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Landgericht Halle "Reichsbürger" bestreitet versuchten Mord

Der Prozess gegen "Reichsbürger" Adrian Ursache wegen versuchten Mordes hat begonnen. Der Ex-Mister-Germany wittert eine Verschwörung.

Von Matthias Fricke 09.10.2017, 09:51

Halle l Der 42-jährige Angeklagte Adrian Ursache wird am Montagmorgen in Fußfesseln von maskierten Beamten und einer mit Maschinen-Pistolen bewaffneten Sondereinheit der Justiz in den Gerichtssaal in Halle geführt.

Noch bevor er die Anklagebank erreicht, wettert er los: „Sind wir hier in der Türkei? Ich bin ein politischer Gefangener.“ Auf die Frage einer Journalistin, ob er denn unschuldig sei, antwortet er: „Ich hatte nur eine Waffe in der Hand, habe aber nicht geschossen.“ Dann zeigt er demonstrativ seinen verletzten Arm in die Kamera: „Sehen Sie, auf mich wurde geschossen!“ Es folgen Zitate aus einem Informationsheft der Bundeszentrale für Politische Bildung, dem Grundgesetz und der Verfassung der DDR. Auch eine Bibel liegt auf dem Tisch bereit.

Ursaches Rechtsanwalt sackt etwas zusammen, wischt sich eine Schweißperle von der Stirn. Er lässt seinen Mandanten dennoch weiter reden, bis das Gericht den Raum betritt. Der Angeklagte bleibt demonstrativ stehen, während sich alle setzen. „Haben Sie ein Problem mit dem Stuhl?“, fragt der Vorsitzende Richter Jan Stengel. Ursache antwortet nicht. Er verweigert an diesem Tag bis zum Schluss das Sitzen.

Oberstaatsanwalt Uwe Damaschke wirft dem 1998 zum schönsten Mann Deutschlands gewählten Angeklagten versuchten Mord, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Waffengesetz vor. Ihm droht lebenslänglich. Der vom Verfassungsschutz als Reichsbürger eingestufte Angeklagte hatte in Reuden im Burgenlandkreis sein eigenes Reich „Ur“, dessen Grenze am Gartenzaun des Familiengrundstücks verläuft, ausgerufen.

Das Vollstreckungsgericht Zeitz veranlasste die Räumung des Grundstücks. Wegen der zu erwartenden Gegenwehr und der möglichen Unterstützung durch die Reichsbürgerszene erschienen an jenem 25. August 2016 ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei neben 200 weiteren Beamten zur Unterstützung des Gerichtsvollziehers. Bei Ursache hatten sich laut Medienberichten 150 000 Euro Schulden angesammelt. Auf Mahnungen reagierte er nicht. Den Gerichtsvollzieher erkannte er nicht an.

Der Angeklagte richtete einen Revolver, der illegal in seinem Besitz war, auf die Polizisten und schrie: „Verpissen Sie sich!“ Vier Minuten lang, forderten die Beamten laut Anklage den Mann auf, die Waffe niederzulegen. Doch dann fielen die ersten Schüsse aus der Waffe des 42-Jährigen. „Das waren gezielte Schüsse auf den Kopf des SEK-Beamten“, erklärt der Oberstaatsanwalt weiter. Ein Projektil prallte am Helm des Polizisten ab und streifte dessen Hals. „Nur dank der Schutzausrüstung des Beamten ist es nicht zur tödlichen Verletzung gekommen“, sagt Damaschke. Die Polizisten feuerten zurück und trafen den Angeklagten mit vier Projektilen. Er wurde schwer verletzt.

Im Gerichtssaal kommt Ursache nach der Anklageverlesung richtig in Fahrt. Er richtet seine Worte an das Gericht: „Sie alle handeln rechtswidrig“ und verlangt eine Bild- und Tonaufzeichnung des Prozesses, weil er sich als Opfer einer Verschwörung sieht. Außerdem bestreitet er, Reichsbürger zu sein. Als seine Frau, mit der er zwei Kinder hat, in den Gerichtssaal kommt und vom Gericht auf den nächsten Termin am Mittwoch umbestellt wird, sagt er zu ihr auf die Richter deutend: „Guck, was das für Spinner sind.“