Jugendweihe Kinder werden Leute
Anfangs eine Alternative zur kirchlichen Tradition, dann von der SED instrumentalisiert, trotzdem Fortbestand bis heute: Die Jugendweihe.
Burg l Jeder kennt sie, die Jugendweihe. Viele von euch werden sie schon selbst erlebt haben. Ihr habt so einiges an Freizeit geopfert, um an dem vielseitigen Programmen im Vorfeld der Weihe teilzunehmen. Manche von euch stecken vielleicht gerade mitten in den Vorbereitungen für diesen großen Tag oder werden in den kommenden Jahren Bekanntschaft mit ihm machen. Doch mal ehrlich, wer von euch weiß schon wirklich, wo die Jugendweihe herkommt oder wie sie zur Zeit der DDR begangen wurde? Das wollen wir jetzt ändern.
Ihren Ursprung hat die Jugendweihe in den Anfängen der freireligiösen Bewegungen um 1848. Die Gruppierungen, die Teil der Bewegung waren, hatten es sich zum Ziel gesetzt, die formellen christlichen Glaubensinhalte zu überwinden, um ganz gezielt den Fokus auf die Werte des Humanismus zu setzen. Ideen wie Menschenrechte und Toleranz wurden hochgehalten. Beeinflusst wurde die freireligiöse Bewegung von der Philosophie der Aufklärung und liberalen Strömen innerhalb des Christentums.
Im Zuge dieser Entwicklungen tauchte der Begriff der Jugendweihe das erste Mal 1852 auf. Sie wurde im thüringischen Nordhausen gefeiert. Begründet wurde die Zeremonie von dem sächsischen Freidenker Eduard Baltzer. Als Gegenpol zur christlichen Konfirmation bot die Jugendweihe Mädchen und Jungen unabhängig von religiöser Zugehörigkeit eine Möglichkeit, den Übertritt von Kindheit hin zum Erwachsenenleben in einem festlichen Rahmen zu begrüßen. Da sie damals als Feierlichkeit zur Schulentlassung abgehalten wurde, waren die Teilnehmer in der Regel 14 Jahre alt – so wie es heute noch der Fall ist.
Obwohl die Christen mit einem Anteil von über 90 Prozent in der Bevölkerung eine klare Mehrheit zur Gründung der DDR 1949 darstellten, gab es enorm große Spannungen. Das lag darin begründet, dass die marxistisch-leninistische Staatsideologie den Religionen keinerlei Platz bot. Da die Jugendweihe frei von religiösem Charakter war, passte sie daher sehr gut ins Konzept der SED-Führung.
Ab 1954 trat die Weihe an die Stelle von Konfirmation und Firmung, und wurde mehr oder weniger zum Pflichtprogramm der DDR-Jugend. Insgesamt nahmen bis zum Mauerfall knapp sieben Millionen Mädchen und Jungen teil.
Galt die Feierlichkeit ursprünglich zur Erziehung mündiger Menschen, galt sie in der DDR dann zur Erziehung von Bilderbuch-Sozialisten. So war ein zentraler Bestandteil des Rahmenprogramms das Gelöbnis der Jugendlichen zum Schutz und der Stärkung des Sozialismus.
Auch die Geschenke hatten einen deutlichen Erziehungsanspruch. Bis 1972 erhielten die Teilnehmer das Buch „Weltall, Erde, Mensch“, abgelöst von „Der Sozialismus – Deine Welt“. In den letzten Jahren vor dem Mauerfall erhielten sie das Buch „Vom Sinn unseres Lebens“. Eine Rede eines prominenten Gastes durfte außerdem nie bei der Jugendweihe fehlen.
Auch heute ist die Jugendweihe ein wichtiges Fest. Es wird von konfessionslosen Familien als gute Alternative zu den kirchlichen Zeremonien geschätzt. Allein in Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr rund 8000 Jugendliche an der Jugendweihe teilgenommen.
Heutzutage erfolgt die Teilnahme an der Weihe auf rein freiwilliger Basis und ist nicht mehr an Institutionen geknüpft. Die Organisation und Durchführung übernehmen deshalb meist Vereine, wie der Landesverband Sachsen-Anhalt der Interessensvereinigung der Jugendweihe aus Magdeburg. Er wurde bereits 1990 gegründet.
Kathrin Flecken arbeitet für den Verein im Jerichower Land. In Burg, Gommern und Genthin berät sie Jugendliche und ihre Eltern, wenn ein Interesse an der Jugendweihe entsteht. Über den Verein werden zusätzlich viele Aktivitäten angeboten, die die Jugendlichen in Anspruch nehmen können. In diesem Jahr hat der Verein in rund 350 Freizeitveranstaltungen mehr als 4000 Teilnehmer in Sachsen-Anhalt begleitet. Besonders beliebt: der Knigge-Kurs im Maritim Hotel und ein Besuch der Buchmesse in Leipzig. Doch das Freizeitprogramm hielt noch viele weitere Highlights, wie Tanz- und Theaterkurse, bereit.
Rund 160 junge Menschen aus Burg und Genthin werden in diesem Jahr an den Feierstunden teilnehmen, zählt Kathrin Flecken.
In Burg findet die Jugendweihe am 28. Mai statt. Sie wird von den Schülern der Klassen 8a und 8b der Sekundarschule Carl von Clausewitz sowie von den Klassen 8.1, 8.2, 8.3 und 8.4 des Roland-Gymnasiums begangen.