1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. 500 Spezialisten für Friedensfragen

Kirchentag 500 Spezialisten für Friedensfragen

Unter dem Motto „Sie haben eine gute Nachricht“ feiert die Evangelische Kirche in Magdeburg die Reformation. 20.000 Besucher feierten mit.

26.05.2017, 23:01

Magdeburg l Sie kämpfen um Aufmerksamkeit. Die Posaunen am Petriförder haben es schwer, den Autolärm am Magdeburger Schleinufer zu übertönen. Gut zweihundert Besucher sind am Freitagmorgen gekommen, um an einer der zehn parallel stattfindenden Bibelarbeiten teilzunehmen. An der Bühne kommt gerade ein Bus mit einer Rentnergruppe aus dem Salzlandkreis an. Die Stimmung ist gut, geradezu beschwingt. Viele Christen haben den markanten orangen Schal dabei, unterhalten sich fröhlich. Doch draußen fahren viele vorbei, ohne wohl genau zu wissen, was da am Petriförder und anderen Orten in der Stadt eigentlich vor sich geht. Die Kulisse ist ein wenig sinnbildlich für den Kirchentag. Das Treffen eröffnet Begegnungen – vor allem aber unter den Christen selbst. Der Anspruch, auch diejenigen anzusprechen, die mit dem Glauben wenig anfangen können, scheint zu ambitioniert.

Dabei bietet der Kirchentag in Magdeburg mit mehr als 400 Veranstaltungen ein abwechslungsreiches Programm: Vorträge und Seminare genauso wie Podiumsdiskussionen, Theaterstücke und Konzerte. Diese Vielfalt war einer der Gründe, warum Barbara Schmidt aus Tangermünde in die Landeshauptstadt gekommen ist. „Ich bin zum ersten Mal auf einem Kirchentag und bin begeistert. So viele Veranstaltungen, alles zentral – das ist toll!“, sagt sie. Am meisten beeindruckt sei sie vom Vortrag von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). „Ich wusste gar nicht, dass er so fundiert im Glauben steht.“

„Verzweiflung, Wut und Schrecken begleiten ihren Sturz, und eine neue Welt entspringt auf Gottes Wort“, erschallt es in der Johanniskirche. Seit dem Morgen proben dort rund 80 Männer und Frauen für ein Mitmachkonzert. Aufgeführt wird „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Der Dirigent ist noch nicht zufrieden. Das Wort Verzweiflung sollten die Sänger bitte „übertrieben aussprechen“, damit es gut zu verstehen ist. Er lässt die Passage ein Dutzend Mal wiederholen.

Zur gleichen Zeit dreht sich in der Festung Mark alles um das Thema Medien. Eltern sollen Computerspiele ausprobieren und die sozialen Medien wie Facebook verstehen lernen, natürlich steht auch eine Debatte zu Hasskommentaren auf dem Plan. Die Kirche will den Gebrauch moderner Medien reflektieren und hinterfragen.

Pünktlich um 12 Uhr steht der Kirchentag jedoch komplett still. Schweigeminute. Nur die Glocken des Doms erklingen. Es wird der vielen Hundert Opfer gedacht, die jährlich im Mittelmeer und an den Außengrenzen der EU umkommen. Melancholische Celloklänge lassen die Menschen in der Kirche danach innehalten. Einige haben Tränen in den Augen.

Doch der Kirchentag ist nie nur Besinnung. Er war schon immer politisch und bleibt es. Als sichtbares Zeichen steigen vor dem Dom 500 weiße Tauben in den Himmel hinauf. Domprediger Jörg Uhle-Wettler nennt die Vögel „Spezialisten für Friedensfragen“. Er ermutigt die Gläubigen dazu, Haltung zu zeigen und für Versöhnung und Frieden einzutreten. Die Tauben sollen ein Symbol der Hoffnung sein.

Dazwischen gibt es allerorten Gottesdienste und Gebete in den verschiedensten Formen: Anbetung mit Orgel oder moderner Musik, Taizé-Gesänge, Formate für Jugendliche und gelebte Ökumene – ja sogar auf einer schwimmenden Kirche, die extra aus Hamburg nach Magdeburg gekommen ist, werden Andachten gefeiert.

Die Botschaften gleichen sich: globale Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Frieden – Reformator Martin Luther hätte daran wohl große Freude gehabt.