Magdeburger Landgericht setzt zehn Monate Haft auf Bewährung aus/ Zwei Ermittlungen wegen Falschaussagen Kickboxer-Prozess: Zwei Zeugen verlieren Erinnerung
Magdeburg l Das Magdeburger Landgericht hat im Berufungsverfahren den amtierenden Kickbox-Weltmeister Sascha Poppendieck wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtstrafe von zehn Monaten verurteilt. Im Gegensatz zum ersten Urteil vor dem Amtsgericht setzte die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Enno Bommel die Strafe aber auf drei Jahre Bewährung aus. Das Urteil ist rechtskräftig.
Er muss 3000 Euro Schmerzensgeld trotz laufender Privatinsolvenz an den Nebenkläger Sascha Thon zahlen. Dieser war am 27. Februar 2011 gegen 3 Uhr im Magdeburger Club "Festung Mark" zunächst vom früheren Angeklagten Dennis M. (das Amtsgericht sprach ihn im ersten Prozess frei) in einem Zweikampf vor dem Eingang zusammengeschlagen worden. Das Opfer, selbst Kampfsportler, hatte dem sogenannten 1:1-Kampf "aus Angst" nur unter der Maßgabe zugestimmt, dass sich der Angeklagte Poppendieck nicht einmische. Das tat er nach Ansicht der Kammer aber. Als Dennis M. im Zweikampf mit dem Opfer am Boden lag, sei Poppendieck immer um beide herumgelaufen und habe sie angestachelt. Der Kickbox-Weltmeister schlug dann mehrfach auf sein Opfer ein. Dieses erlitt Platzwunden, zugeschwollene Augen, Blutergüsse am Rücken und verlor einen Eckzahn. Anschließend soll Poppendieck noch auf weitere Gäste eingeschlagen haben. Mangels Strafanträge konnte die Staatsanwaltschaft dies aber nicht weiterverfolgen.
Positive Sozialprognose für Sascha Poppendieck
In der Beweisaufnahme konnte sich der Zeuge Robert F., ein zufällig vor Ort befindlicher Gast, der auch geschlagen wurde, nicht einmal mehr an seine Aussagen bei der Polizei erinnern. Er verstrickte sich in Widersprüche, trotz eindringlicher Belehrung des Vorsitzenden, die Wahrheit an dieser Stelle zu sagen. Der Richter belehrte den Zeugen mehrfach, dass er sich sonst der uneidlichen Falschaussage schuldig mache. In diesem Fall drohe ihm eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Der Zeuge blieb aber bei seinen fragwürdigen Aussagen. Aus diesem Grund wurden die Aussagen wortwörtlich zu Protokoll genommen. Richter Bommel: "Damit ich mich im weiteren Verfahren (wegen der mutmaßlichen Falschaussage d.Red.), wo ich dann als Zeuge gehört werde, mich auch erinnere."Auch der Zeuge Dennis M., der mit einem "Bandidos"-Shirt Platz nahm, litt an Gedächtnisverlust. Als früherer Angeklagter im ersten Prozess im Sommer 2012 konnte er sich nicht mal an diese Verfahren, ganz zu schweigen an seine Aussagen erinnern. Der Richter meinte daraufhin nur verärgert: "Wir ziehen uns hier nicht die Schuhe mit Schaufelbaggern an." Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten ließ schon im Prozess durchblicken, dass nun gegen beide Angeklagten wegen uneidlicher Falschaussage ermittelt wird. Erst nach ermahnenden Worten des Vorsitzenden, dass spätestens im nachfolgenden Verfahren "alles umfallen könnte wie Dominosteine", lenkte die Verteidigung ein. Sascha Poppendieck sagte eine Zahlung von 3000 Euro Schmerzensgeld zu und entschuldigte sich per Handschlag beim Opfer in der Verhandlung.
Das Gericht beschränkte daraufhin die Berufungsverhandlung auf das Aussetzen der Strafe auf Bewährung. Die zehn Monate Haft wurden für rechtmäßig erklärt. Das Gericht sah aber "eine positive Sozialprognose", obwohl der Verurteilte mit 15 Straftaten, davon 7 Körperverletzungen, einschlägig vorbestraft ist. Das letzte Urteil gegen ihn wurde am 10. Juli 2008 gefällt. Poppendieck verstieß gegen die Bewährung aus dem letzten Verfahren. Die Staatsanwaltschaft hatte sich deshalb gegen das Aussetzen der Haftstrafe ausgesprochen.