2009 Insolvenz, 2010 der Neubeginn - ein Besuch bei der "Deba Badsysteme" GmbH. Von Oliver Schlicht Neustart: Bäder aus Salzwedel für Londoner City
Der Fertigbäder-Hersteller Deba aus Salzwedel ist ein Jahr nach der überstandenen Insolvenz wieder gut im Geschäft. Aktuell liefern die Altmärker Bäder für einen neuen Wolkenkratzer in der Londoner City.
Salzwedel l Der Weihnachtsbaum fürs Foyer wird gerade hereingetragen. Der Lieferant weiß nicht so recht, wohin damit. Doch die beiden Ingenieure in der kleinen Halle unterbrechen deshalb nicht ihren Fachdisput über ein Fliesenproblem. Der Terminplan drückt, kann sich der Zuhörer aus Wortfetzen zusammenreimen. Die Produktion in der Halle nebenan läuft in drei Schichten auf Hochtouren. Für Besinnlichkeit ist da wenig Platz. Aber der "Bäumchenmann" wird schließlich bei der Empfangsdame doch noch seine Tanne los.
Die Betriebsamkeit bei Deba ist keineswegs selbstverständlich. Die 1992 von den Unternehmern Reimer Bartels und Reinhard Dehncke gegründete "Deba Systemtechnik" GmbH geriet 2008 im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise in schwere Turbulenzen. Etwa 40 Prozent des Jahresumsatzes brachen ein. Ende 2009 - die Auftragsbücher begannen sich langsam wieder zu füllen - geriet das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten und musste Insolvenz anmelden. 250 Mitarbeiter waren davon betroffen.
Neubeginn in der Vorweihnachtszeit 2010
In der Vorweihnachtszeit 2010 begann nach einjähriger Insolvenzneustrukturierung der Neuanfang. Der Ex-Gesellschafter Reimer Bartels war zuvor ausgeschieden. Neue Gesellschafter - unter ihnen mehrere altgediente Mitarbeiter - gingen mit der "Deba Badsysteme" GmbH an den Start. Viele ehemalige Kunden hielten den Salzwedlern die Treue. Für die Altmark, eine mit Industriearbeitsplätzen wenig gesegnete Region, war dies ein wichtiges Signal der Hoffnung.
Das Produkt der Deba blieb weitgehend gleich. Es sind modular auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Bäder, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Hotels und auch in Kreuzfahrtschiffen verbaut werden. Das Firmengelände verlassen sanitärtechnisch komplett ausgestattete und geflieste Metallkästen, die in die Rohbauten hineingeschoben oder hineingehoben werden.
Henrik Dinesen nimmt sich in seinem Geschäftsführerbüro eine kleine Baumkuchen-Praline von der Gästeschale und verspeist sie genussvoll. "Baumkuchen als kleines Weihnachtsgeschenk kommt bei unseren Stammkunden immer gut an", sagt er. Logisch in Salzwedel, sollte man meinen. Aber der neue Chef musste den Baumkuchen erst lieben lernen. Dinesen ist Däne und führt die Deba-Geschäfte seit Mai dieses Jahres. Zu Beginn 2011 war ein Teil der Belegschaft mangels Aufträgen noch mit Aufräumarbeiten auf dem Betriebsgelände beschäftigt. "Aber im Mai war die Produktion bereits wieder voll ausgelastet", erzählt der Chef. Inzwischen seien die Auftragsbücher bis Mitte 2012 gut gefüllt.
Sechs neue Mitarbeiter und bald ein neuer Export-Chef
Im November wurden bei Deba sechs neue Mitarbeiter eingestellt. Im Januar 2012 tritt ein neuer Export-Chef seinen Dienst an. 175 Beschäftigte arbeiten bei Deba in Salzwedel inzwischen wieder. In einem polnischen Deba-Tochterunternehmen sind noch einmal 50 Mitarbeiter beschäftigt. "Wenn es weiter so gut läuft, werden wir 2012 noch mehr Mitarbeiter neu einstellen können", kündigt der Geschäftsführer an. Und daran bestehe derzeit kaum Zweifel.
Einige Deba-Mitarbeiter betreuen aktuell die wohl interessanteste Baustelle des Bäderproduzenten. Dinesen: "Vier bis acht Mitarbeiter betreuen jeweils den Badeinbau im Heron-Hochhaus, in der City von London." Das 112 Meter hohe Gebäude mit 36 Etagen beherbergt in den ersten sechs Stockwerken ein Theater, eine Musikschule und Konzertsäle. Von der siebenten bis 36. Etage werden Wohnungen gebaut. Die Salzwedler statten die Wohnungen von der 11. bis zur 29. Etage mit schicken Edelbädern aus. Dinesen: "Das passiert unter Zeitdruck. Denn die Bäder werden mit dem Kran in die offenen Etagen hineingehoben. Erst wenn alle Bäder drin sind, kann das Gebäude nach oben weiter wachsen." 2013 soll der "Heron Milton Court" fertiggestellt sein.
Ein anderes exotisches Projekt der Salzwedler sind 20 Sanitärzellen für eine Arbeitsplattform mitten auf der Ostsee. Dinesen: "Siemens baut diese Plattform derzeit in Rostock für Arbeiter, die Windkraftanlagen der Offshore-Parks warten." Beispiele für weitere Projekte 2011 sind mehrere hundert Bäder im Krankenhausbau von Herford (Nordrhein-Westfalen) und im Berliner Hotel am Zirkus. Für die Meyer-Werft in Papenburg stattete Deba ein Kreuzfahrtschiff mit besonders luxeriösen Bädern aus. Dinesen: "Aufträge in drei Bereichen werden zukünftig den Schwerpunkt bilden: Schiffbau, Hotels und verstärkt der Gesundheitssektor."
Im Dezember 2010 hatte die Deba den für 2011 anvisierten Jahresumsatz noch mit 18,5 Millionen Euro angegeben. "Wir werden in diesem Jahr knapp 20 Millionen Euro erreichen. Ich halte in Zukunft auch 30 Millionen Euro Jahresumsatz für möglich", so Dinesen. Dazu soll der Export stärker ausgebaut werden, vor allem in die Benelux-Länder.
Henrik Dinesen fühlt sich sehr wohl in Salzwedel, sagt er. Der Däne spricht fast akzentfrei deutsch. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Die Familie lebt in Hamburg. In Salzwedel unterhält er einen Zweitwohnsitz. Er hat bereits im Maschinenbau (Schweiz), in der Möbelproduktion (Dänemark) und in der Baubranche (Deutschland) gearbeitet.
Für ihn ist die Konstruktionsabteilung das Herz der Firma. Und die Mitarbeiter seien ihr wichtigstes Gut. "Auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat lege ich großen Wert." Demnächst feiern alle zusammen eine Weihnachtsfeier. Mit dem Novembergehalt haben die Deba-Mitarbeiter ein Weihnachtsgeld überwiesen bekommen - ein Viertel des Monatsgehaltes. Und einen Weihnachtsbaum im Foyer haben sie jetzt ebenfalls.