Brasilianer Mit Temperament und Tanztalent
Volksstimme-Redakteur Fabian Biastoch und seine Frau Anneliese leben in Magdeburg. Sie ist Brasilianerin. Ein Picknick-Gespräch.
Fabian, Sie laufen hier im Brasilien-Trikot auf, Ihre Frau nicht. Sind Sie etwa der größere Brasilien-Fan?
Fabian Biastoch: Nicht zu vergessen das passende Handtuch, das ich mitgebracht habe! Aber im Ernst: Das Trikot habe ich mir zur Weltmeisterschaft 2014 direkt in Brasilien gekauft. Ob ich der größere Fan bin, weiß ich nicht, aber begeistert von dem Land bin ich definitiv. Denn es ist sehr vielfältig. Wenn du im Süden aus dem Flugzeug steigst, könntest du auch in Italien oder Spanien sein, der Norden ähnelt Portugal und Afrika.
Sind Sie auch Fan der brasilianischen Küche?
Fabian: Auf jeden Fall. Als ich das erste Mal dorthin kam, war ich begeistert, wie viele Bäckereien und Konditoreien mit leckerem Kuchen und Torten es gibt.
Wie praktisch, dass Sie dank Ihrer Frau die Backkunst auch in Deutschland genießen können. Anneliese, Sie haben Schokokuchen mitgebracht.
Anneliese Schwarzbold Biastoch: Genau. Das Rezept ist von meiner Mama. Backmischungen benutze ich nie. Ich kenne es von zu Hause, dass immer nach Rezept von der Mama, Oma oder Freundin gebacken wird.
Anneliese Schwarzbold Biastoch, sind Sie auch diejenige, die bei Ihnen kocht?
Anneliese: Fabian kann das auch – ich liebe seine Nudeln mit Tomatensoße! Wenn ich koche, mache ich oft Sachen, die ich von zu Hause kenne, wie Eintopf mit schwarzen Bohnen und Rindfleisch. Ich würze sie nur stärker, als ich es aus Brasilien gewohnt bin.
Würden Sie von sich sagen, dass Sie typisch brasilianisch sind?
Anneliese: Nein, ich glaube nicht. Als Klischee-Brasilianerin sollte ich dunklere Haut haben. Meine ist etwas heller, weil meine Urgroßeltern aus Italien und Deutschland kamen. Außerdem sollte ich nicht Anneliese heißen – aber meinem Vater hat der Name nun mal gefallen.
Das ist das Äußere. Wie sieht es mit dem Wesen aus – sind Sie so temperamentvoll, wie man es den Brasilianern nachsagt?
Anneliese: Naja.
Fabian: Ja.
Anneliese: Unter anderen Brasilianern bin ich nicht so sehr brasilianisch. Sie machen zum Beispiel mehr Party als ich. Aber ich glaube, in Deutschland bin ich sehr brasilianisch – zum Beispiel, weil ich sehr offen bin.
Wie steht's um Ihre Fähigkeiten im brasilianischen Volkstanz Samba?
Anneliese: Ich mag Samba nicht besonders. Salsa und Tango gefallen mir besser.
Dann haben Sie zumindest das Tanzen im Blut. Lässt sich das auf den deutschen Ehemann übertragen?
Fabian: Ich bin ein hoffnungsloser Fall.
Klare Antwort. Dann zum nächsten Brasilien-Klischee: Sind Sie fußballbegeistert?
Anneliese: Ich bin kein Superfan. Aber wenn die Mannschaft spielt, von der mein Papa und mein Bruder Fan sind, gucke ich gern mit. Außerdem mag ich es sehr, Fußball zu schauen, wenn WM ist.
Was hat denn bei der WM 2014 die 1:7-Niederlage von Brasilien gegen Deutschland mit Ihrer Ehe gemacht?
Fabian: Unsere Trauung war erst drei Monate später. Sie hätte es sich also noch mal überlegen können.
Anneliese: Ich fand es sehr schön von Fabian, dass er nur bis zum dritten Tor gelacht hat.
Fabian: Sie ist auch nach der ersten Halbzeit rausgegangen.
Ach so?
Anneliese: Ich war schon traurig. Aber dafür haben wir immer noch fünf Weltmeistersterne auf dem Trikot, nicht, Schatz?
Fabian: Darauf spielt sie immer an. Aber ich ziehe sie auch bis heute immer mal wieder mit dem Spiel auf. Als bei der Europameisterschaft Deutschland im Halbfinale verloren hat, meinte ich zu ihr: Aber Hauptsache nicht 1:7.
Wir müssen ja jetzt auch nicht zu sehr darauf herumhacken. Anneliese, lassen Sie uns über etwas Schönes reden: Karneval.
Anneliese: Zu den Karnevals-Partys bin ich nie gegangen, das ist nicht so meins, auch weil es in meiner Heimatregion nicht so verbreitet ist. Aber ich habe sie früher öfters im Fernsehen geguckt. Interessant finde ich auch, was die Schulen machen. Sie suchen sich ein Thema und gestalten dazu einen Umzug. Dafür gibt es sogar Noten.
Waren Sie schon mal bei einem deutschen Karneval?
Anneliese: Nein, noch nicht.
Fabian: Wenn sie das nicht unbedingt sehen möchte, ist das auch nichts, was ich ihr zeigen muss. Ich war ab und an schon bei Karnevalsfesten, wirklich Gefallen habe ich daran nicht gefunden.
Anneliese, was haben Sie Fabian bei Ihrem ersten gemeinsamen Brasilienbesuch gezeigt?
Anneliese: Ich habe ihm meine Region gezeigt, Rio Grande do Sul im Süden des Landes. Sie ist sehr gebirgig. Außerdem gibt es dort eine Strecke, die heißt romantische Route: Am Straßenrand stehen überall Hortensien.
Fabian, wie sahen Ihre ersten Eindrücke vom Land aus?
Fabian: Es wirkte sehr unbrasilianisch – kein Urwald, dafür viel Gebirge. Außerdem war ich überrascht, wie europäisch das Land geprägt ist. Es gibt Radiosender, die deutsche Volksmusik spielen. Auch in den Supermärkten hört man oft Deutsch – allerdings solches mit Einflüssen von vor 100 Jahren, als viele Einwanderer nach Brasilien kamen.
Anneliese: Seit ein paar Jahren spreche ich zwar deutsch, aber ich verstehe diese Menschen trotzdem schlecht, weil ich hochdeutsch gelernt habe.
Wie oft sind Sie in Brasilien?
Fabian: Wir fliegen ungefähr alle zwei Jahre dorthin. Zuletzt waren wir zu unserer kirchlichen Hochzeit da.
Wie ist denn so eine brasilianische Hochzeit?
Fabian: Gegenfrage: Was denken Sie denn, wie sie ist?
Ich stelle sie mir groß und voll von Bräuchen vor.
Anneliese: Mit der Größe ist es wie in Deutschland: Es kommt auf den Geschmack und die finanziellen Möglichkeiten an. Es gibt aber auch Unterschiede. In Deutschland hat man ein festes Programm, das ist in Brasilien nicht so. Außerdem wird bei uns nicht den ganzen Tag lang gefeiert. Wir haben uns erst abends trauen lassen.
Und wie sieht es mit Bräuchen aus?
Anneliese: Es gibt die Tradition, dass in die Innenkante des Brautkleides die Namen der ledigen Freundinnen geschrieben werden. Ich habe das aber nicht gemacht.
Wie sind die Brasilianer als Gastgeber?
Fabian: Sie sind sehr herzlich, freundlich und aufgeschlossen. Das habe ich auch erlebt, als ich zur Weltmeisterschaft dort war. Alle hatten immer ein Lächeln im Gesicht.
Schon 2014 gab es in Brasilien Proteste gegen die WM und Olympia, auch jetzt regt sich Widerstand gegen die Spiele. Gegner kritisieren vor allem die hohen Kosten. Haben Sie den Eindruck, die Mehrheit steht trotzdem dahinter?
Anneliese: Das Problem ist nicht, dass die Leute keine WM oder kein Olympia haben wollen. Aber wenn alles teurer wird, wenn sich die Sicherheitslage immer weiter verschlimmert, wenn alle paar Wochen ein Unternehmen schließen muss und die Gesundheitssituation schlechter wird, dann fragt man sich: Muss man für die Spiele Geld ausgeben? Ich glaube, der Großteil findet, es geht uns dafür zu schlecht.
Und Sie finden das auch.
Anneliese: Natürlich finde ich es cool, dass Olympia in Brasilien stattfindet. Aber zu welchem Preis? Für die Weltmeisterschaft haben sie in Salvador ein riesiges Stadion gebaut. Wenn man dahinter so viel Armut sieht, denke ich, es wäre besser gewesen, man hätte Geld dorthin gegeben.
Fabian, haben Sie den Frust während der Fußball-WM gespürt?
Fabian: Wenn Brasilien spielt, ist die Euphorie so groß, dass es keinen Platz für Frust gibt. Grundsätzlich hat man aber schon kritische Stimmen gehört – gerade in Salvador.
Anneliese Schwarzbold Biastoch, glauben Sie, während der Olympischen Spiele wird es Proteste geben?
Anneliese: Das kann sein. Wenn, dann werden sich diese Proteste aber mit Euphorie mischen. Wir freuen uns ja über Olympia in Brasilien. Nur: Wenn die Party vorbei ist, kommt der Alltag zurück, und in dem müssen wir leben.
Gerade gab es wieder Demonstrationen für und gegen die suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff. Wie wirken sich diese Proteste auf die Spiele aus?
Anneliese: Die Proteste werden Olympia glaube ich nicht stören. Ich sehe sie sogar als Chance, die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die Probleme des Landes zu lenken.
Nach der politischen noch eine sportliche Einschätzung: Wo haben die Brasilianer Ihrer Meinung nach gute Chancen?
Fabian: Sie sind im Volleyball gut – und im Fußball sowieso.
Und wenn die deutschen Fußballer die Brasilianer wieder gnadenlos wegkicken ...
Anneliese: Dann hält das unsere Ehe natürlich auch aus!
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