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Landtag SPD-Chefin attackiert Chefarzt

Der Eklat zwischen Ministerin Grimm-Benne und einem Chefarzt hat ein Nachspiel. Im Landtag griff die SPD den Mediziner massiv an.

Von Michael Bock 01.02.2020, 10:32

Magdeburg/Haldensleben l Mit Blick auf die Streiks bei Ameos sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle, die AfD habe sich „einen Chefarzt vor die Videokamera geholt, der von den Zielen des Streiks ablenkt, indem er über ,Gender-Gaga’ herzieht.“ Bei dem Mediziner handelt es sich um Markus Motschmann, Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde in Haldensleben (Börde). Pähle warf ihm seine rechte Vergangenheit vor. Motschmann, Jahrgang 1964, bestätigte der Volksstimme, dass er von 1987 bis Anfang der 90er Jahre Mitglied der Republikaner war.

Der Chefarzt war vorigen Dienstag bei einer Streikversammlung am dortigen Ameos-Klinikum heftig mit Sozialministerin Grimm-Benne aneinandergeraten. Motschmann warf der SPD vor, das Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt komplett an die Wand gefahren zu haben. Er kritisierte zudem, dass im Land jährlich Hunderte Millionen Euro für „ideologiebefrachteten Gender-Gaga“ ausgegeben würden, obwohl der Investitionsstau bei den Krankenhäusern im Land 1,5 Milliarden Euro betrage.

In der Landtagsdebatte am Freitag hielt SPD-Fraktionschefin Katja Pähle dem Chefarzt drei Jahrzehnte alte Äußerungen vor. Er habe propagiert, dass man AIDS-Infizierte auf einer ,nur beim Geschlechtsverkehr sichtbaren Stelle‘ tätowieren solle. Homosexuelle habe er als ,abartig veranlagte Typen mit perversen Neigungen‘ bezeichnet.

Zudem habe er die Gräueltaten des NS-Regimes mit Abtreibungen heute verglichen. Die SPD bezieht sich dabei auf einen Leserbrief für das Ärzteblatt im Jahr 2003. Darin verteidigt Motschmann die deutsche Ärzteschaft in der Zeit des Dritten Reiches: „Die moralische Verurteilung der Generation unserer ärztlichen Väter und Großväter mutet an wie das überhebliche Bekenntnis der neutestamentlichen Pharisäer.“

Motschmann, seit 1999 Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde, sagte auf Volksstimme-Anfrage: „Ich kann einen Menschen doch nicht danach beurteilen, was er vor 20, 30 Jahren gesagt hat. Wenn ich diesen Maßstab an Politiker anlegen würde, wäre eine ganze Menge aufzuarbeiten.“ Zu den ihm zugeschriebenen Zitaten sagte er: „Das ist so lange her, dass ich es selbst nicht mehr weiß.“

Das Video vom verbalen Schlagabtausch mit der Ministerin sei indes nicht, wie von Pähle vermutet, auf Geheiß der AfD entstanden, sagte Motschmann. „Das hat meine Frau gemacht. Ich habe es dann per WhatsApp an einige Leute geschickt.“

In der Landtagsdebatte zu Krankenhäusern warf die Linke, die das Thema initiiert hatte, der Landesregierung „glattes Staatsversagen“ vor. „Die Privatisierung der Krankenhäuser war ein Fehler, der rückgängig gemacht werden muss“, forderte Fraktionschef Thomas Lippmann. Die AfD machte vor allem die SPD für die Krise der Krankenhäuser verantwortlich. Diese sei seit Jahren für die Kliniken zuständig, sie habe die Privatisierung vorangetrieben und Gelder für die Krankenhäuser gekürzt.

Die Koalitionspartner SPD und CDU gerieten heftig aneinander. Auslöser war eine Pressemitteilung, kurz vor der Debatte verbreitet. Darin erklärte der CDU-Abgeordnete Daniel Szarata: „Anstatt die CDU immer als Blockierer darzustellen, hätte das Sozialministerium besser seine Hausaufgaben machen sollen.“ Die SPD mache nur Versprechungen, habe aber keine Lösungen.

„Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, jetzt sind Sie dran“, rief Ministerin Grimm-Benne aufgebracht in Richtung der CDU-Fraktion. Sie habe es nicht erwartet, in einer schweren Zeit so behandelt zu werden, sagte Grimm-Benne. Die CDU-Pressemitteilung nannte sie „beschämend und für mich ernüchternd“. Ulrich Thomas (CDU) warf der Ministerin vor, mit der Rettung der Krankenhäuser überfordert zu sein.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Detlef Gürth zog per Twitter ein persönliches Fazit der Debatte: „Szenen eine Scheinehe.“