Schulgesetz-Reform Atempause für Sachsen-Anhalts kleine Schulen
Die Koalition will Städte und Gemeinden erst 2029 statt 2027 verpflichten, ihre Schullandschaft neu zu ordnen. Wollen CDU, SPD und FDP so Schließungsdebatten vor der Wahl entgehen?

Magdeburg - Knapp ein Jahr vor der Landtagswahl will die Koalition aus CDU, SPD und FDP kleinen Schulen in Sachsen-Anhalt mehr Zeit geben, gesetzlich vorgegebene Mindestschülerzahlen zu erreichen.
Geplant ist eine Art Moratorium: Statt bereits 2027 sollen die Städte und Gemeinden als Schulträger erst 2029 ihre Schulentwicklungsplanung neu aufstellen müssen. Mit der Planung entscheiden die Kommunen, welche Schulen sie erhalten und welche sie bei sinkenden Schülerzahlen zusammenlegen oder schließen. Leitplanke sind die Mindestschülervorgaben des Landes. Einen bereits geeinten Gesetzentwurf will die Koalition in dieser Woche in den Landtag einbringen.
Brisanz birgt das Papier, weil das Kabinett auf Initiative der früheren Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) erst im vergangenen Herbst eine Anhebung der Mindestschülerzahlen angebahnt hatte: Grundschulen sollten demnach künftig 25 Schüler je Anfangsklasse haben und wenigstens zweizügig sein, weiterführende Schulen sogar wenigstens dreizügig (75 Schüler). Feußner begründete das damals mit dem Lehrermangel und der Erwartung sinkender Kinderzahlen.
Höhere Mindestschülerzahlen nach Kritik aus Koalitionsfraktionen gestoppt
Nach Kritik aus den Fraktionen stoppte die Koalition die Anhebung der Mindestschülerzahlen. Allerdings übertrug der Landtag die bis dato per Verordnung geregelten Mindestvorgaben fast gänzlich ins Schulgesetz (Es gilt: Grundschulen mindestens 15 Schüler pro Anfangsjahrgang, Sekundarschulen wenigstens 30, Gymnasien 75). Mit der Aufnahme ins Gesetz fielen aber Ausnahmemöglichkeiten weg.
CDU, SPD und FDP wollen Kommunen in „Moment der Unsicherheit“ Spielraum geben
Nun soll es also zwei Jahre mehr Zeit bis zum Scharfstellen der Regeln geben – warum?
„Die Geburtenzahlen sinken, aber in der Welt passiert viel, wir wissen nicht, ob nicht etwa doch wieder mehr Kinder aus der Ukraine zu uns kommen“, sagte CDU-Bildungspolitiker Carsten Borchert. „Wir wollen den Entscheidungsträgern vor Ort mehr Zeit geben, sich zu wappnen.“ Parallel brauche es aber auch künftig Ausnahmemöglichkeiten: „Eine Zahl, die für Wernigerode gut ist, muss für Weferlingen noch lange nicht gut sein“, sagte Borchert. FDP-Politiker Jörg Bernstein ergänzte: Mit der Verschiebung erhielten die Schulträger mehr Zeit „für den notwendigen Dialog vor Ort.“
Zustimmung kommt aus Städten und Gemeinden in Sachsen-Anhalt
Welche Rolle spielt die Landtagswahl 2026? – Schließungsdebatten gelten schließlich als unpopulär.
„Wir alle kennen den Kalender“, sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle dazu. Nach der jüngsten Bevölkerungsprognose, die von 320.000 Einwohnern weniger im Land bis 2040 ausgeht, habe man den Schulträgern „in einem Moment der Unsicherheit“ aber bewusst Spielraum geben wollen. In der Vergangenheit seien negative Bevölkerungsprognosen zudem so nie eingetreten.
Zustimmung kommt aus den Kommunen: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Andreas Dittmann (SPD), Bürgermeister in Zerbst und Präsident des Städte- und Gemeindebunds. Auch er dringt aber darauf, auch nach 2029 Ausnahmen zuzulassen.
Ehemalige Bildungsministerin Eva Feußner kritisiert Reformplan für Schulen
Die ehemalige Bildungsministerin Eva Feußner kritisiert die Pläne: „Wenn die Demografie nach unten geht, trifft das auch die Schulen“, sagte sie. Die nötige Diskussion darüber dürfe man mit Blick auf die Folgen nicht scheuen. Denn: Werde die Schulplanung verschoben, steige das Risiko von Fehlinvestitionen in Schulgebäude. Zudem würden immer kleinere Schulen vor dem Hintergrund des Lehrermangels immer ineffizienter. „Was nützt es, wenn ich eine kleine Schule habe, in der aber kein Unterricht stattfindet. Da tun mir die Kinder leid“, so Feußner.
Linke-Politiker Thomas Lippmann hält den Reformvorstoß insgesamt für wenig gehaltvoll. „Von einer Absenkung der Mindestschülerzahlen oder dem Erhalt kleiner Schulen kann keine Rede sein“, sagte er. Dadurch, dass die Mindestschülerzahlen in der früheren Verordnung und im jetzigen Gesetz annähernd deckungsgleich seien, ändere sich für die Schulträger in der Sache fast nichts. „Allein die Gymnasien erhalten eine kurze Schonfrist“. Hier seien nun zwei Jahre länger 50 statt 75 Schüler als Mindestjahrgangsstärke in den fünften Klassen und in der Oberstufe möglich.