1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Brockob schreibt Schlager für Derenburg

Karneval Brockob schreibt Schlager für Derenburg

Was Köln für den rheinischen Karneval ist, ist Derenburg für die fünfte Jahreszeit im Harz. Und Eckhard Brockob schreibt die Hits dazu.

Von Jens Müller 08.02.2018, 00:01

Derenburg l „In einer Stadt am Harzer Rand, da lebt – bei jedem wohlbekannt – am Marktplatz in ‘nem Häuschen fein – das arme Dorfschulmeisterlein.“ So heißt es in einem echten Derenburger Karnevalslied. Geschrieben hat es Eckhard Brockob (73). Einst Lehrer an der Derenburger Schule, gestaltet er seit Jahrzehnten musikalisch den Karneval in „Strohkoppshausen“ mit. Die „Hitschmiede“ liegt im Hinterhof jenes Dorfschulmeister-Häuschens – gerade halb so groß wie eine Garage. Mittendrin ein Keyboard, ein paar Stühle, eine Stereoanlage: „Willkommen im Studio B“, sagt Hausherr Eckhard Brockob.

Seit Jahrzehnten textet, komponiert und arrangiert er dort jene Karnevalschlager, die mittlerweile Generationen von Derenburgern prägen. „Mit dem ,Piratenlied‘ sind wir großgeworden“, sagt Angela Dienst. „Es ist wunderschön gedichtet und einfach Tradition“, beschreibt die Kindergärtnerin, die seit 13 Jahren den Kinderkarneval organisiert, den Song. „Ecki“ Brockob war einst ihr Klassenlehrer.

Doch nicht nur Angela Dienst hat er mit dem Karnevalvirus infiziert. „Wir singen nun schon seit 40 Jahren zusammen“, erinnert sich Solveig Gera. „Ich bin quasi mit ihm groß geworden“, sagt die Derenburgerin, die das St. Katharinen-Hospital – ein Altenpflegeheim im Ort – leitet. Während der närrischen Tage steht sie bei den Sitzungen des Derenburger Carneval Vereins (DCV) Blau-Weiß als Stimmungssängerin auf der Bühne. Für die musikalische Begleitung sorgen – natürlich – „Ecki“ Brockob und Werner Bodenstedt als Oldie-Duo. „Wir sind schon belächelt worden. Aber wir singen immer live“, ist Solveig Gera mächtig stolz auf die Gesangsdarbietungen des Derenburger Karnevals – ob zum 11.11. auf dem Marktplatz, zu den Büttensitzungen, dem Rentner- und Kinderfasching oder zum großen Straßenumzug. „Das Einzigartige ist, dass die Texte speziell auf Derenburg bezogen sind“, ergänzt Werner Bodenstedt. Und dafür hat vor allem Ecki Brockob ein feines Gespür.

Ausgewählt werden die Lieder vor jeder Session vom Elferrat. „Dann wird es schon mal eng im Studio B“, scherzt Brockob, der sich mit seinem Lied vom „armen Dorfschulmeisterlein“ selbst ein musikalisches Denkmal gesetzt hat.

Das Kuriose dabei: „Jeder denkt, dass ich Musiklehrer gewesen bin“, erzählt er. Dabei hatte Brockob Anfang der 60er Jahre Germanistik und Geschichte studiert. Ein Kommilitone brachte ihm das Gitarrenspiel bei. Sein musikalisches Talent löste später in der Schule ein Problem: Brockob sprang zunächst vertretungsweise für den Musiklehrer ein. „Das ging dann soweit, dass ich zu 95 Prozent Musik unterrichtet habe“, erinnert er sich.

Dem Karneval ist er schon seit Kindesbeinen verbunden. Und seinen Liedern ist besondere die Liebe zu jenem kleinen Städtchen anzuhören, in das es seine Mutter und die Großeltern nach der Flucht aus Fürstenberg/Oder im Winter 1944/45 verschlagen hatte.

Doch was macht einen guten Karnevalschlager aus? „Man muss einen Punkt finden, mit dem sich möglichst viele identifizieren können. Und man muss sich auch über sich selbst lustig machen können“, erklärt Eckhard Brockob. Natürlich müsse es humorvoll sein und ein bisschen Gesellschaftskritik beinhalten. So wie beispielsweise das „Piratenlied“, das schon zu DDR-Zeiten lustig verpackt den schlechten Zustand des Flüsschens Holtemme und wild entsorgten Müll anprangerte sowie die Reparatur des Freibades anmahnte. Der Marsch mit dem einprägsamen Refrain: „Wir sind Piraten vom Holtemmestrand. Wir ziehen fröhlich und frei durch das Land. Seh‘n wir ‘ne Ungerechtigkeit, haben wir den Säbel gleich bereit“, kennt in Derenburg jedes Kind.„Ich muss zuerst den Refrain haben“, sagt Brockob, „dann kommen fast automatisch die Strophen dazu.“ Zwei bis drei Wochen lang tüftele er daran, bis alles sitzt und auch die Melodie zum Text passt. Meist ist sie volkstümlich gehalten und zum Schunkeln geeignet, doch greift Brockob auch gern ins Country-Fach oder arrangiert im Dixieland-Sound. Die zündende Idee könne man allerdings nicht erzwingen: „Das geht nicht auf Bestellung“, so der Musiker, der sich einen kleinen Kniff ausgedacht hat, um jeden Funken sofort festzuhalten. „Wenn ich den Musenkuss kriege und manchmal nachts aufwache, schreibe ich mir schnell die Noten auf. Ich habe immer ein Notenblatt dabei“, erzählt Brockob, der in wenigen Tagen seinen 74. Geburtstag feiert.

„Ich habe schon mit Schrecken festgestellt, dass ich von den Aktiven auf einmal der älteste bin“, sagt er. Deshalb wolle er künftig ein bisschen ruhiger treten. Zunächst hat er eine Operation im vergangenen Jahr so eingetaktet, dass er pünktlich zum Sessionsbeginn am 11.11. wieder auf der Rathaustreppe stand und mit Hunderten Jecken gemeinsam „Nektar ambrosia“ sang – seine Hymne auf das Hasseröder Bier. Live – versteht sich.

Nur beim Kinderkarneval war er diesmal nicht dabei. „Da wollte ich nicht auf die Bühne humpeln“, scherzt er. Aber zum großen Umzug am kommenden Sonnabend und zum Rosenmontag im Katharinen-Hospital ist der „Hofkomponist“ wieder an der Seite von „Hofnarr“ Werner Bodenstedt dabei. Und dann erklingt vielleicht auch jene kleine Liedzeile: „Vor 60 Jahren war er dabei. Blau-Weiß war damals nochganz neu. Er liebt seitdem, ein Narr zu sein – das arme Dorfschulmeisterlein.“