Breaking Magdeburger B-Boys wollen zu Olympia
Die Hip-Hop-Tanzform Breakdance soll 2024 in Paris Olympia-Premiere feiern. Der Magdeburger Nachwuchs steht in den Startlöchern.
Magdeburg l Cool! In fünf Jahren sollen hippe Tänzer Paris begeistern. Zwar steht das endgültige „Go to Olympia“ noch aus, doch es gilt als ausgemachte Sache, dass Breakdance – die Tanzsportszene spricht vom Breaking – 2024 zum olympischen Programm gehört. Und das nicht etwa „nur“ als Demonstrations- sportart. Nein! Es soll richtig um Gold, Silber und Bronze „gebattelt“ werden.
Diese Nachricht schlug auch in der Breakdance-Hochburg Magdeburg, Heimat der weltweit bekannten Breakdance-Gruppe und Ex-Weltmeister „Da Rookies“, ein, wie eine Bombe. Killian Behne ist buchstäblich Feuer und Flamme: „Olympia – krass, das wär’s!“ Der 14-Jährige ist einer von gut 140 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die in der Magdeburger „Movement Dance Academy“ die weltweit verbreitete und anerkannte Hip-Hop-Tanzform frönen: „Olympia ist genau die Bühne, die unser Sport braucht, um noch mehr Öffentlichkeit und Akzeptanz zu bekommen.“
Killian ist zusammen mit Finn Carell (15), Max Hesse (15) und Nico Prochnau (13) als Crew mit dem Namen „We are Awesome“ (zu Deutsch: Wir sind großartig) auf Erfolgskurs. Erst vor kurzem wurden die vier Magdeburger B-Boys – so werden die männlichen Teilnehmer bei Breakdance-Meisterschaften genannt – zum deutschen Vizemeister der Junioren gekürt. Auch die Kumpels sind von der olympischen Idee hellauf begeistert. „Breakdance ist mehr als nur unser Hobby. Es ist unser Leben, unsere Leidenschaft, unser Sport“, spricht Finn für alle. „Die Möglichkeit, irgendwann an Olympischen Spielen teilnehmen zu können, ist eine große Motivation für uns alle.“
„Headspin“, „Baby Freeze“, Turtle“ oder „Windmill“ – das ist für Max und Finn seit acht, für Nico und Killian seit drei Jahren Trainings-Alltag. „Die englischen Begriffe stehen für spezielle Moves – sie sind das Salz in der Suppe“, bringt Killian Licht ins Dunkel der jungen Sportart. Grundlagen des Breakings sind dagegen Top Rocking – das Tanzen im Stehen, Footworks – das Tanzen auf dem Boden sowie Freezes – das Verharren in einer möglichst eindrucksvollen Position. Und nicht zu vergessen die Powermoves – damit ist das Rotieren auf einer Körperstelle oder entlang einer Körperachse gemeint. Getanzt wird zu Remixen und Rap-Tracks der Hip-Hop-Szene. Beim Wettkampf finden im K.o.-System sogenannte Battles statt, die von einer Jury bewertetet werden.
Soweit die Theorie. In der Praxis stellt das Ganze eine große Anforderung da, betont Nico: „Was wir machen, ist durchaus mit Leistungssport zu vergleichen.“ Breakdance erfordere athletisches und akrobatisches Können – ähnlich dem Turnen. „Körperbeherrschung ist das A und O. Dazu brauche man Kondition, Kraft, und Technik. Aber auch Kreativität und Beweglichkeit sind gefragt“, führt Max Hesse aus, der bei den deutschen Meisterschaften auch noch Silber im B-Boy-Solo gewann.
Und wie bei anderen Sportarten heißt es auch beim Breaking: „Übung macht den Meister“, so Killian: „Von nichts kommt nichts. Das gilt für uns genauso wie für Fußball, Schwimmen oder Leichtathletik, die als olympische Sportarten anerkannt sind.“
Dennoch weiß auch und gerade Trainer Nils Klebe, mehrfacher Weltmeister, Europameister und deutscher Meister mit den „Da Rookies“, dass für die Olympia-Reife in fünf Jahren noch eine Schippe draufgelegt werden muss: „Die Jungs haben Talent und hätten in fünf Jahren sicher auch das beste Alter – aber wer A sagt, muss auch B sagen. Da reicht es nicht aus, zwei- oder dreimal die Woche zum Tanztraining zu gehen.“ Seine Schützlinge wollen die Herausforderung annehmen. Crew-Sprecher Finn beteuert: „Bei Olympia dabei zu sein, davon träumen wir alle. Dafür gilt es, 100 Prozent zu geben, auch wenn das bedeutet, jeden Tag zu trainieren: Wir sind bereit!“
Auch beim Welttanzverband WDSF und seinen angeschlossenen nationalen Verbänden herrscht nach dem Signal der Pariser Olympier Aufbruchstimmung. Um den Tanzsport olympiareif zu machen, wurden in den letzten Jahren die Wettkämpfe reformiert, ein einheitliches Wertungssystem sowie Doping-Kontrollen eingeführt. Der Vorschlag zur Aufnahme ins olympische Programm von Paris war aus Sicht von Shawn Tay, Präsident der World Dance Sport Federation, „ein historischer Moment“. Man sei zuversichtlich, „dass Breaking ein herausragender Erfolg und den Olympischen Spielen 2024 viel Energie, sportliche Höchstleistungen, Innovation und jugendliche Attraktivität verleihen wird“. Heidi Estler, Präsidentin des Deutschen Tanzverband (DTV), in dem Breaking bundesweit organisiert ist, erklärt: „Ich freue mich sehr auf die nun kommende, sicherlich sehr spannende Zeit bis zu den Olympischen Spielen 2024. Eine große Aufgabe mit vielen neuen Herausforderungen liegt vor uns.“
Das IOC, allen voran deren Präsident Thomas Bach, verspricht sich von allen vier neuen Sportarten, die Paris vorgeschlagen habe, „dass sie dazu beitragen, das Programm ausgewogener und urbaner zu gestalten und die Möglichkeit bieten, sich mit der jüngeren Generation zu verbinden“. Im Vorfeld der Entscheidung hatte der höchste deutsche Sportfunktionär noch geunkt, dass sich Pierre de Coubertin, „Vater“ der Olympischen Spiele der Neuzeit, angesichts solcher Programmreformen wie Breaking wohl „im Grabe umdrehen“ würde.
Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) herrscht dagegen noch vornehme Zurückhaltung. „Auch wenn die finale Entscheidung letztlich erst im Dezember 2020 nach eineinhalbjähriger Beobachtungsphase getroffen wird“, begrüße der DOSB das frühzeitige klare Signal des IOC durch die provisorische Aufnahme der Sportart Breaking für die Spiele 2024 Paris, hieß es auf Volksstimme-Anfrage. „So wird auf jeden Fall eine längerfristige Perspektive, eine bessere sportliche Vorbereitungsphase für die Athleten und Trainer sowie eine - im Vergleich zu den Neuaufnahmen für 2020 – längere Umstellungszeit für die strukturelle Einbindung der neuen Sportart geschaffen“, erläutert DOSB-Sprecherin Ulrike Spitz.
Als organisierter Wettkampfsport steht Breaking in Deutschland offensichtlich noch in den Kinderschuhen. Detailfragen wie Disziplinen, Wettkampfformat, infrage kommende Altersklassen oder Qualifikationsmodus sind derzeit nicht geklärt. Ebenso die Möglichkeiten der Förderung. Auch diese müsse der DOSB mit dem Dachverband DTV noch abstimmen, so Spitz.
Beim Olympiastützpunkt Magdeburg ist Breaking trotz des Potenzials vor Ort nach Aussage von OSP-Leiter Helmut Kurrat noch kein Thema: „Grundsätzlich gilt es aber, sich den neuen Entwicklungen zu stellen.“ Bei so exotischen Sportarten müsse aber auch die Frage der Nachhaltigkeit gestellt werden, erklärt der Magdeburger Sportfunktionär und nennt das Beispiel Karate: 2020 neu im Programm, 2024 bereits wieder draußen. „Progressivität hin oder her – die olympische Grundidee darf nicht zu Grabe getragen werden.“ Nichtsdestotrotz sichert Kurrat jegliche Unterstützung im Bedarfsfall zu. Wenn sich ein Magdeburger Breakdance-Talent in den nächsten Jahren tatsächlich als Kader für Paris 2024 herausschält, sei das förderungswürdig – und damit aller olympischer Ehren erst einmal wert.