zehn Millionen Tonnen Abfall. Doch Landwirte auf der ganzen Welt wollen Kali. Mit ihm werden Weizenkörner größer, Zuckerrüben süßer und Kartoffeln besser. Kali ist Dope für den Acker. Aber legal.

Auf den Dreh kamen Agrochemiker schon vor 150 Jahren. Bis 1850 herum hatte es immer wieder Missernten und Hungersnöte gegeben. Die Böden waren nach Jahrhunderten Landwirtschaft ausgelaugt. Trotz Fruchtwechsel und Stalldung. Justus von Liebig (1803-1873) entdeckte, dass die Pflanzen den richtigen Mix an Mineralien brauchen. Kuhmist ist auch gut. Aber er liefert nicht immer präzise das, was die Pflanze will. Vor allem Kalium will sie.

Adolph Frank aus Klötze (1834-1916) fand heraus, dass der begehrte Stoff im Salz steckt. Aber woher nehmen? Zwar gibt es mächtige Salzlager - doch nur manchmal liegt da noch diese schmale, orange schimmernde Schicht: Das Kali. Die zu finden, ist die Kunst. Weltweit erstmals gelingt das Frank und seinen Bergleuten 1856 in Leopoldshall bei Staßfurt. 30 Jahre später düngen fast alle Bauern auch mineralisch. Die Erntemengen gehen steil nach oben. Kali boomt.

K+S ist Deutschlands Kali-Alleinhersteller. Russland, Weißrussland und Kanada sind die größten Konkurrenten. Sie verkaufen weltweit Kali, das von Natur aus kräftig rosa schimmert. Das deutsche ist nach der Verarbeitung hell. Die Kanadier preisen ihren Dünger mit „Pink is powerfull“: Rosa ist stark. Ein Marketing-Gag. Der aber zieht. Kunden in Brasilien und Indien wollen nur noch rosafarbenes Kali. Also färben die Zielitzer ihr Kali für Brasilianer und Inder rosa. Ein Eisenmittel machts möglich. Vertriebler raufen sich die Haare, denn der Aufwand ist groß. Alle müssen penibel aufpassen, dass pink und hell sich im Produktionsprozess nirgends versehentlich mischen.

Doch der Kunde ist König. Und das Geschäft ist hart. Die Tonnenpreise für Kalidünger schwanken stark. Sie lagen vor zehn Jahren mal bei 800 bis 1000 Dollar. Dann zerbrach die Allianz aus Russland und Weißrussland. Mehr Konkurrenz und schwankende Nachfragen drücken den Preis. Jetzt gibt es die Tonne für 320 Dollar. Fachleute schätzen, dass die Russen Kosten von 80 Dollar je Tonne haben. Bei den Deutschen (höhere Löhne, mehr Sicherheit, mehr Auflagen) ist es weit mehr als das Dreifache. Unter 300 Dollar sollte der Preis nicht fallen, ansonsten würde es für K+S eng.

Zielitz verdient sein Geld auch mit Müll. Jedes Jahr werden 15.000 Tonnen eingelagert. Vor allem Müllofen-Schlacke. Richtig Gewinn macht K+S mit Spezialdünger. Das sind Salze, in denen auch andere Mineralien wie Magnesium, Schwefel oder Bor stecken. Mais, Zuckerrüben, Hopfen oder Raps mögen das. Die Tonne Spezialdünger bringt 500 Dollar. Vor allem diese Produkte halten K+S auf der Erfolgsspur. Die Salze dafür kommen aus den Revieren in Thüringen und Niedersachsen. Auch im Zielitzer Salzstock stecken die edleren Kristalle. Aber hier sind sie schwer erreichbar. Das Unternehmen weiß noch nicht, ob sich ein Abbau lohnt.

Und niemand weiß, ob es in Zielitz nach 2020 überhaupt weitergeht. Denn die Halde ist bald voll. K+S will bis 2053 weiter fördern und 650 Millionen Euro investieren. Doch dafür muss die Halde erweitert werden. Eine Genehmigung gibt es nur, wenn das Salzwasserproblem gelöst wird. Von den Halden sickern 90 Prozent ins Grundwasser. Wie will K+S das in den Griff kriegen?

Kilometerlange Förderbänder transportieren das Rohsalz aus den Tiefen hoch ans Tageslicht. Oben wirft das Band unablässig Rohsalz auf einen Haufen. Doch das ist noch kein Dünger. Noch lange nicht. Der Rohstoff wird gemahlen, danach beginnt die Feinarbeit.

Wir stehen in einer der Werkhallen. Es ist heiß, feucht und es riecht nach warmem Öl. Eine Art Rührwerk, gut 50 Meter lang, füllt die Halle aus. „Die Flotation“, sagt Clemens Reiche, der Betriebsleiter. Er und seine Leute machen aus Rohsalz Dünger und Industriesalze. In dem Riesenrührer tauchen pausenlos Paddeln in eine Flüssigkeit. Auf ihnen setzt sich eine Art Salzschaum ab. Reiche erklärt den Ablauf. Das Rohsalz kommt erst in eine Sole. Steinsalz setzt sich ab, Kali löst sich auf. Luftbläschen setzen sich ans Kali, sie schwemmen auf, und so holt der Riesenrührer den begehrten Stoff heraus. „Das ist dann Dünger“, sagt Reiche.

Zu Reiches „Revier“ gehört auch die „Heißlöse“. Ein erhitztes Salzgemisch rotiert in einer Maschine. „Unsere Salatschleuder“, sagt er. Die liefert hochreines Industrie-Kali: für Waschmittel etwa oder Lacke. In einer weiteren Werkhalle geht es besonders penibel zu, hier arbeiten Edelstahlmaschinen. Heraus kommt Kali-Sel für die Lebensmittelindustrie. Die nimmt das auch für isotonische Getränke.

Etwa 40.000 Tonnen Rohsalz gehen täglich durch alle Anlagen. Gerade mal an die 8000 Tonnen kommen hinten als verkaufbares Produkt heraus. Der große Rest geht auf die Halde.

Kann man das nicht irgendwie anders nutzen? Als Auftausalz? Reiche schüttelt den Kopf. „Zu unrein.“ Das Zielitzer Steinsalz, der Abfall also, hat zu hohe Sulfatanteile. Die können den Beton angreifen. Die deutschen Vorschriften verlangen hochreines Natriumchlorid zum Streuen. Also fast Speisesalz-Qualität. Die gibt es in Bernburg. Aber nicht in Zielitz.

Oder zurück in die Schächte bringen? „Zu feucht“, meint Reiche. Nach der Aufbereitung ist das Salz nass, das Wasser würde die tragenden Salzpfeiler auflösen.

Es gibt unter Tage auch ein trockenes, elektrostatisches Verfahren, um einen Teil der unbrauchbaren Steinsalze gleich aus dem Rohsalz zu holen. Doch diese Technik bewältigt nur überschaubare Mengen. „Übers Jahr gesehen eine Kommastelle“, sagt Reiche. Theoretisch könnte man das Rest-Steinsalz für die Industrie auch aufarbeiten. Doch das wäre teuer. Und so lange es gutes, reines Steinsalz wie etwa in Bernburg gibt, kein Thema.

Machbar ist auch eine Art Salzbeton. Vor Jahren ging der nach Morsleben, um die Schächte des Atomendlagers zu stabilisieren. Dafür wurde auch Zielitzer Abfall-Salz genutzt. Doch das hat sich 2013 erledigt.

Also gehen jeden Tag gut 30.000 Tonnen auf die Halden. Zielitz hat bereits zwei davon. Die Berge sind in der Region Landmarke und Kult. Den „Kalimandscharo“ kennt hier jeder. Auf „Halde eins“ wird im Sommer Theater gespielt. Für „Halde zwei“ bietet der Bergmannsverein Wandertouren an. Und einmal im Jahr rennen Jogger die steilen Wege hoch und runter.

Die zweite Halde hat mittlerweile 120 Meter Höhe. 30 weitere Meter sind noch möglich. Dann ist Schluss. Mehr ist nicht genehmigt. K+S will die Halde erweitern. Um 200 Hektar. Dann könnte die Produktion bis 2053 weitergehen. Würde das nicht genehmigt, wäre 2020 Schluss. In jeder Hinsicht. Dann wäre die Kaliförderung in Zielitz erledigt. Für den Konzern. Für Zulieferer. Für 1800 Bergleute. Für die umliegenden Gemeinden. „Das wäre ein Hieb“, sagt Verbandsbürgermeister Thomas Schmette in Rogätz. Gewerbesteuer, Kaufkraft, Anteile an Lohn- und Umsatzsteuer. Die Kali-Gemeinden gehören zu den reichsten im Land.

Zielitz, Loitsche-Heinrichsberg und Rogätz bekamen lange Zeit jedes Jahr im Mittel gut 10 Millionen Euro Gewerbesteuern. Zwischen 80 und 90 Prozent stammen von Kali+Salz, meldet das Unternehmen. 2016 und 2017 kam allerdings fast nichts mehr an. Eine Milliardeninvestition in Kanada und Produktionsausfälle an der Werra fraßen Gewinn und Gewerbesteuer. „Doch es gibt Aussicht auf Besserung“ – sagt K+S-Sprecher Ulrich Göbel.

Wir stehen auf Halde zwei. Unter uns das Werk, viel Wald, in der Ferne schimmert der Magdeburger Dom. Um uns gleißendes Weiß. Das Faszinosum „Kalimandscharo“ hat nur einen gewaltigen Nachteil: Der Berg ist undicht. Regen gelangt hindurch und mit ihm Unmengen Salz ins Erdreich. Das Werk hat Drainagen gelegt, kann aber nur einen kleinen Teil davon auffangen. Gut 90 Prozent dringen ins Grundwasser.

Die aufgefangenen Haldenwässer werden in Becken gespeichert. In jedem Liter stecken 330 Gramm Salze – zehnmal mehr als im Ozean. Die Sole darf in die Elbe gepumpt werden – wenn der Fluss genügend Wasser hat. Denn die Salzbrühe muss gut verdünnt werden. Dafür gibt es Grenzwerte. Bei Rogätz sind maximal 400 Milligramm Chloride in einem Liter Elbewasser erlaubt; also tausendmal weniger, als das Haldenwasser hat. Es gibt mehrere Messstellen. Landesbehörden kontrollieren.

Früher durften Halden erweitert werden, ohne groß auf den Untergrund zu achten. Die Zeiten sind vorbei. Neue Halden müssen dicht werden. So weit es irgend geht. Der Plan: Ton wird in die Erde eingefräst, ehe neues Salz aufgetürmt wird. Die Oberfläche des neuen Haldenbereichs wird zudem schrittweise mit einem Gips-Asche-Salz-Gemisch abgedeckt.

Da man unter die alten Haldenareale aber keine Folie schieben kann, sickert dort auch weiterhin viel Salzwasser ins Erdreich. Das Unternehmen will daher künftig deutlich mehr Grundwasser aus der Erde holen, speichern und bei günstiger Wasserlage in die Elbe pumpen. Bislang kann man 55.000 Kubikmeter speichern. „Künftig kämen 480.000 Kubikmeter obendrauf“, sagt Ines Feldberg. Sie ist im Unternehmen zuständig für Umweltbelange und Genehmigungsplanung.

Ob das mal genehmigt wird, ist offen. Die Pläne liegen seit Mitte Juni aus. Bis Mitte Juli ist Zeit für Hinweise, Einsprüche. Die gehen ans Landesbergamt. Dann gibt es Anhörungen. Wenn es gut läuft für K+S, legt das Amt Ende 2019 einen Planfeststellungsbeschluss auf den Tisch. Möglicherweise mit zusätzlichen Auflagen. Dann beginnt die Klagefrist. 210 Hektar Wald müssen weg. 350 Hektar will das Unternehm wieder aufforsten lassen. Und Quartiere für Fledermäuse und Seeadler bauen. Und mehr Salzwasser speichern. Und besser abdichten. Ob das alles reicht, weiß heute niemand.

Umweltverbände wie der BUND haben schon das Visier scharf gestellt und ihre Fachleute aktiviert. Kommt die Stopp-Kelle? „Wir sind kein Klageverein“, sagt Landeschef Ralf Meyer. „Aber wir schauen uns das genau an.“

In der Nähe der Halden steigt das salzige Grundwasser manchmal nahe an die Oberfläche. Dann wachsen dort kleine Salzwiesen. Sogenannte Binnenland-Salzstellen. Da sprießen Pflanzen, die sonst nur an der Küste wachsen. Aber eben kein Weizen mehr. Was den Landwirten nicht gefallen kann. Dann muss Ines Feldberg die Stellen reparieren lassen. Das salzige Grundwasser also auffangen.

Doch das Naturschutzrecht schlägt auch hier bemerkenswerte Volten. Kleine Salzstellen müssen repariert werden – große aber darf sie nicht anrühren. „Ab 100 Quadratmetern steht solch eine Fläche unter Naturschutz“, sagt Ines Feldberg. Dann wird das Böse zum Guten. In der kleinen Ortschaft Loitsche, nicht weit von den Salzbergen, stehen wir an solch einem Wunder. Größer als ein Fußballfeld. Eingezäunt, geschützt. „Biologen sind von den Flächen schier begeistert“, erzählt sie. Ein Stück Ostsee-Wiese in der Börde. Hier landen manchmal Küstenvögel. Und im Herbst blüht alles rosa.

Jetzt, im trockenen 2018er Sommer, ist die Landschaft schon im Juli gelb. Nur die Salzstelle hebt sich ab. Eine graugrüne Wiese mit einer Sandglatze mittendrin. Vor unseren Füßen wächst ein eigenartiges, dickfleischiges Gras. „Queller“, sagt Ines Feldberg. Wir zupfen ein Stück ab. „Kann man essen.“ Das Gras schmeckt gut. Schön salzig. Meinung

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