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Sachsen-Anhalt Hoffnung für Corona-Patienten an der Uniklinik in Magdeburg

Ist die Lunge stark entzündet, hilft oft nur eine künstliche Beatmung. An der Uniklinik Magdeburg gibt es eine Therapie, um diesen schweren Eingriff zu vermeiden.

Von Jens Schmidt Aktualisiert: 27.4.2021, 05:44
Auf der Intensivstation der Uniklinik Magdeburg. Landesweit werden derzeit fast 100 Corona-Patienten beatmet.
Auf der Intensivstation der Uniklinik Magdeburg. Landesweit werden derzeit fast 100 Corona-Patienten beatmet. Foto: Melitta Schubert/UMMD

Magdeburg. Mehr als 7300 Menschen gelten in Sachsen-Anhalt derzeit als infiziert. Nur ein kleiner Teil erkrankt, einige aber sehr schwer. Atemnot, Lungenentzündung, akuter Sauerstoffmangel: 146 Corona-Patienten liegen derzeit auf Intensivstationen des Landes. 94 von ihnen werden maschinell beatmet. Ihnen wurde unter Narkose ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt, um Sauerstoff in die Lunge zu pumpen. In schwersten Fällen werden Kranke an die Lungenmaschine angeschlossen; dort gelangt Sauerstoff direkt ins Blut. Mediziner der Uniklinik Magdeburg hegten voriges Jahr die große Hoffnung, etlichen Patienten diese harte Therapie zu ersparen. Die Hoffnung hieß: Antikörper-Plasma.

Für eine Plasma-Spende gesucht wurden Menschen, die Corona überstanden und möglichst viele, hochwirksame Antikörper in ihrem Blut gebildet hatten. Würde das Plasma Schwerkranken gegeben, könnten Antikörper die Viren vernichten, noch ehe diese die Lungenzellen infizieren und zerstören.

Die Transfusionsmediziner waren auch recht erfolgreich. „Wir haben mittlerweile zehn regelmäßige Spender“, sagt deren Chef Professor Hans-Gert Heuft. Sie haben auch Monate nach überstandener Krankheit eine hohe Zahl wirksamer Antikörper im Blut. 180 Plasmabeutel liegen mittlerweile im Tiefkühlschrank. „Die Versorgung ist sichergestellt“, sagt Heuft. „Damit können etwa 90 Patienten behandelt werden.“

Wer zu spät kommt, riskiert harte Therapie

Allerdings zeigt die Therapie noch nicht die Erfolge, die man sich im Herbst erhofft hatte. Obgleich genügend Plasma vorhanden ist, wurde die Antikörper-Behandlung erst bei 20 Patienten an der Uniklinik angewandt.

Das liegt vor allem am Faktor Zeit. „Die meisten Patienten kommen zu spät zu uns“, sagt Dr. Wilfried Obst, Oberarzt der Infektiologie. „Die bisherigen Studien haben gezeigt, dass eine Therapie mit dem Rekonvaleszentenplasma in der Frühphase der Infektion effektiv erscheint. Viele Covid-19-Erkrankte sehen wir aber erst, wenn bereits eine ausgeprägte Lungenentzündung vorliegt.“ Da helfen dann meist nur noch Entzündungshemmer wie Dexamethason.

Der Einsatz von Antikörper-Plasma wäre eine wesentlich mildere Therapie – doch diese schlägt in einem fortgeschrittenem Stadium der Krankheit nicht mehr an. „Die Therapie macht nur in einer frühen Phase Sinn“, sagt Obst rückblickend und verweist auch auf internationale Studien. Optimal gilt ein Einsatz, sobald ein Patient Sauerstoff benötigt, dies ist meist etwa vier bis fünf Tage nach Beginn der Erkrankung der Fall.

Infizierte sollten den Treppentest machen

Doch diesen Zeitpunkt abzupassen, ist für Erkrankte offenbar nicht so einfach. Das Tückische an Corona ist, dass viele Infizierte einen Sauerstoffmangel im Blut nicht gleich bemerken. Mediziner sprechen auch von einer „stillen Hypoxie“. Nach einigen Tagen kippt die Lage plötzlich und man bekommt akute Atemnot. Doch dann helfen nur noch die harten Therapien. „Vor allem Jüngere halten sehr lange zu Hause aus“, berichtet Obst. Gerade die Unter-60-Jährigen sind es jedoch, die derzeit stärker betroffen sind als in der ersten Welle vor einem Jahr.

Was tun?

Der Oberarzt rät zum Treppentest. „Nach einer bestätigten Infektion sollte man entspannt, in einem normalen Tempo eine Treppe hinaufgehen. Hat man das Gefühl, dass die Luft zu knapp wird oder schlechter ist als normal – dann sollte man sofort in ein Krankenhaus.“ Wichtig sei auch die Sauerstoff-Messung mit Hilfe eines Puls-Oximeters. 96 bis 98 Prozent Sättigung seien normal, sagt Obst. Ab 94 Prozent und einem weiteren Abfall sei eine stationäre Aufnahme dringend nötig.

Wegen noch fehlender Studien hat die Antikörper-Plasma-Therapie noch keine Zulassung für die breite Masse – sie läuft als „individueller Heilversuch“. „Nichtsdestotrotz ist die Antikörper-Therapie sicher und nur äußerst selten mit Nebenwirkungen verbunden“, meint der Oberarzt. Über deren Einsatz entscheidet nach vorheriger ärztlicher Beratung der Patient.

14 genesen, sechs verstorben

Bislang wurden an der Uniklinik 20 Erkrankte mit Plasma behandelt. „Bei 14 Patienten schlug die Therapie gut an, und sie konnten genesen entlassen werden“, berichtet Obst. „Sechs ältere Patienten verstarben leider trotzdem.“ Von einem „Durchbruch“ könne man also noch nicht reden. Man benötige weitere Daten und Erfahrungen. Zusammen mit der Unimedizin Hannover erarbeiten die Magdeburger dazu eine Studie. „Aber wir sind nicht entmutigt“, sagt Obst.

Die Transfusionsmediziner sammeln daher weiter Plasmaspenden. „Bis Ende Juni auf jeden Fall“, sagt Professor Heuft. „Das Plasma ist mindestens ein halbes Jahr haltbar. Sollte im nächsten Winterhalbjahr die Krankheit etwa wegen neuer Virusvarianten erneut aufflammen, sind wir gewappnet.“