CDU-Vorsitz Merz will Einwanderung in Sozialsysteme begrenzen
Zum dritten Mal bewirbt sich Friedrich Merz um den CDU-Vorsitz. Im Osten ist ihm große Unterstützung sicher.

Magdeburg - Volksstimme: In den Umfragen zur Vordersitzenden-Wahl liegen Sie vorn. An welchen Stärken ihrerseits liegt das, was glauben Sie?
Friedrich Merz: Mein Eindruck ist, dass die CDU-Mitglieder nach einer wirklich neuen Führung suchen. Mein Personalangebot mit Christina Stumpp und Mario Czaja könnte einen zusätzlichen Schub ausgelöst haben. Wir haben den Anspruch, die Partei auch in der ganzen Breite und Tiefe zu vertreten.
Wo sehen Sie bei sich Schwächen?
In eigener Sache bin ich natürlich befangen. Für manche Kritiker spielt mein Alter eine Rolle. Wobei ich dann immer sage: Wie jung man im Kopf ist, steht nicht als Geburtsdatum im Reisepass.
Ihre treuesten Bataillone haben Sie bei den Christdemokraten im Osten. Was können Sie Ihnen − etwa in Sachsen-Anhalt − bieten? Was ist Ihr Rezept?
Ja, ich freue mich und bin sehr dankbar darüber, dass ich so viel Unterstützung im Osten habe. Das ist auch in der Basis-Konferenz letzte Woche sehr deutlich geworden. Ich habe eine große Sympathie für Ostdeutschland und bin oft beruflich in den vergangenen Jahren und jetzt im Bundestagswahlkampf dort gewesen. Ich weiß, dass viele Dinge auch 30 Jahre nach der deutschen Einheit nicht abgeschlossen sind. Ich höre den Menschen zu und versuche Lösungen zu erarbeiten. Ein Teil des Neuaufbaus der CDU wird auch aus dem Osten kommen müssen, dabei werde ich die CDU vor Ort unterstützen.
Ostdeutschland ist auch eine Bastion der AfD. Sie wollen die Wähler dieser Partei zur Union zurückholen. Wie, wo doch die Fronten sehr verhärtet sind?
Es stimmt leider, die Fronten sind verhärtet. Umso wichtiger ist es, dass wir eine glaubwürdige und vertrauenswürdige Politik machen. Gerade die Wählerinnen und Wähler im Osten sind sehr empfindlich gegenüber nicht eingehaltenen Versprechen der Politik. Dieses Vertrauen, dass wir halten, was wir versprechen, müssen wir besonders im Osten wieder aufbauen.
Wir erleben wieder scharfe Corona-Einschränkungen. Ist das für Sie der richtige Kurs?
Wenn wir eine höhere Impfquote hätten, wäre das Problem viel kleiner. Deshalb zunächst meine herzliche Bitte und Aufforderung: Lassen Sie sich impfen. Nur eine kleine Minderheit kann das aus gesundheitlichen Gründen nicht. Wir werden leider wieder bestimmte Einschränkungen über den Winter hinnehmen müssen, aber ich werde mich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Schulen und Kitas offen bleiben. Die junge Generation ist am meisten betroffen: Ausgefallener Unterricht, auch Sport- oder Musikstunden − das alles hinterlässt immaterielle Schäden, die wir so klein wie möglich halten müssen.
Dauerbrenner Impfpflicht: Sind Sie dafür?
Ich denke, das kann nur die letzte Möglichkeit, die Ultima Ratio sein.
Unter den Corona-Leugnern gibt es Menschen, die komplett gegen diesen Staat sind. Was sagen Sie denen?
Das Phänomen ist nicht auf Ostdeutschland beschränkt, das kennen wir in Westdeutschland leider auch. Diejenigen, die noch halbwegs über ihren Verstand zu erreichen sind, würde ich gern bitten, in einer ruhigen Minute zu überlegen, ob sie sich nicht verrannt haben. Wir müssen doch vernünftig miteinander umgehen. Und denjenigen, die diesen Staat vollkommen ablehnen, sich zum Teil Reichsbürger nennen, kann ich nur sagen: Schauen Sie sich diese Gesellschaft und diese Freiheit bei uns an. Mit wem und womit auf der Welt würden Sie denn tauschen wollen?
Die Gewerkschaft der Polizei hat gerade vor erhöhter Aggressivität bei Protesten gegen die Corona-Regeln gewarnt. Wie kommen wir gewaltfrei aus der Misere?
Nach meinen Beobachtungen ist die Sorge der Gewerkschaft der Polizei für bestimmte Teile der Bundesrepublik − nicht nur im Osten − berechtigt. Trotzdem muss die Politik konsequent handeln, denn die Corona-Gefährdung der Menschen ist allemal größer als die Gefahr durch gesellschaftliche Konflikte. Wir müssen das jetzt durchhalten.
Zurück zur CDU, die inhaltlich am Boden liegt. Was muss ins Programm, damit sich das ändert?
Die Opposition gibt uns eine Chance: Wir können ohne Rücksicht auf Koalitionspartner definieren, was uns als CDU ausmacht. Die größten Themen sind: Wirtschaftspolitik in Zeiten des Klimawandels, Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten zunehmender Spannungen auf der Welt sowie Sozialpolitik angesichts der demografischen Entwicklung und der nicht gesicherten Finanzierung unserer Altersversorgung. Unsere Antworten werden wir unter meiner Führung neu erarbeiten.
Sie gelten als Wirtschaftsliberaler, bestreiten das aber. Das geplante Bürgergeld lehnen Sie jedoch ab. Sind Sie doch für soziale Einschränkungen?
Ich bin für einen Sozialstaat, der gezielt hilft und nicht mit der Gießkanne ausschüttet. Das sind wir gerade der jungen Generation schuldig. Und der beste Sozialstaat ist ein Staat mit guten Ausbildungsmöglichkeiten, hoher Beschäftigung und guten Löhnen.
Die Migrationspolitik der Ampel liegt der Union schwer im Magen. Warum?
Wir brauchen geordnete Einwanderung in den Arbeitsmarkt, und zwar überall dort, wo Fachkräfte fehlen. Aber wir müssen die ungeordnete Einwanderung in die Sozialsysteme strikt begrenzen. In den letzten Jahren gab es zu wenig geordnete und zu viel ungeordnete Migration, es müsste genau umgekehrt sein.
Beim Klimaschutz geht es zur Sache. Wie sehen Sie den geplanten Kohleausstieg bis 2030?
Das wäre ohne Konsens mit den Betroffenen ein grober Vertrauensbruch. Die Vereinbarung für 2038 wurde auch deshalb getroffen, um den Menschen gerade im Süden Sachsen-Anhalts und in der Lausitz Sicherheit und Perspektive zu geben.
Es geht Verbrenner-Fahrern an den Kragen: Diesel- und Benzinpreis sollen angeglichen werden. Wie stehen Sie dazu?
Wir werden auch in 20 Jahren noch Verbrenner auf unseren Straßen sehen. Die entscheidende Frage ist nur: Mit welchem Treibstoff werden sie gefahren? Die CDU wird keinen Kulturkampf gegen die individuelle Mobilität und das Auto führen.
Wenn Sie Fraktionschef werden sollten, stünden Duelle mit einem Kanzler Olaf Scholz an. Wie ist heute Ihr Verhältnis zu ihm?
Ich habe zu Olaf Scholz persönlich immer ein gutes Verhältnis gehabt. Wir sind uns politisch oft nicht einig, schätzen aber gegenseitig unser Verantwortungsbewusstsein. Das ist gut für eine Zusammenarbeit, wo sie notwendig ist, und auch gut für die notwendige Auseinandersetzung in den Sachthemen.
Zum Fraktionsvorsitz sagen Sie nichts?
Ralph Brinkhaus und ich kommen gut miteinander aus. Wir entscheiden jetzt über den Parteivorsitz und nicht über den Fraktionsvorsitz.