Leseranwältin Die Nutzung von Medien ändert sich
Es gibt Journalisten, die Romane schreiben, und es gibt Schriftsteller, die als Journalisten arbeiten. Zwischen Journalismus und Literatur gibt es viele Verbindungen, doch einen fundamentalen Unterschied. Literarische Geschichten dürfen frei erfunden sein, journalistische Beiträge sind strikt den Tatsachen verpflichtet. Auch die Artikel in der Volksstimme sind Gebrauchstexte. Sie müssen keine literarischen Höhen erreichen, sollten gleichwohl gut zu lesen sein. Das jedoch vermisst eine Leserin, die nicht zu Unrecht stilistische Gleichförmigkeit im Satzbau beobachtet: „Wichtiges nach vorn, egal, ob es passt oder nicht. Der Leser wurschtelt sich schon durch.“ Warum greifen Redakteure so oft zu diesem Schema?
Journalisten schreiben Texte, um Informationen sehr schnell an so viele Empfänger wie möglich zu transportieren. Das ist das Ziel, spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts Massenmedien aufkamen, die sich an eine breite Öffentlichkeit richten. Die Art, wie Menschen Medien nutzen, hat sich seither stark gewandelt.
Aus der Leserforschung wissen wir, dass die meisten Texte in der Zeitung nicht komplett durchgelesen, oft nur überflogen werden. Eine Information, die nicht sofort ins Auge springt, verpasst ihre Empfänger. Zudem erscheint der Großteil der Artikel auch online. Analysen zeigen, dass die weitaus meisten User über Google auf unsere Beiträge gelangen. Wollen Texte über Google gefunden werden, müssen sie für die Algorithmen von Internet-Suchmaschinen optimiert werden (sogenannte Search Engine Optimization, kurz SEO). Das bedeutet u.a. die Verwendung bestimmter Formulierungsmuster. Es ist ein Dilemma, das auch uns Journalisten nicht immer glücklich macht.
Schreiben wir für Menschen? Schreiben wir für Google? Wie kann man beides zusammenführen? Fest steht zumindest: Wenn Sätze so sperrig werden, dass die Verständlichkeit leidet, dann ist das kein guter Stil, weder „für Menschen“ noch „für Google“.