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Kreuzfahrt Mit Lisbeth Koslowski bis ans Ende der Welt

Humoristin Josefine Lemke aus Eggersdorf ist in Sachsen-Anhalt bekannt wie ein bunter Hund. Nun erobert sie die Weltmeere.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 02.09.2017, 01:01

Schönebeck l Es gibt nichts, das es nicht gibt. Stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs auf einer Kreuzfahrt. An Bord kommt ihnen ein älteres Pärchen entgegen. Beide tragen Bademantel. Sie hat einen Hut, er ein Basecap auf dem Kopf. Sie könnten auf dem Weg von der Sauna zur Kabine sein - das ist in diesem Aufzug nicht unüblich. Jedoch tragen die beiden auch noch eine dicke weiße Schicht Creme im Gesicht. Das sieht schon merkwürdig aus.

Ein Mitreisender nimmt das ulkige Paar sogar mit der Filmkamera auf. Andere Gäste verfolgen die Szene aus sicherer Entfernung. Die einen tuscheln, die anderen gehen weiter, und noch einmal andere sprechen das Paar auf ihre gewagte Ausgehkleidung an. Doch eine große Frage bleibt am Ende: Sind die beiden echt oder gehören sie zum Entertainment?

Was die Gäste dieser Aida-Kreuzfahrt mit dem Titel „Highlights am Polarkreis“ nicht wissen, ist, dass die zwei Bademantel-Gestalten „undercover comedy“ betreiben - also verdeckte humorvolle Unterhaltung bieten. Sie sorgen für Gesprächsstoff auf den Schiffen der Aida-Flotte. Dabei schlüpfen Unterhaltungskünstler in eine Rolle. Man trifft sie beim Essen, an der Bar, im Fahrstuhl - eben mittendrin, da, wo die anderen Gäste sich ebenfalls tummeln. Das Gegenüber wird in ein Gespräch verwickelt. Das sind jedoch keine normalen Gespräche. Sie zaubern den Gästen ein Lächeln ins Gesicht. Es sind humorvolle Unterhaltungen. Klamauk gehört nicht dazu. Es sind einfach witzige Zeitgenossen. Einzig merkwürdig dürfte ihr Outfit sein. Dabei verkleiden sie sich nicht wie Clowns, sondern haben ein eigenes, auf ihre Rolle abgestimmtes Styling .

Lisbeth Koslowski - die Frau im Bademantel - zum Beispiel ist Seniorin und kommt vom Dorf - aus Eggersdorf im Salzlandkreis. Sie trägt Plissee-Röcke, vorzugsweise in schwarz. Dazu eine weite Bluse. Neben ihrer Brille mit enorm großen Gläsern gehört ein Hut immer farblich auf den Rest der Kleidung abgestimmt. Aber auch Glitzer darf nicht fehlen, doch immer ein bisschen altbacken.

Ihr Bekannter heißt Hajo Päffgenrath, ist Büdchenbesitzer in Köln. So wie Lisbeth Koslowski hat er eine recht liebenswerte Art, jedoch verbindet ihn mit seiner Begleiterin auch der eher schräge Modegeschmack - oder wohl eher altmodische Stil.

Beide gehören aber nun einmal zu den Gästen dieser Kreuzfahrt. Während des deutschen Hochsommers reisen auf dieser Fahrt rund 2000 Touristen über die Weltmeere. Schottland, Island und Norwegen stehen auf dem Plan. Höhepunkt für viele sind die Insel Spitzbergen und das Nordkap - beides sind Orte mehr oder weniger am Ende der (europäischen) Welt.

Damit fallen die beiden auf - aber sie werden nicht entlarvt. So unterhalten sich zwei ältere Damen beispielsweise auf der öffentlichen Toilette über das Paar. „Sind die wirklich so oder spielen die uns nur etwas vor“, fragt die eine. Die andere sagt schlicht: „Also so eine Männerhandtasche wie der Hajo sie trägt, hat mein Mann auch.“ Lisbeth und Hajo sind halt schräg. Sie fallen auf und gehören doch dazu.

Am Ende ist es aber nicht ihre Kleidung, durch die sie auffallen. Es sind die Gespräche. Beide sind redegewandt. Sie haben Wortwitz. Sie sind schlagfertig. Schüchternheit ist ein Fremdwort für sie - natürlich. Und Geheimnisse scheinen sie keine zu haben. Denn sie reden über alles und jeden ganz offen. So berichtet Hajo Päffgenrath beispielsweise ohne mit der Wimper zu zucken von seiner Frau, die bei Köln einen Hundepuff betreibt. Einen was? Ja, sie haben richtig gelesen. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.

Für Frank Jacob alias Hajo Päffgenrath ist „undercover comedy“ auf den Schiffen des Aida-Konzerns ein Traumjob. „Näher an den Gast kommst du nicht heran“, sagt er. „Anfangs sind die Leute skeptisch, doch dann akzeptieren sie einen“, beschreibt er seine Erfahrungen. Ähnlich sieht das Josefine Lemke alias Lisbeth Koslowski. „Wir stehen immer wieder vor der Herausforderung, spontan zu agieren“, sagt sie. Denn anders wie bei einem Bühnenprogramm sind die Texte nicht vorgearbeitet. Schließlich geht es um die Interaktion mit dem Gast.

Will er über das Essen oder die Reiseziele reden? Geht es um Fernsehserien oder den nächsten Urlaub? Die Gespräche entwickeln sich, und Lisbeth und Hajo müssen immer etwas zu sagen haben. Wichtig ist dabei auch, dem Gegenüber zuzuhören. „Und sich das Erzählte zu merken“, sagt Josefine Lemke. Denn wenn man sich erneut trifft, was auf einer 17-Tage-Reise nicht so unwahrscheinlich ist, dann erwartet ein jeder Gesprächspartner, dass man sich an die letzte Begegnung erinnert.

„Deshalb ist es wichtig, dass sich hinter jeder Figur eine Vita befindet“, sagt die Humoristin aus Sachsen-Anhalt. Soll heißen: Die Rollen werden nicht spontan ausgedacht. Josefine Lemke und Frank Jacob spielen schon seit Jahren ihre Paraderollen - sowohl an Land als auch auf dem Schiff. „Undercover comedy“ auf den Aida-Schiffen basiert auf ausgewählten Künstlern, die für eine niveauvolle Unterhaltung garantieren. In der Regel werden Reisen mit mehreren Seetagen und Transreisen genutzt - das heißt im Umkehrschluss: nicht auf jeder Reise gibt es diese verdeckten Komödianten zu erleben. Frank Jacob geht seit 2009 regelmäßig für Aida auf Reisen, Josefine Lemke seit 2013.

Ihre Rollen haben sie sich selbst auf den Leib geschrieben. Sie kommt vom Dorf, er aus der Großstadt. Sie ist Seniorin, er der Kioskbesitzer. Das sind feste Größen. Genauso wie die Hobbys. So haben sie sich überhaupt erst kennengelernt bei einer Quizshow. Sie werden auch nicht müde, während ihrer 17-Tage-Reise zum Ende der Welt davon zu berichten, wie Lisbeth und Hajo nie von der Kandidaten-Warteliste weiter gekommen sind. Dann bot der Quizmaster eine Trostrunde, bei der die beiden die Reise gewonnen haben - wohl um ihr Wissen, zumindest im Geografischen, aufzubessern.

Denn dafür ist diese Aida-Reise unter dem Titel „Highlights am Polarkreis“ durch und durch gemacht. Von Hamburg führt die Schifffahrt nach Schottland, Island, nach Spitzbergen und Norwegen. Das sind Destinationen, die jedes Herz höher schlagen lassen. Die erste Station sind die schottischen Orkney-Inseln. Sie bestechen durch ihr sattes Grün, die Klippen, die Weite. Von den 70 Inseln sind nur 23 bewohnt.

Island wird dreimal angefahren. Nach der Hauptstadt Reykjavik folgen Isafjordur und Akureyri. Rund 350.000 Menschen leben auf dieser Insel - nicht eingerechnet sind die Feen und Trolle, an die die Isländer glauben. Beeindruckend sind hier die Geysire, Wasserfälle und jener Graben, an dessen Stellen die Kontinentalplatten von Amerika und Europa aus-einanderdriften. Hier kann sozusagen jeder einen Spaziergang von Europa nach Amerika unternehmen.

Derweil gehen Lisbeth und Hajo im Bordshop einkaufen. Für die Lieben zuhause müssen schließlich Mitbringsel gekauft werden. Lautstark werden die Waren bestaunt und diskutiert.

Bei all den humorigen Einfällen sollen die Gäste nicht das Gefühl haben, „verkackeiert“ zu werden. „Wir müssen auch im Blick haben, welcher Gast möchte überhaupt angesprochen werden“, sagt Frank Jacob. Belästigt soll sich keiner fühlen.

Ein anderes Mal bieten sie eine Lesung an. Und zwar eine Fahrstuhllesung - von Gästen für Gäste steht auf dem Plakat an der Wand. Normalerweise finden acht Personen reichlich Platz in einem Aida-Fahrstuhl. Nun sitzen Lisbeth und Hajo auf ihren Klappstühlen. Wer sich traut, trotzdem einzutreten, bekommt während der kurzen Fahrt einen Witz der Kategorie typisch Mann oder typisch Frau vorgelesen. Die Gäste sind irritiert, doch der ein oder andere bleibt drin, obwohl seine Etage bereits angefahren wurde. Geht‘s eben noch einmal nach unten und wieder nach oben.

Ein Mann fragt frei heraus: „Gehören Sie zu den Schauspielern?“ Für die „undercover comedy“-Darsteller bleibt keine Zeit zum Überlegen. Hajo entgegnet kurz: „Wir machen Urlaub wie Sie. Nur unsere Kabinen werden gerade gereinigt.“ Lisbeth gibt auch noch ihren Senf dazu, und dann folgt schon wieder ein Witz aus dem Buch.

Es wird gelacht, kommentiert, und manche Gäste geben ihre eigenen humorvollen Lebensweisheiten zum Besten. Nach einer Stunde ist die kurzweilige Fahrstuhllesung vorüber. Zahlreiche Gäste sind ein- und ausgegangen. An das Wort Langeweile will hier keiner denken. Zu den 17 Reisetagen gehören sieben Seetage. Die muss man nicht auf seiner Kabine verbringen. Tanzkurs, Bingo, Shows auf der Bühne und verschiedene Vorträge genauso wie das Fitnessstudio und der Spa-Bereich sorgen für Abwechslung. Ein zusätzliches „Angebot“, von dem die Gäste aber nichts ahnen, ist die „undercover comedy“.

Keiner weiß, wer hinter der Fassade steckt. „So soll das auch sein“, sagt Frank Jacob. „Die Illusion soll aufrecht gehalten werden“, erklärt er. Das gelingt den beiden. Sind sie nicht im Dienst, dann schlendern sie in zivil übers Schiff. Dann tragen sie Kleidung aus ihrem realen Leben. „Ich habe doppelt so viel Gepäck dabei wie jeder normale Gast“, sagt Josefine Lemke. Nachvollziehbar - schließlich braucht sie Sachen für sich und für Lisbeth Koslowski. „Unsere Figuren müssen wie jeder normale Gast immer wieder etwas anderes tragen“, sagt sie. Und so gehören der feine Zwirn genauso zum Repertoire wie Regenkleidung und Wandersachen.

Vor allem die warmen regenabweisenden Sachen sind nötig beim Ausflug zum Nordkap. Das ist seit dem Anschluss an das Straßennetz über die heutige Europastraße 69 im Jahr 1956 der nördlichste Punkt Europas, der auf Straßen vom europäischen Festland aus erreicht werden kann. Dem Regen und Wind zum Trotz zieht es die Touristen zu der berühmten Weltkugel-Plastik. Lisbeth und Hajo machen hier auch ein Erinnerungsfoto, während 300 Meter unter ihnen das Eismeer rauscht.

Doch nicht allein das Nordkap macht diese Reise zu etwas Besonderem. Das Schauspiel der Natur beeindruckt täglich. Es sind die Kontraste, die jeden Aida-Gast immerzu gespannt ans Fenster, aufs Deck oder den Balkon ziehen. Während die Weiten der Meere durchschritten werden, sind es immer wieder die Chancen, Wale zu sehen. Hier und da gibt es sie zu entdecken. Darüber hinaus sind da noch die malerische Fischerdörfer, steinigen Mondlandschaften, grüne, blühende Hänge, Mitternachtssonne, Nordlicht, einsame Hütten und betriebsame Städtchen, die die Vielfalt des Nordens beweisen. Ob Schottland, Island oder Norwegen, all diese Länder haben ihren Charme und beeindrucken. Und auch Lisbeth Koslowski und Hajo Päffgenrath bestechen mit ihrer Art, ihrem Liebreiz. Wer sie in Wirklichkeit sind, das erfahren die Aida-Gäste auch am Ende nicht. Denn die Künstler Josefine Lemke und Frank Jacob verlassen inkognito das Schiff.