Lars Munser aus Farsleben fliegt zur Matheolympiade nach Kolumbien Mathe-Genie: Brüche statt Ballerspiele
Farsleben l Lars liebt Logarithmen. In Mathe ist er so gut, dass er sich jetzt für die Internationale Olympiade qualifiziert hat. Bald fliegt der 17-jährige Lars Munser nach Kolumbien. Als Training wälzt er mit Genuss Bücher, aus denen selbst Fachlehrer noch lernen können.
Sein Kopf sieht eigentlich ganz normal aus. Durchschnittlich groß, schmale Form, obendrauf kurzes, etwas störrisches Haar. Doch das, was in diesem Kopf passiert, ist von der Norm weit entfernt. Lars Munser ist ein Mathe-Genie. Ungleichungen mit drei Unbekannten löst er in zwei Minuten. Jetzt hat es der Elftklässler aus Farsleben (Landkreis Börde) als einer von sechs Deutschen zur Internationalen Mathematikolympiade geschafft.
Am 18. Juli fliegt er nach Santa Marta. Vor ihm sind seit 1991 erst vier Sachsen-Anhalter so weit gekommen - drei aus Halle, einer aus Burg.
Die Auswahl lief über mehr Prüfungen als das Abitur. Fünf Vorausscheide hat der 17-Jährige mitgemacht; allein im letzten hat er sich durch sieben Klausuren gekämpft. Dort löste er als zweitbester Deutscher sein Ticket nach Kolumbien. "Für mich ist ein Traum wahr geworden", erzählt Lars und reibt etwas schüchtern an seinem Kinn. "Darauf habe ich Jahre lang hingearbeitet."
Strategiebücher auf Englisch liest Lars seit der achten Klasse
Seitdem er auf das Magdeburger Werner-von-Siemens-Gymnasium gekommen ist - ein Mathegymnasium - geht seine Erfolgskurve steil nach oben: Bei seiner ersten Olympiade in Klasse 5 wurde der Farsleber Zweitbester des Landes, seit der siebenten Klasse ist er immer der Beste; in der zehnten Klasse gewann er zum ersten Mal die Bundesrunde; letztes Jahr kam er ins Finale des Internationalen Vorausscheids.
Ist das Talent oder hat er dafür hart gebüffelt? "Beides", sagt der Schüler. "Man muss sich schon für Mathe begeistern und schnell verstehen können. Aber ich beschäftige mich auch in meiner Freizeit viel damit."
Ein paarmal im Jahr wird Lars Munser von Fördervereinen zu Mathe-Seminaren eingeladen. Und nach der Schule setzt er sich zwei- bis dreimal pro Woche zum Knobeln an den Schreibtisch. Am liebsten macht er Algebra. Einige Aufgaben bekommt der 17-Jährige von seinen Lehrern, andere von den Vereinen. Wenn das nicht reicht, sucht er sich Herausforderungen im Internet - Brüche statt Ballerspiele.
Und dann wären da noch seine Strategiebücher. Die meisten sind auf Englisch. Aber das macht Lars nichts aus, das erste hat er sich schon in der achten Klasse angeschafft. "Die Fachbegriffe in beiden Sprachen sind fast gleich. Deshalb funktioniert das ganz gut", verrät der Pfiffikus.
Aber was reizt ihn so an Mathe, dass er sich stundenlang damit beschäftigt - während es einigen schon beim Gedanken an Brüche und Integrale kalt den Rücken runterläuft? Der 17-Jährige überlegt kurz, dann fügt er langsam seine Antwort zusammen: "Ich glaube, das abstrakt Logische liegt mir. Ich bin nicht so für das Praktische." Als Ausrede fürs Zimmeraufräumen zieht das bei seinen Eltern aber blöderweise nicht.
Papa ist Mathelehrer - helfen kann er seinem Sohn aber nicht mehr
Apropos Eltern: Eine Veranlagung für mathematisches Denken hat Lars von seinem Vater. Er ist nämlich Mathelehrer an einem Gymnasium. Doch bei der Vorbereitung auf die Internationale Olympiade bringt ihn sein Wissen kaum weiter. "Er kann mir nicht mehr helfen. Über den Schulstoff bin ich hinaus", sagt der Gymnasiast. Ein verschmitztes Grinsen kann er sich dabei nicht verkneifen.
Und weil ihm demzufolge auch der Mathe-Unterricht wenig nutzt, schmökert der Gymnasiast in der Schule meist 45 Minuten lang in seinen Strategiebüchern. Lars: "Meine Lehrerin hat gesagt, das ist o.k."
Und da hat er nicht geflunkert. Mit einem Augenzwinkern erklärt Mathelehrerin Andrea Hagemann: "Wir wollen ja nicht, dass er sich zu Tode langweilt." Für Lars\' Banknachbarn - einen Zweierschüler - ist diese spezielle Lektüre übrigens nichts. "Das ist mir zu komplex", sagt Max Jahns und winkt ab.
Zweimal in der Woche gönnt der 17-Jährige seinem Kopf übrigens auch mal eine Pause. Dann sind Arme und Beine gefragt - an der Tischtennisplatte. An seiner Wand hängen sogar ein paar Medaillen von Turnieren.
Allerdings sind die ganz schön mickrig im Vergleich zu denen, die er mit seinem Köpfchen erkämpft hat.
Im Juli könnte seine bis dahin größte Errungenschaft hinzukommen: goldenes Metall aus Kolumbien. Dort muss sich Lars Munser mit Konkurrenz aus 103 Ländern messen, in zwei Klausuren à viereinhalb Stunden.
Zur Erholung bleiben danach noch ein paar Tage, um die Sierra Nevada zu erkunden und ins karibische Meer zu hüpfen.
Teamziel: Jeder soll mit einer Medaille zurückkommen
Wie seine Chancen bei der Olympiade stehen, darüber wagt der Farsleber nicht zu spekulieren. Aber das deutsche Team hat sich ein Ziel gesetzt: "Wir wollen alle mit einer Medaille zurückkommen." Das ist zwar ehrgeizig, aber nicht abwegig. Denn Gold, Silber und Bronze gibt es für jeden, der eine bestimmte Punktzahl erreicht.
Für all jene, die sich in Anbetracht ihrer mäßigen Mathekenntnisse jetzt frustriert fühlen, hier noch ein kleiner Trost: Lars Munser ist nicht in jedem Schulfach ein Überflieger. "Englisch mag ich gar nicht", erzählt er. Allerdings ist das auch wirklich nur ein kleiner Trost. Denn eine Zwei hat er trotzdem.