Peer Steinbrück informiert sich über die Lage im Elbe-Saale-Winkel / Anwohnerin: "Die Breitenhagener dürfen sich nicht vergessen fühlen" Kanzlerkandidat bringt Entscheidungsträger an einen Tisch
Groß Rosenburg l Das Ausmaß der Schäden des Elbe- und Saalehochwassers und vor allem die weitreichenden Folgen standen gestern im Mittelpunkt einer Gesprächsrunde in der Gemeindeverwaltung Groß Rosenburg. Eine Gesprächsrunde mit Kanzlerkandidat, denn Peer Steinbrück (SPD) wollte sich vor Ort informieren. Die Landtagsabgeordnete Petra Grimm-Benne und der Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka (beide SPD) hatten das Treffen federführend organisiert. Im Raum saßen alle Entscheidungsträger aus der Region, darunter der Chef des Katastrophenstabes des Salzlandkreises, Thomas Michling, der Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL), Tino Puder, Breitenhagens Ortswehrleiter Gerrit List und natürlich der Hausherr, Ortsbürgermeister Michael Pietschker (parteilos).
Es ist unschwer zu erkennen, dass solche Runden (mit oder ohne Kanzlerkandidaten) schon viel früher hätten stattfinden müssen. Der Austausch von Informationen wird von allen Seiten dankend angenommen. Es gibt einen direkten Austausch zwischen den Hierarchien, Unklarheiten können zum Teil ausgeräumt werden. "Es ist gut, dass die Runde hier stattfindet", betont Nienburgs Bürgermeister Markus Bauer (SPD).
Das Bild der Lage, das sich aktuell ergibt, ist ebenso vielschichtig wie brisant. Das inzwischen fast vollständig wieder trockene Breitenhagen ist von der Flut nachhaltig geschädigt. Es gibt weder Trinkwasser noch Strom, auch die Abwasserentsorgung funktioniert nicht. Die in Notunterkünften oder bei Verwandten und Bekannten untergekommenen Menschen werden wohl oder übel noch drei oder mehr Monate warten müssen, bevor sie dauerhaft in ihre Häuser zurück können. Fahrten in den Ort, um nach dem Rechten zu sehen oder um sich Sachen (Textilien, Papiere) zu holen, sollen aber etwa Ende nächster Woche möglich sein, heißt es.
Ausführlich über das Schicksal von Breitenhagen und seiner Einwohner berichtet Eckhart Stolpe. Rückblickend sagt er: "Das Wasser kam sehr schnell. Wir haben vergeblich gehofft, dass es sich in der Breite verteilt. Die Menschen haben den Ort panisch verlassen." Der Abrutsch eines Teils des Saaledeiches am frühen Sonntagmorgen (9. Juni), der als neuralgischer Punkt bekannt war, habe schließlich zur Katastrophe geführt. Die Hilfe der Bundeswehr sei nur schleppend in Gang gekommen, meint Stolpe. Die Breitenhagener hätten sich verlassen gefühlt hinsichtlich von Informationen und Betreuung.
Von einigen jungen Leuten habe er bereits gehört, dass sie den Ort verlassen wollen, berichtet der ehemalige Ortschaftsrat weiter. Viele ältere Leute seien physisch und mental nicht mehr in der Lage, diese Situation zu stemmen. "Die Breitenhagener erwarten ein Signal, ein Signal, dass Breitenhagen wieder aufgebaut wird", schildert Stolpe die Stimmung und führt weiter aus: "Wir brauchen jetzt Kärcher, Bautrockner, Notstromaggregate, um anfangen zu können mit den Sanierungen."
Über den gegenwärtigen Zustand im Ort sagt er: "Es schimmelt, es fault, Maden etc." Sogar die Mücken seien eine Gefahr, weil sie mit toxischen Stoffen belastet sein können. "Wir haben den Ort verlassen mit einer schnell gepackten Tasche", sagt Angela Sixdorf. Sie ist wegen einer behördlichen Angelegenheit zur Verwaltung gekommen. Ja, sie sei selbst betroffen. "Aber ich mache mir vor allem Sorgen um die älteren Menschen. Sie sind oft hilflos, haben nicht einmal eine EC-Karte. Sie dürfen nicht vergessen werden und sie dürfen sich nicht vergessen fühlen", appelliert sie.
Der Hamburger Peer Steinbrück - selbst ein von Hochwasser betroffener Mensch - hebt hervor, dass die Anrainer von Elbe und Saale an eine vernünftige Elementarversicherung herankommen müssen, deren Prämien nicht durch das Dach schießen. Der Sozialdemokrat lässt sich von Feuerwehrleuten den Ort Breitenhagen zeigen. Seine Bedingung: "Ich will nicht, das irgendjemand abgehalten wird das zu tun, was getan werden muss."