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lgbtqi+ Nach 'Pride Month': Wie gleichberechtigt sind Schwule und Lesben in Sachsen-Anhalt wirklich?

Gleichberechtigung von queeren Menschen in Sachsen-Anhalt: Vor fünf Jahren wurde dafür ein Programm entwickelt. Es endet noch in diesem Jahr. Das Ergebnis könnte sehr ernüchtern.

Von Nico Esche Aktualisiert: 30.06.2021, 10:17
Die Regenbogenfahne. Ein Symbol für die LGBTQI+-Community. Symbolfoto: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild
Die Regenbogenfahne. Ein Symbol für die LGBTQI+-Community. Symbolfoto: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild dpa

Magdeburg - Der 'Pride Month' neigt sich dem Ende zu. Regenbogenfahnen wurden gehisst, Fußballmannschaftskapitäne trugen die bunten Farben als Armbinde - als Symbol von Akzeptanz der LSBTQI-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queere, Intersexuelle), auch einfach "Queer" genannt. Doch reicht das?

In Sachsen-Anhalt gibt es noch viel zu tun. 2015 wurde ein Aktionsprogramm ins Leben gerufen, das mehr Akzeptanz von "queeren" Menschen schaffen soll. In Schulen, Behörden, im Sport oder dem Gesundheitswesen. Die Landesregierung als treibende Kraft. 69 Maßnahmen - fest verankert in den Koalitionsverhandlungen der Kenia-Regierung. Federführend unter anderem der Landesverband für Schwule und Lesben Sachsen-Anhalt (LSVD).

2016 startete das Programm. In diesem Jahr soll es enden. Insgesamt 69 Punkte, die dem Papier nach umgesetzt werden sollen. Eine Anfrage der Linkenfraktion aus dem Jahr 2018 zeigt jedoch: Viele der Versprechen befanden sich noch in der Umsetzungsphase,  dutzende hingen in der Warteschleife.

Ministerium: "Kein Anlass zur Besorgnis"

Besonders auffällige Defizite zeigen sich unter den Punkten "Hochschulbildung" und "Allgemein- und berufsbildenden Schulen". Bis 2018 wurden neun von zwölf Maßnahmen nicht umgesetzt (!). Also ausgerechnet dort, wo Mobbing und Diskriminierung von queeren Menschen besonders prägend ist - und massiven psychischen Schaden bei Kindern und Jugendlichen anrichten kann. Der heutige Stand? Noch ungewiss. Konkretes wird im Abschlussbericht erwartet.

Das für das Programm zuständige Justizministerium sagt dazu: "Die teils sehr komplexen Maßnahmen werden durch die Ressorts umgesetzt". Wie weit man dort sei, wisse das Ministerium nicht. "Im Herbst sind wir schlauer, dann wird der Abschlussbericht erstellt."

Das Justizministerium antwortet auf Nachfrage: "Grundsätzlich ist bereits eine Vielzahl von den insgesamt 69 Maßnahmen auf den vier Handlungsfeldern umgesetzt. Dies betrifft auch den Bildungsbereich." Das Zeitziel, so das Ministerium, werde bis Ende des Jahres erreicht. Es bestehe "kein Anlass zur Besorgnis".

"Offensichtlich hat die Landesregierung eine andere Definition von 'Umsetzung'", sagt Mathias Fangohr, Mitglied des Landesverbands für Schwule und Lesben Sachsen-Anhalt (LSVD). Der Verband erarbeitete sich ein eigenes Gutachten des Papiers (liegt der Volksstimme vor). Fangohr: "Die Frage sei nicht ob, sondern wie die Maßnahmen umgesetzt werden".

Kommentare zu einzelnen Maßnahmen im Gutachten lauten unter anderem "Nicht tatsächlich umgesetzt", "Angebot nicht passend" oder "Muss konkret im Rahmen des Aktionsprogramms durchgeführt werden". Wie eine klare und konkrete Umsetzung, der vom LSVD verfassten Maßnahmen, liest sich das nur bedingt.

Immerhin, so Fangohr, gibt es in Sachsen-Anhalt hauptamtliche Ansprechpersonen für Queere bei der Polizei. Ebenso der sogenannte Medienkoffer, der mit Infomaterial gefüllt ist und in Kitas und Grundschulen im Land genutzt werde, um altersgerecht aufzuklären.

Die Lage an den Hochschulen

Wie steht es um die Sensibilisierung an Hochschulen? Im Papier wurden bis 2018 im Hochschulbereich keine Maßnahme umgesetzt. Mit diesem Fakt  konfrontiert, antwortet die Hochschule Magdeburg-Stendal, dass in den Fachbereichen daran gearbeitet werde. Es gebe regelmäßig Seminare von Lehrbeauftragten. Studierende in den betroffenen Studiengängen würden sensibilisiert.

Die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg gründete jüngst einen studentischen Verein für die Gleichberechtigung von queeren Menschen, die "OVGU-Pride". Außerdem wurde im Rahmen des 9. Deutschen Diversity Tages auf dem Campus das "Netzwerk Chancengleichheit & Diversität" geschaffen, für Bereiche wie Genderforschung und Chancengleichheit.

Zur ganzen Wahrheit zählt aber eben auch, dass insgesamt vier Maßnahmen für Hochschulen umgesetzt werden sollten; wegen Corona konnten diese laut Justizministerium jedoch nicht verwirklicht werden. Sie sollen in der Fortschreibung wieder auftauchen. Denn: Eine Fortführung des Programms sei laut Mathias Fangohr bereits fest geplant.