Künstler in seiner Heimatstadt mit dem Landesverdienstorden geehrt Neo Rauch: Sein gesamtes grafisches Werk ist jetzt in Aschersleben beheimatet
Aschersleben ist seit gestern um eine weltweit einzigartige Attraktion für Kunstliebhaber reicher: Die älteste Stadt Sachsen-Anhalts beheimatet - in Form einer Stiftung - das gesamte grafische Werk des renommierten Malers Neo Rauch, der dafür mit dem Landesverdienstorden geehrt wurde.
Aschersleben l Seit gestern hat Neo Rauch, der bekannteste deutsche Künstler, sein eigenes kleines MoMA. So hat der in Leipzig geborene, nach dem Tod seiner Eltern in Aschersleben bei den Großeltern aufgewachsene Maler in Anlehnung an das berühmte Museum of Modern Art in New York, vor zwei Jahren die lichtdurchfluteten Räume genannt, die im Zuge von IBA (Internationaler Bauausstellung) und LAGA (Landesgartenschau) 2010 aus einer Industriebrache mitten in der Stadt entstanden sind. Dort ist jetzt sein komplettes grafisches Werk untergebracht. Von den 65 Lithografien und Radierungen sind in einer ersten Ausstellung seit gestern 29 zu sehen.
Weil eine Kunsthalle für eine 30000-Einwohnerstadt wie Aschersleben nicht finanzierbar gewesen wäre, habe man die Form einer Stiftung gewählt, erklärt Rauch. Für ihn sei Aschersleben der einzige Ort, an dem eine solche Stiftung denkbar sei. "Alles andere wäre Größenwahn gewesen." Bisher habe er selbst seine grafischen Arbeiten nicht für allzu bedeutend gehalten, sondern eher als Beiwerk betrachtet. Doch bereits im Vorfeld der Stiftungsgründung seien neue Arbeiten entstanden. Insofern handle es sich auch um eine künstlerische Herausforderung für ihn selbst, sagte Rauch gegenüber der Volksstimme.
Der Wert der Grafiken wird auf 100000 Euro geschätzt. Rauch hat sich allerdings dazu verpflichtet, der Stadt auch ein Exemplar aller künftig entstehenden grafischen Arbeiten zu schenken. "Die Produktion läuft", sagte der 52-jährige Rauch. "Ich bin noch in einem spätpubertären Stadium meines Schaffens. Das Beste kommt noch." Das sei "schön für Aschersleben und schön für mich."
Gemeinsam mit seinem Galeristen Gerd Harry Lybke von "Eigen + Art" hat Rauch auch für das Stammkapital der Stiftung von 800000 Euro gesorgt. Weitere Stifterin ist die Stadt Aschersleben, die die aus städtischen Mitteln gestalteten Räumlichkeiten langfristig mietfrei zur Verfügung stellt. Dabei habe man allerdings einige Hindernisse überwinden müssen, bekannte Ascherslebens Oberbürgermeister Andreas Michelmann.
Bilder kommen gewissermaßen nach Hause
Die seltene Verbindung aus privatem und öffentlichem Engagement hob Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) hervor. Vor der Eröffnung der Ausstellung am Nachmittag verlieh er Neo Rauch als erstem Künstler überhaupt den Landesverdienstorden, die höchste Auszeichnung, die das Land Sachsen-Anhalt zu vergeben hat. Haseloff hob hervor, dass es Kunst zu allen Zeiten verstanden habe, "sich in den Dienst des Gemeinwesens zu stellen". Dabei würdigte er nicht nur die Aktivitäten des Malers in der Stadt Aschersleben, sondern auch die von Rauch bereits 2007 für den Naumburger Dom gestalteten Kirchenfenster mit Szenen aus dem Leben der Elisabeth von Thüringen. Zu Neo Rauch direkt gewandt sagte Haseloff schließlich: "Ihre Bilder kommen jetzt gewissermaßen nach Hause."
Dem an sich als medienscheu geltenden Künstler war gestern seine hohe emotionale Beteiligung anzumerken. "Für ihn zeige sich "eine gewisse Folgerichtigkeit", dass ihn sein Leben und Schaffen jetzt wieder an den Ort seiner Kindheit zurückführe. Er räumte auch ein, dass prägende Bilder der Landschaft seiner Kindheit als Untergrund überall in seinen Werken zu finden seien. Beim Hängen der Bilder sei auch die ein oder andere Träne geflossen, verriet Kerstin Wahala. Bei der Vorstandsvorsitzenden der neuen Stiftung handelt es sich ebenfalls um eine mit Aschersleben verbundene Persönlichkeit. Die in der Askanierstadt geborene Geschäftsführerin der Galerie "Eigen + Art" hat Neo Rauchs künstlerischen Werdegang bereits seit vielen Jahren begleitet.
Die Grundlage für die Verbindung des Künstlers zu seiner Heimatstadt hat eine ehemalige Mitschülerin gelegt: Christiane Wisniewski. Die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung hatte im Vorfeld der Landesgartenschau eineAusstellung 2010 von Neo Rauchs Meisterschülern angeleiert.