Nach dem Batterie-Hype kommt der Wasserstoff
Die Brennstoff zelle ist – das Wortspiel sei erlaubt – ein medialer Dauerbrenner. Seit etwa 15 Jahren. Aber im Alltag angekommen ist sie bislang nicht. Hat die Zelle keine Zukunft ? Falsch, sagen Experten. Ihre Einführung als Autoantrieb steht unmittelbar bevor.
Barleben ● In der Produktionshalle von FuelCon in Barleben wird derzeit der Platz etwas eng. Edelstahlaufb auten mit Tanks, Röhren, Schläuchen und Elektronikschränken werden von Ingenieuren zusammengebaut.
Die Anlagen werden von der Decke über ein Leitungssystem mit Gas versorgt: Wasserstoff . Der Brennstoff der Zukunft. Die Barleber sind spezialisiert darauf, Prüfstände für Brennstoff zellen herzustellen. Derzeit arbeiten sie einen Großauftrag aus München ab. BMW lässt von FuelCon ein Prüffeld für Brennstoffzellen errichten, die in Automobilen als Antrieb eingesetzt werden sollen.
Die Firma in Barleben gehört Ingo Benecke und Mathias Bode. Die beiden Absolventen der Magdeburger Universität gründeten ihre Firma Mitte der 1990er Jahre. Heute beschäftigen sie knapp 100 überwiegend ingenieurtechnische Mitarbeiter. Der Brennstoff zellen-Boom der vergangenen drei Jahre hat das Unternehmen kräftig wachsen lassen. Ingo Benecke selbstbewusst: "Wir sind europaweit führend bei Prüfständen für Brennstoffzellen und arbeiten mit fast allen großen Industriepartnern zusammen."
Mit konkreten Informationen zu Auftragsvolumen, Kundenverträgen und technischen Details von Verfahren sind die FuelCon-Manager
sehr zurückhaltend. Zu unmittelbar ist das Unternehmen in
Industrieforschungsvorhaben von Großkonzernen involviert, deren Produkte und Verfahren kurz vor der Markteinfühung stehen. Selbst Fotografien in der FuelCon-Produktionshalle sind nur schwer möglich, weil Mitbewerber über die Konstruktion von Prüfständen Rückschlüsse
auf die zu testenden Produkte schließen könnten.
Prüfstände von FuelCon kosten zwischen 50 000 und 500 000 Euro. Der aktuelle Auftrag aus München bezieht sich unter anderem auf
100-kW-Brennstoff zellen- Stacks, die Toyota an BMW geliefert hat.
"Mit so einer 100-kWBrennstoffzelle im Auto sind Reichweiten um die 500 Kilometer kein Problem mehr", erklärt Mathias Bode. Und genügend Fahrspaß kommt auch auf. Bode: "Diese 100 kW elektrischer Antrieb entsprechen etwa 140 PS und Fahrgefühl wie in einem normalen 200-PS-Auto."
Der Brennstoff zelle steht im Automobilbau offenbar eine rosige
Zukunft bevor. "Rein batteriebetriebene Elektroautos wird es in Zukunft vor allem für kleine Strecken im Stadtverkehr geben", glaubt Bode. Bei Fahrzeugen auf Langstrecken setzen die Hersteller dagegen auf eine Kombination aus Wasserstofftank, Brennstoffzelle, Batterie als Zwischenspeicher und Elektromotor.
Der Vorteil gegenüber reinen Batterieautos: Die Brennstoffzelle im Auto hält die Batterie in geladenem Zustand. Und das Fahrzeug kann schnell mit Wasserstoff betankt werden. Eine Autobrennstoffzelle hat etwa die Größe eines herkömmlichen Mittelklassemotors. Die Batterie ist deutlich kleiner als bei einem rein batteriebetriebenen Fahrzeug.
Daimler ist in Deutschland führend. Bereits 2011 hatte Vorstandschef Dieter Zetsche angekündigt, dass 2014 die Produktion eines Serienautos auf Basis der Mercedes-B-Klasse anläuft. Daimler lässt
dazu Brennstoff zellen- Stacks (Infokasten) im kanadischen Vancouver bauen. In einem eigens dafür errichteten Werk soll die Serienproduktion der Stacks bereits im nächsten Jahr beginnen. Toyota, Honda, General Motors, Ford und Hyundai setzen ebenfalls auf Wasserstoff als den Antriebsstoff in Kombination mit einem Elektromotor.
Bislang nicht absehbar ist ein dazu notwendiges Netz an Wasserstoff -Tankstellen. Daimler will gemeinsam mit dem Industriegashersteller Linde beim Aufbau eines solchen Netzes in Deutschland zusammenarbeiten. Bis 2014 wollen die beiden Firmen 20 zusätzliche
Stationen errichten und dafür nach Angaben von Daimler einen
zweistelligen Millionenbetrag investieren. Der Bau einer Wasserstoff -Tankstelle kostet etwa eine Million Euro. Insgesamt soll es 2014 in Deutschland vor allem in Ballungsgebieten und entlang der wichtigsten Autobahnen 50 Daimler-Linde- Tankstellen geben.
Ist das Batterie-E-Mobil am Ende, bevor es gestartet ist? "Der größte Batterie-Hype ist doch schon wieder vorbei. Ich sage ihnen voraus, in zwei, drei Jahren heißt das Schlüsselwort Hochdruck- Wasserstoff -Elektrolyse", glaubt Ingo Benecke. FuelCon wird Anfang 2013 im Auftrag eines führenden US-Gasproduzenten ein großes Prüffeld für
Brennstoff zellen in New Jersey errichten. Dies stehe in Zusammenhang mit der Elektrolyse-Wasserstoffproduktion. "Das Thema kocht in den USA gerade richtig hoch und schwappt in zwei Jahren nach Europa herüber", ist sich der Manager sicher. Woher nimmt er seine Zuversicht? Im Zuge der Materialentwicklung etwa bei Dichtungen und Membranen wurden im Zusammenhang mit der Brennstoff zellenforschung in den vergangenen drei Jahren große Fortschritte erzielt. Davon profitiert die Hochdruck- Elektrolyse. Benecke: "Es ist absehbar, dass Wasserstoff bald so hergestellt werden kann, dass es sofort ohne teure Kompression in hohen Drücken zur Verfügung steht. Das heißt, der Wasserstoff steht direkt nach der Elektrolyse in großen Mengen direkt zur Weiternutzung bereit."
Zur Erklärung: Über das Elektrolyse-Verfahren kann Wasserstoff mittels Elektrizität und Wasser hergestellt werden. Heraus kommt Wasserstoff und Sauerstoff . Bislang scheiterte die Hochdruck-Elektrolyse an der damit verbundenen starken Materialbeanspruchung.
Ist sie möglich, könnte Wasserstoff in großen Tanks zum Beispiel als Energiespeicher bei Windkraftanlagen eingesetzt werden. Der bei Wind produzierte Wasserstoff kann dann bei Flaute mittels Brennstoffzelle wieder in Strom zurückverwandelt werden.
Etwas kleinere Brötchen als FuelCon backt die Firma Elektromotoren
und Gerätebau Barleben (EMB). Aber auch dieses Unternehmen sieht in der Vermarktung von Brennstoffzellen ein Zukunftsgeschäft. Bei EMB sollen ab 2013 unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) auf Basis von Wasserstoff - Brennstoff zellen gebaut werden. Dazu arbeitet EMB mit der schwedischen Firma PowerCell zusammen, ein Unternehmen der Volvo-Gruppe. Projektleiter Sascha Hanf: "Solche Anlagen eignen sich für alle sicherheitsrelevanten Anlagen, zum Beispiel zur Absicherung von Verkehrsanlagen wie Ampeln oder
Überwachungssysteme."
Bis zum Aufbau einer eigenen Fertigungsanlage bezieht EMB die Ein-Kilowatt-Brennstoff zellenstacks von PowerCell. Der eigentliche Anlagenbau findet von Anfang an in Barleben statt. Hanf: "Die Montage der Komponenten wie Wasserstoffspeicher, elektronische Steuerung und Sicherheitssysteme sowie die komplette Prüfung wird bei uns durchgeführt. Der Kunde kann dann noch ein anwendungsorientiertes Steuerungsmodul hinzufügen."
Bis zu zehn Stunden Stromausfall soll ein solches System überbrücken können. Auch die weitgehend automatisierte Online- Wartung soll dem Kunden von EMB angeboten werden. Hanf geht von einem Preis für das Brennstoffzellen-Aggregat "im untersten fünfstelligen Bereich" aus. Ziel sei jedoch, sich noch darunter einzupegeln. Unterstützt wird EMB vom Lehrstuhl Elektrische Netze und Alternative Elektroenergiequellen (LENA) der Otto von- Guericke-Universität Magdeburg. "Wir forschen schon seit Jahren an vielen Themen der Brennstoffzellentechnologie", erzählt Maik Heuer, frisch promovierter Projektbetreuer. So werden zum Beispiel Regelungsstrategien simuliert und Diagnosegeräte für Brennstoffzellen erstellt. Häufig arbeitet der Lehrstuhl dabei mit Partnern aus der Industrie zusammen. EMB und auch FuelCon gehören dazu. Heuer: "Mit unseren Systemen bieten wir industrienahe Lösungen an." Der Brennstoff zelle in den unterschiedlichsten Bauarten, sagen die Experten einhellig, steht eine große Zukunft bevor. In der Automobilindustrie wird dies bald besonders augenfällig zu beobachten sein.