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Vier Jahre nach Attentat von Halle Antisemitismus bleibt ein Problem in Sachsen-Anhalt

144 Straftaten gegen jüdisches Leben registrierte die Polizei zuletzt in Sachsen-Anhalt. Experten im Land beobachten parallel Verschiebungen in Wortwahl und Sprache.

Von Alexander Walter 28.09.2023, 17:10
Anteilnahme vor der Synagoge von Halle nach dem Anschlag 2019. Am Vortag hatte ein Rechtsextremist hier versucht am Feiertag Jom Kippur, ein Blutbat unter den Gläubigen anzurichten. Als er dabei scheiterte, tötete er zwei Passanten.
Anteilnahme vor der Synagoge von Halle nach dem Anschlag 2019. Am Vortag hatte ein Rechtsextremist hier versucht am Feiertag Jom Kippur, ein Blutbat unter den Gläubigen anzurichten. Als er dabei scheiterte, tötete er zwei Passanten. Foto: dpa

Magdeburg - Auch fast vier Jahre nach dem Anschlag von Halle bleibt Antisemitismus ein Thema in Sachsen-Anhalt. Die Zahl antisemitischer Delikte nahm dabei zuletzt zu: Registrierte die Polizei im Anschlagsjahr 2019 noch 70 gegen Juden gerichtete Vorfälle, waren es 2022 mit 144 mehr als doppelt so viele.

Anlaufstelle für Antisemitismus meldet bereits mehr Vorfälle als im Vorjahr

Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Die 2022 eingerichtete „Meldestelle Antisemitismus Rias Sachsen-Anhalt“ meldet auf Volksstimme-Anfrage allerdings schon jetzt einen Trend zu mehr Fällen als im Vorjahr. Damals hatte die Anlaufstelle für Vorfälle mit und ohne Straftatbestand noch 47 Fälle registriert – darunter Sachbeschädigungen und Beleidigungen.

Gräber auf Jüdischem Friedhof in Köthen geschändet

Erst vergangene Woche etwa schändeten Unbekannte mehr als 40 Gräber auf dem Jüdischen Friedhof in Köthen.

Wolfgang Schneiß, Ansprechpartner der Landesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, sagte der Volksstimme: „Wir bekommen kontinuierlich Sachen, die wir der Polizei oder der Rias geben.“ Dabei sei zu beobachten, dass Leute offenbar das Gefühl hätten, Dinge sagen zu können, die früher so nicht sagbar waren. „Früher haben sie zumindest dafür gesorgt, dass Name oder Mailadresse nicht erkennbar waren.“ Das sei jetzt häufig anders. Zudem gebe es einen Trend zu mehr Gewalttaten.

Flugblatt-Affäre in Bayern

Für eine bundesweite Debatte hatte zuletzt die „Flugblatt-Affäre“ um Hubert Aiwanger, Spitzenkandidat der Freien Wähler in Bayern, gesorgt: Aiwanger geriet im Landtagswahlkampf wegen eines antisemitischen Flugblattes unter Druck, das in seiner Schulzeit in seinem Ranzen gefunden worden war.

Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ legten nahe, dass Aiwanger seinerzeit der Autor des Flugblatts war. Der 52-Jährige bestritt das, kurz darauf erklärte sein Bruder Helmut, das Flugblatt verfasst zu haben. Aiwanger entschuldigte sich später für mögliche Verfehlungen in seiner Schulzeit, warf der Zeitung aber eine politische Kampagne gegen ihn vor. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hielt anschließend trotz massiver Kritik an seinem Wirtschaftsminister fest. Historiker wie Jürgen Zimmerer sprachen mit Blick auf die Entscheidung Söders von einem „verheerenden“ Signal.

Der Popularität der Freien Wähler hat die Affäre offenbar nicht geschadet. In Umfragen lagen sie Mitte September bei 17 Prozent – das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch im Mai. Aktuell sind die Freien Wähler im Freistaat Koalitionspartner der CSU. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.