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Nebenjobs Polizisten als Pizzabote und Erntehelfer

In Sachsen-Anhalt arbeiten rund 200 der 5800 Polizisten nebenbei. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will nun schärfere Regeln.

Von Michael Bock 13.08.2016, 01:01

Magdeburg l Wenn Sie künftig einen Alleinunterhalter fürs Familienfest buchen, könnte es gut sein, dass dieser kurz zuvor noch eine Polizeiuniform getragen hat. Aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Henriette Quade zu Nebentätigkeiten von Polizisten geht hervor, dass etwa 200 Beamte nebenbei Extra-Geld verdienen. Quade sagt: „Das ist ein spannender Blick mitten ins Leben.“

Der Liste zufolge arbeiten die Polizisten in der Regel wöchentlich acht Stunden nebenbei. Unter den anzeigepflichtigen Nebenjobs ist viel Kurioses zu finden. Dazu gehören etwa ein weltlicher Trauerredner, eine private Hypnosetherapeutin, die Tätigkeit als Piercerin oder der Direktvertrieb von Barfußschuhen.

Etliche Polizisten verdingen sich nebenbei als Hausmeister, sie sind unterwegs als Taxifahrer und Pizzaboten, oder sie helfen sporadisch bei der Ernte aus. Andere geben ein Kleingewerbe zur Pflege von Sportbällen an, kynologische Fachberatung oder Züchtung und Verkauf von Leopardgeckos aus eigenem Bestand. Aufgeführt sind auch ein „Personenschützer“ und die Tätigkeit bei einem „Sicherheitsdienstleister“.

Uwe Petermann, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, sagt: „Unsere Polizisten sind zu schlecht bezahlt. Einige sind gezwungen, nebenbei Geld zu verdienen, um sich über Wasser zu halten.“

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) bemerkt süffisant: „Wenn ich immer die Gewerkschaften höre, dass alle Polizisten unter Stress zusammenbrechen, bin ich doch beeindruckt, was manch einer da noch nebenbei macht.“

Derzeit müssen Nebentätigkeiten von Polizeibeamten lediglich angezeigt, aber nicht mehr explizit genehmigt werden. Früher musste dafür ein Antrag gestellt werden. Stahlknecht will die Regeln wieder verschärfen. „Ich bin für eine restriktivere Auslegung“, sagt der Minister. „Wenn jemand eine Nebentätigkeit übernehmen will, die ihn in eine wirtschaftliche Abhängigkeit oder in einen Interessenkonflikt bringen könnte, würde ich das untersagen.“

Die Debatte um Nebentätigkeiten war nach Vorfällen entbrannt, die im Zusammenhang mit dem Mord an der chinesischen Studentin Yangjie Li in Dessau-Roßlau stehen. Die Mutter und der Stiefvater des 20-jährigen Tatverdächtigen – beide sind Polizisten – hatten die von ihnen betriebene Gartenkneipe „Freundschaft“ im Juni wiedereröffnet; und das nur einen Tag nach der offiziellen Trauerfeier für die ermordete Studentin. Das hatte für große Empörung gesorgt. Die Polizeidirektion Ost untersagte der Polizistin danach die Nebentätigkeit als Chefin der Gartenkneipe.