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Rente mit 63 Keine Abzüge bei 18.000 Sachsen-Anhaltern

Die Wirtschaft barmt, Beschäftigte und Gewerkschaften freuen sich: Langgediente können seit einem Jahr schon mit 63 ohne Abzüge in Rente. Das nutzen mehr, als viele erwartet hatten.

Von Jens Schmidt 18.07.2015, 02:58

Magdeburg l Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland zählte bis Ende Mai allein für Sachsen-Anhalt 9261 Antragsteller. Bei ihr sind vor allem Arbeiter versichert. Hinzu kommen etwa genau so viele Angestellte, die von der DRV Bund ihre Rente bekommen. Insgesamt nutzen seit der Reform vor einem Jahr mithin etwa 18.000 Sachsen-Anhalter die Möglichkeit der Frührente ohne Abzüge. Das ist seit 1. Juli 2014 für jene möglich, die mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben.

Die Zahl 18.000 ist für die kurze Zeitspanne von lediglich elf Monaten enorm vor dem Hintergrund, dass im ganzen Jahr 2014 etwa 23.000 Menschen insgesamt in Altersrente gingen.

Zuspruch ist größer als von Experten erwartet

Auch in Sachsen und Thüringen ist der Zuspruch groß. "Der ist stärker als wir das vermutet haben", sagt der Chef der DRV Mitteldeutschland in Leipzig im Interview mit der Volksstimme. Da auch kürzere Zeiten der Arbeitslosigkeit mitzählen, kommen viele Ostdeutsche auf die geforderten 45 Beitragsjahre. Zudem waren im Osten Deutschlands viele Frauen im Beruf, die von der neuen Rentenart profitieren.

Die Gewerkschaft sieht die Entwicklung positiv. "Wir freuen uns für jeden, der nach 45 Jahren im Beruf gehen kann", sagt DGB-Landeschef Udo Gebhardt. Die Rente mit 67 lehnt die Gewerkschaft ohnehin ab.

Kritik kommt aus der Wirtschaft. Die Industrie- und Handelskammer Magdeburg beklagt, dass durch die Frühverrentung der Fachkräftemangel noch verschärft wird. Hauptgeschäftsführer Wolfgang März: "Wir kämpfen bereits darum, ausländische Fachkräfte nach Sachsen-Anhalt zu holen. Und hier werden mit einem Federstrich Tausende Menschen in Rente geschickt." Vielmehr müssten Anreize gesetzt werden, um über die Regelaltersgrenze hin-aus zu arbeiten.

Differenzierter sieht es die Handwerkskammer: Die hohe körperliche Beanspruchung in vielen Handwerksberufen sei ein Grund, die Rente mit 63 als Ausstieg aus dem Berufsleben zu nutzen, sagt Magdeburgs Kammerpräsident Hagen Mauer. DGB-Chef Gebhardt meint, die Arbeitgeber seien lange genug ermahnt worden, durch "ordentliche Löhne" junge Leute zu halten.

Auch vor der Reform 2014 gingen die Versicherten in den drei mitteldeutschen Ländern im Schnitt mit etwa 63 Jahren in Rente - und damit zwei Jahre vor der Regelgrenze. Allerdings mussten sie für jeden Monat 0,3 Prozent Abschläge in Kauf nehmen - bei zwei Jahren waren das 7,2 Prozent. Das ist jetzt anders. Wer 45 Jahre gearbeitet und Beiträge bezahlt hat, erhält nunmehr seine volle Rente.

Die Regelaltersgrenze steigt derzeit schrittweise von 65 auf 67 Jahre. Die Altersgrenze der "Frührente" klettert ebenfalls - von jetzt 63 auf künftig 65 Jahre.