Tierschutz Nach Vorfällen mit gefährlichen Exoten arbeitet Ministerium an Verordnung
Während die Stadt Haldensleben die Suche nach dem Drei-Meter -Python eingestellt hat, ist eine Diskussion um privat gehaltene, potenziell gefährliche Wildtiere entbrannt.

Magdeburg - Eine Umfrage der Volksstimme unter den Landkreisen hat ergeben: Ungewöhnliche privat gehaltene oder ausgebüxte exotische Wildtiere sind in Sachsen-Anhalt offenbar keine Seltenheit. So gab es neben dem Python in Haldensleben schon Löwen im Landkreis Börde, eine Boa constrictor im Salzlandkreis, Geparden im Altmarkkreis Salzwedel, ein Krokodil in Halle oder eine an der Mauer hochkrabbelnde Vogelspinne in Stendal.
Sie alle waren entweder entlaufen oder Zufallsfunde für die Behörden, weil es keine Meldepflicht für solche Tiere gibt. „Nur ganz bestimmte unter Artenschutz stehende Tiere müssen angemeldet werden“, sagt der Tierschutzbeauftragte der Landesregierung Dr. Marco König. Die meisten exotischen Wildtiere betrifft das aber nicht und das sei für die Behörden oft wie eine dunkle Box, in die niemand reinsehen kann. Keiner weiß, wie viele solcher gefährlicher Tiere tatsächlich in den Wohnzimmern oder Gärten kreuchen und fleuchen.
Einen Blick in jene Box erhalten die Veterinär- und Ordnungsämter oft nur, wenn, wie im Landkreis Börde ein drei Meter langer Python das Weite sucht und anschließend für einen tagelangen Feuerwehreinsatz sorgt. Uwe Baumgart, Sprecher des Börde-Landkreises: „Das Problem ist, dass es nur vereinzelt tierschutzrechtliche Richtlinien gibt.“ Ein Gesetz fehle.
Ein anderes Beispiel aus der Börde ist ein Hobby-Halter aus Zielitz, der sich zuletzt einen weißen Löwen auf seinem Grundstück gehalten hat. Gegen die Wegnahme klagte der Halter, bis das Oberverwaltungsgericht die private Löwenhaltung untersagte. Inzwischen gilt das Tier aber als verschwunden und der Landkreis versuche nun schon seit Anfang dieses Jahres über ein Zwangsgeld an den Aufenthaltsort des Tieres zu kommen. Bereits im Jahr 2015 hatte der Zielitzer zwei Löwenbabys abgeben müssen. Sie sind jetzt in einem Tierpark in Spanien untergebracht.

Mit solchen Fällen hat auch der Altmarkkreis Salzwedel zu tun. Vor einigen Jahren hielt sich ein Mann dort sogar zwei Geparden. Aus familiären Gründen habe er die Tiere aber inzwischen abgegeben, so eine Sprecherin. Die Haltung einer Grünen Meerkatze, eine Primatengattung, die eigentlich in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara verbreitet ist, wurde in einem anderen Fall aus tierschutzrechtlichen Gründen untersagt. Das Tier wurde beschlagnahmt und eingezogen.
In Stendal hat im August 2019 eine Rotknie-Vogelspinne an der Wand eines Mehrfamilienhauses für Aufregung gesorgt. Das herrenlose Tier nahm statt in den südamerikanischen Trockenwäldern lieber in der Altmark ein Sonnenbad. Die Feuerwehr fing das haarige Tierchen in einer Kiste ein und brachte es in den Tiergarten. Ein Besitzer konnte damals nicht ausfindig gemacht werden.
Auch die Magdeburger Feuerwehr hat nach Auskunft von Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra Erfahrungen mit ungewöhnlichen exotischen Tieren. So half sie im August 2019 in einem Fall im Salzlandkreis eine Königsschlange am Fährseil bei Breitenhagen einzufangen. Fahrgäste hatten den blinden Passagier an einem Halteseil der Gierfähre entdeckt und die Rettungsleitstelle über die 1,80 Meter lange Schlange informiert. Kinszorra: „Statt des aktuellen Gefahrhundegesetzes wäre über den Erlass einer Gefahrtierverordnung im Land nachzudenken, wie es vor Inkrafttreten der Gefahrhundeverordnung der Fall war.“
Ihr Kollege aus Halle sieht es ähnlich. Drago Bock: „Landesrechtlich existiert keine Verordnung für das Halten gefährlicher Tiere.“ Dabei habe auch die Stadt mit ähnlichen Vorfällen zu tun. So tauchte im vergangenen Jahr ein Königspython plötzlich auf einem Balkon auf, deren Herkunft bis heute nicht geklärt werden konnte. Bei einer Wohnungsdurchsuchung der Polizei vor einigen Jahren haben die Beamten sogar ein Krokodil gefunden. Wohl auch aus diesem Grund nahmen die Behörden die angebliche Sichtung eines Krokodils in der Unstrut im September 2020 sehr ernst.
Birgit Eurich vom Altmarkkreis Salzwedel meint zum fehlenden Gesetz: „Es wäre ratsam, ähnlich wie in Berlin, eine Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere wildlebender Arten zu erlassen, nach der bestimmte Tiere generell privat nicht gehalten werden dürften und einige Arten nur mit Ausnahmegenehmigung.“
Für den Tierschutzbeauftragten des Landes wäre zumindest die Meldepflicht ein erster Schritt. „Oft wissen es die Behörden gar nicht, ob sich jemand einen Löwen oder Puma im Vorgarten hält“, sagt König.
Dabei gab es von März 1993 bis 2005 bereits eine „Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere“. Im Zuge der Entbürokratisierung wurde diese aber abgeschafft. Inzwischen ist klar, dass das vorschnell war. Der Tierschutzbeirat des Landes fordert deshalb seit September 2020 vom Land, die Regelung wieder einzuführen.
Jenny Schwarz vom Umweltministerium: „Wir arbeiten an einer Regelung und sind uns auch einig, dass wir diese benötigen.“ Offen bleibt, wann und wie sie kommt.
Lediglich in neun Bundesländern regeln Verordnungen die Privathaltung von potenziell gefährlichen Tieren.

