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Durchsuchungen Was die verbotene „Artgemeinschaft“ mit dem ehemaligen Magdeburger NPD-Chef zu tun hat

Hundert Polizisten haben auch im Burgenlandkreis drei Objekte von vier Mitgliedern der „Artgemeinschaft“ durchsucht. Bundesweit waren es 26 Wohnungen bei 39 Mitgliedern. Unter ihnen war auch der langjährige Vereinsvorsitzende.

Von Matthias Fricke Aktualisiert: 27.09.2023, 17:25
Vermummte Polizisten sichern in Kupferzell (Baden-Württemberg) eine der  Durchsuchungen ab.
Vermummte Polizisten sichern in Kupferzell (Baden-Württemberg) eine der Durchsuchungen ab. Foto: dpa

Elsteraue/Magdeburg - Vermummte Einsatzkräfte der Polizei fahren am frühen Morgen an 26 Wohnungen und Räumen der sogenannten Artgemeinschaft in zwölf Bundesländern vor. Den Verein „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ beschreibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach ihrem Verbot als „sektenartige zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung.“

Auch im Süden Sachsen-Anhalts, im Länderdreieck zu Sachsen und Thüringen, in der Gemeinde Elsteraue, durchsuchen rund hundert Beamte der Polizeiinspektion Halle und des Landeskriminalamtes (LKA) drei Objekte. Wie das Innenministerium später mitteilt, werden dabei „umfangreiche Speichermedien, mehrere Handys und Laptops, Dokumente und Logos von verbotenen Vereinigungen, NS-Symbole, eine komplette SS-Uniform sowie Vereinsvermögen in Form von Druckerzeugnissen sichergestellt. Eine Schlüsselfigur des Vereins war bis vor einigen Monaten noch der Magdeburger Jens Bauer. Nach Recherchen der „Taz“ habe Bauer die Führung der „Artgemeinschaft“ erst im Sommer abgegeben.

Er ist auch einigen Magdeburgern als führender Rechtsextremist noch ein Begriff. Bauer gründete den NPD-Kreisverband Magdeburg. Etwa 2007/2008 kaufte er nach Erkenntnissen des Vereins Miteinander e.V. einen verfallenen Bauernhof in der Gemeinde Elsteraue. Dort soll er nach dem Tod des bekannten Neonazis Jürgen Riegers, dem damals langjährigen Vorsitzenden des Vereins, später die Führung übernommen haben. Auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht taucht Bauer namentlich auf.

SPD-Innenexperte Rüdiger Erben: „Zuletzt war Jens Bauer aus der Gemeinde Elsteraue, der als Vertrauter des NSU-Waffenbeschaffers Ralf Wohlleben (derzeit in der JVA Burg) gilt, lange Zeit Chef der Artgemeinschaft.“ Wohlleben war im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Der Landesverfassungsschutz sieht übrigens auch Verbindungen zum Siedlerverein „Weda Elysia e.V.“ in Wienrode (Landkreis Harz). Im aktuellen Bericht heißt es: „Einige Akteure von Weda Elysia pflegen Kontakte zu dem neonazistischen Verein ,Artgemeinschaft’ und nahmen im Berichtsjahr (2022 d. Red.) vereinzelt an dessen ,Gemeinschaftstagen’ in Ilfeld (Thüringen) teil.“

Für den Magdeburger Rechtsextremismus-Experten David Begrich steht fest: „Die Artgemeinschaft ist Teil des ideologischen Kerns des Neonazismus in diesem Land.“

Aus diesem Grund bezeichnet auch Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) das Verbot „als wichtigen Schritt bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus“. Sie sagt: „Besonders besorgniserregend ist, dass der Verein anderen Neonazis Raum bietet, um Familien und Kindern ihre verfassungsfeindlichen Überzeugungen weiter zu geben.