Petra Wabbel und Uwe Schindler blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft Kamern: Flut des Sees bedroht Existenzen
Kamern l Die Sonne lacht, Vögel zwitschern, das Wasser im See glitzert. Trügerische Idylle in Kamern. Nur mit dem Boot können Uwe Schindler und Petra Wabbel zu ihrem Eigentum gelangen: ihr Wohnhaus, ihre Bungalowsiedlung, ihr Kiosk, die Gaststätte "Seeblick". Der Sommer hatte gerade erst angefangen. Viele Bungalows waren gebucht.
Beim Einpacken des "Seeblicks" halfen viele Leute mit
"Gerade dieses Jahr hatten wir schon viele Anmeldungen", sagt Petra Wabbel. Sie hatte den Kiosk - so heißt die Gaststätte in Erinnerung an die Anfänge - noch auf, als am Dienstag nach dem Deichbruch bei Fischbeck die Nachricht kam, Kamern werde evakuiert. Sie brutzelte für ein Buffet, hatte noch nichts davon gehört. Uwe Schindler hatte die Tage zuvor in Sandau beim Sandsackfüllen mitgeholfen. Dann musste alles ganz schnell gehen.
Am Mittwoch rückte das Technische Hilfswerk in Kamern an. Feuerwehr und andere Helfer, darunter auch die Kamernsche Jugend, packten mit an, um den Kiosk einzuhausen. "Wir haben die Hilfsbereitschaft vom ganzen Dorf erfahren", sagt Petra Wabbel und berichtet, dass sie es gerade noch schafften, die Truhen hochzustellen.
Über die geflutete Straße am See rudert Uwe Schindler das Boot durch das offenstehende Tor zu seinem Grundstück. Auf 13000 Quadratmetern stehen zehn Bungalows zur Vermietung, zehn weitere sind verpachtet. Nur zwei stehen auf einer Anhöhe im Trocknen. Das Wohnhaus hat das Paar erst im vergangenen Jahr renoviert, innen ist alles neu. Uwe Schindler zeigt auch auf die Nachbarhäuser von Fischer Jakobs, von Ronald Liban aus Neukamern, auf das "Grüne Haus" von Stefanie Wischer, auf das alte Schützenhaus, für das der Eigentümer gerade mit der Sanierung begonnen hat. Alle sind geflutet. Insgesamt stehen in Kamern rund 50 Häuser im Wasser.
Mit welcher Kraft sich das Wasser die Häuser in der Seestraße eroberte, zeigt eine 400 Kilogramm schwere Feuerschale, die einfach davongeschwemmt wurde. Der Pavillon hat zwar etliche Stürme überlebt, die Flut nicht. Petra Wabbel schaut auf die Stelle, wo sich der Blumengarten ihrer Mutti befand. "Wenn sie das sieht."
Als erstes wollten beide ins Wohnhaus. Schadensbegrenzung. Herausholen was noch geht und es trocknen, wenn es Sinn macht. "Unser Haus ist erstmal das wichtigste", sagt Petra Wabbel. Doch wovon sie das alles bezahlen sollen, wissen sie nicht. "Der Kredit läuft ja noch, jetzt ist alles geflutet. Vielleicht gibt es einen Hilfsfonds?" Die diesjährige Saison am See haben sie abgeschrieben. Die Bungalows sind aus Holz. Peu a peu wurden sie renoviert, einer hatte gerade einen Badanbau erhalten. "Hier kann doch keiner mehr herkommen. Und auch der Kiosk wird kaum Besucher haben. Wer weiß, wann das Baden in dem Wasser wieder erlaubt ist", macht sich Petra Wabbel Sorgen um die Zukunft.
Uwe Schindler blickt mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Er rudert von Bungalowsiedlung und Wohnhaus hinüber zum "Seeblick", vorbei am gefluteten Jugendklub und Spielplatz. Dass die Sonne prallt, macht ihm nichts aus. "Ich brauche doch Muckis für den Aufbau." Er macht sich Gedanken um die Existenz. "Entweder wir bauen hier alles wieder auf oder wir müssen uns eine Arbeit suchen", sagt der gelernte Kraftfahrer, Baumaschinist und Einzelhandelskaufmann. Seit 16 Jahren ist er in Kamern, hatte zunächst den Campingplatz am See, der jetzt ebenfalls im Wasser steht. Die Bungalowsiedlung hatte er gepachtet, im vorigen Jahr kaufte er sie. Eine Elementarversicherung hat er nicht. "Das Leben wird weitergehen, muss es ja auch."
Helfer aus Tangermünde sind nun in Kamern angekommen
Wie, zeigt sich am Donnerstag dieser Woche, als das Paar gemeinsam mit vielen Helfern im Wohnhaus schuftet. Seit einer Woche sind sie im Gange, räumen raus, was nicht mehr brauchbar ist. Davon gibt es eine Menge. Das Wasser stand rund 30 Zentimeter im Haus. Helfer kommen zum Beispiel aus Tangermünde von der Katholischen Pfarrei. Seit Sonntag sind Pfarrer Michael Gambke und Gemeindereferentin Christine Härtel mit anderen Kirchenmitgliedern im Elbe-Havel-Land. Sie halfen in Fischbeck und in Schönhausen. Jetzt in Kamern. Aus Seehausen und Umgebung kommen Arne, Lara, Nils, Markus und Aileen. Sie gehören dort der Jungen Gemeinde an und packen kräftig mit an.
Beim Auspacken des Kiosk, der 20 Zentimeter im Wasser stand, half die Feuerwehr. Die Priorität von Uwe Schindler und Petra Wabbel liegt auf dem Wohnhaus, damit sie wieder ein Zuhause haben.