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LKA-Statistik Hunderte illegale Waffen im Umlauf

Es gab im vergangenen Jahr 191 Schussabgaben, meist aus erlaubnisfreien Waffen. Etwa tausend Pistolen und Gewehre stehen im Land in der Fahndungsdatei.

Von Matthias Fricke 15.05.2020, 01:01

Magdeburg l Mit seinen zum Teil selbstgebauten Waffen hat Stephan B., der Attentäter von Halle, am 9. Oktober 2019 zwei Menschen erschossen und verletzte weitere schwer. Der 28-Jährige, der durch die Bundesanwaltschaft aktuell vor dem Oberlandesgericht Naumburg wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen angeklagt ist, hatte mit mehreren zum Teil selbstgebauten Waffen versucht, in die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Halle einzudringen und dort ein Blutbad anzurichten.

Dass er sich teilweise für seinen perfiden Plan die Pistolen und Gewehre in einem 3-D-Drucker selbst zusammenbaute, ist nach Angaben von Olaf März vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) höchst selten. „Die meisten Straftaten erfolgen durch Waffen aus dem illegalen Besitz oder auch erlaubnisfreie Waffen, wie Luftdruckwaffen, die auch schwere Verletzungen anrichten können“, erklärt der Kriminalist.

In der Fahndungsdatenbank des Landes sind aktuell rund tausend Waffen ausgeschrieben. Darunter 384 Pistolen, 240 Revolver, 219 Gewehre und 157 Jagdgewehre. Allein im vergangenen Jahr sind laut Michael Klocke vom Landeskriminalamt (LKA) 36 Waffen als gestohlen gemeldet worden.

Bundesweit sieht der Trend so aus: In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen vor einigen Wochen heißt es, dass von den 5,44 Millionen offiziell eingetragenen Waffen 6580 aktuell als gestohlen gemeldet wurden. Insgesamt gelten im Nationalen Waffenregister 33 191 Schusswaffen mit Stand Januar 2020 als nicht mehr auffindbar. Diese Zahl stieg um knapp 15 Prozent innerhalb von zwölf Monaten.

„Jede illegale scharfe Waffe, die sich irgendwo im Umlauf befindet, ist natürlich eine höchst brisante Sache“, sagt Uwe Bachmann, Sachsen-Anhalts Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Allerdings müsse man bei den Zahlen auch beachten, dass es viele Waffennarren gibt, „die diese horten, aber vermutlich nicht unbedingt anwenden würden“. Es gibt dafür einen sehr großen illegalen Waffenmarkt, bestätigt auch sein Kollege März vom BDK.

Für beide ist hingegen der Rückgang der Schusswaffenanwendungen bei Straftaten insgesamt erfreulich. Nach Angaben des LKA sind bei Straftaten im vergangenen Jahr 191-mal Schusswaffen eingesetzt worden, rund hundert Mal weniger als im Vorjahr. In 52 Fällen richteten sich die Schüsse konkret gegen Personen. Von den 81 Opfern sind 33 verletzt worden, zwei davon schwer. Es gab einen Toten bei einer fahrlässigen Tötung (Jagdunfall). Das Attentat von Halle mit seinen Opfern fand laut LKA in der Statistik noch keine Berücksichtigung, weil das Verfahren erst später abgeschlossen wurde.

LKA-Sprecher Michael Klocke: „Bei dem Großteil der Taten wurde unter anderem auch in die Luft geschossen oder eine Sachbeschädigung begangen.“ Einberechnet in der Statistik sind dabei auch Schreckschusspistolen, Luftdruck- oder Softairwaffen.

Mit einer Waffe gedroht haben im gleichen Zeitraum 112 Straftäter. In der Mehrheit der Fälle werden laut Klocke Schusswaffen als Druckmittel vor allem bei Gewalttaten wie Raub, Erpressung und Körperverletzung eingesetzt. Die Zahl dieser Straftaten ist im vergangenen Jahr gegenüber den Vorjahren gestiegen.

Seltener agieren Täter als „Heckenschützen“, wie erst vor einer Woche in Magdeburg. Ein 43-jähriger Mann schoss mit einem Luftgewehr aus einem Mehrfamilienhaus auf zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Stadtteil Neu-Olvenstedt. Die Ordner hörten die Einschläge der Projektile auf der Heckklappe ihres Dienstfahrzeuges. Als sie sich umdrehten, sahen die Beamten, wie ein Mann schnell vom Fenster zurücktrat und dieses schloss. Mit den alarmierten Polizisten suchten die Mitarbeiter die Wohnung des stark angetrunkenen Schützen auf und fanden dort das Luftdruckgewehr und einen Teleskopschlagstock. Gegen den Mann wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Angriffs auf Vollzugsbeamte, Verstoss gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung eingeleitet.

Dass Schusswaffen bei Straftaten inzwischen weniger eingesetzt werden, führt GDP-Chef Bachmann auch auf die seit Jahren weiter verschärften Waffengesetze zurück: „Die ersten Änderungen machen sich bemerkbar. Das ist ein gutes Signal.“ Sein Kollege vom BDK, Olaf März, sieht das weniger optimistisch. Er sagt: „Die schärferen Waffengesetze treffen vor allem die, die sich daran halten. Kriminelle kümmern sich darum weniger.“