Verfassungsschützer beobachten im Land den Abstieg der Partei in die Bedeutungslosigkeit. Von Matthias Fricke NPD: Zwischen Geldnot und drohendem Verbot
Noch arbeitet Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz an seinem Bericht 2012. Doch schon jetzt steht fest: Der Landesverband der NPD verschwindet auch weiter in der Bedeutungslosigkeit. Das Problem der Rechtsradikalen im Land wird nach Ansicht von Experten dadurch aber nicht gelöst.
Magdeburg l Der Bundesrat will nach zehn Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD einleiten. Von den 16 Ländern hatte sich nur Hessen bei der Abstimmung im Dezember 2012 der Stimme enthalten, weil dem Land die Risiken des Scheiterns zu hoch sind. Der Rest geht davon aus, dass die Partei verfassungswidrig ist und auch der geistige Nährboden für die Morde der Terrorzelle NSU war.
Doch wo steht die NPD in Sachsen-Anhalt? Dem Landesverband der NPD fehlen Mitglieder. Die Protagonisten wenden sich immer mehr ab.
Jochen Hollmann, Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium sagt es so: "Die Partei in Sachsen-Anhalt ist kaum noch wahrnehmbar. Nachdem die Blase mit 4,6 Prozent im Jahr 2011 zur Landtagswahl geplatzt ist, gibt es kaum noch Aktivitäten."
Mit der fehlenden politischen Bühne verschwanden auch die Karrieristen in den vergangenen beiden Jahren.
Matthias Gärtner, zum Beispiel. Einst für die NPD in den Magdeburger Stadtrat gewählt, wurde es nach der Pleite zur Landtagswahl immer stiller.
Der redegewandte "Agitator" seiner Partei trat ohne Nennung von Gründen gegenüber seinen bisherigen Mitstreitern aus der NPD aus und besucht nun als "Parteiloser" und sehr selten die Sitzungen.
Der NPD-Vorstand zeigt sich darüber ganz und gar nicht glücklich. Pressesprecher des Landesverbandes Michael Grunzel raunzt auf die Personalie angesprochen: "Einen Grund hat er uns leider nicht genannt."
Auch Michael Schäfer, bis zum vergangenen Jahr noch Vorsitzender der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), tritt nun weit ruhiger auf, als noch 2011. Als Stadtratsmitglied in Wernigerode und Abgeordneter im Kreistag des Harzes für die NPD hatte Schäfer anfangs noch mit einer Flut von Anträgen politisch auf sich aufmerksam machen wollen. Inzwischen nimmt er wohl nicht mal mehr regelmäßig an den Sitzungen teil. Das sind nur zwei von einigen Beispielen.
"Die NPD taugt für die rechtsradikalen Kräfte offensichtlich nicht mehr als große Bühne", ist auch Verfassungsschützer Jochen Hollmann überzeugt.
Der Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus im Verein Miteinander, David Begrich, sieht den Landesverband der NPD inzwischen sogar "auf einem Stand, den er Mitte der 90er Jahre hatte".
Landesvorsitzender ist jetzt Peter Walde, ein zu DDR-Zeiten studierter Gesellschaftswissenschaftler. Ein Mann aus der zweiten Reihe, der erst Mitglied der SED, dann Landeschef der Republikanischen Partei (REP) und später DVU-Mitglied wurde. Nach der Vereinigung der Partei mit der NPD hatte Walde zur Landtagswahl 2011 Listenplatz 12, von insgesamt 19. Auch sein Stellvertreter Andreas Karl, gelernter Dachdecker aus dem Burgenland, hatte es gerade mal auf Platz 5 geschafft. Er gehörte übrigens zu denjenigen, die einer eigenen "Exilregierung des Deutschen Reiches" unterstehen wollen. Letztlich wäre da noch der bisher recht unbekannte Stefan Paasche, gebürtiger Schönebecker, der seine NPD-Karriere eher in Sachsen führte. Nun ist er Vizechef in Sachsen-Anhalt.
Neben der personellen Flaute droht der NPD in Sachsen-Anhalt auch ein finanzielles Aus. Immer noch resultierend aus der Materialschlacht zur Landtagswahl 2011, drücken noch Ausstände.
NPD-Sprecher Michael Grunzel formuliert es gegenüber der Volksstimme so: "Der Landesverband steht vor keiner Pleite. Wir haben Schwierigkeiten, das stimmt, und müssen jeden Euro zweimal umdrehen." Bei kleinen Parteien sei dies aber nun mal so.
Dabei erhielt die NPD auch staatliche Unterstützung. Rund 23000 Euro waren es nach der verlorenen Landtagswahl. Die andere Hälfte der rund 46000 Euro Einnahmen bestehen zu 20 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen und zu weiteren 30 Prozent aus Spenden.
Grunzel sieht sich, wie viele seiner rechten Gesinnungsgenossen, in der Opferrolle. Er dreht den Spieß sogar um und meint, dass er ein "Verfolgter von den Politikern und den Systemmedien ist". Dass die NPD in Sachsen-Anhalt nur 250 Mitglieder habe, bestätigt Grunzel. Auch wenn er sonst den Verfassungsschutzbericht als "Ansammlung von Lügen und Halbwahrheiten" bezeichnet. Trotzdem widerspricht er auch nicht der Erkenntnis, dass die Kreisverbände auf elf geschrumpft sind. So wie es der "Lügen-Bericht" offensichtlich dann doch richtig wiedergibt.
Der NPD-Sprecher kündigte sogar eine Aufteilung des noch bestehenden Kreisvberbandes Börde auf die umliegenden Einheiten an. Michael Grunzel: "Solche Zusammenlegungen gibt es überall im Land. Auch wir müssen uns eben einer Kreisgebietsreform unterziehen."
Zu der vom Verfassungsschutz ermittelten Tatsache, dass die Jugendorganisation der NPD - die Jungen Nationaldemokraten (JN) - auf nur noch drei Stützpunkte im Land zusammengeschrumpft ist, meint Grunzel: "Das sind ja nur die offiziellen Stützpunkte, das heißt aber nicht, dass wir da nicht noch weitere haben."
Für den Rechtsextremismusexperten David Begrich ist genau dies der Kern. "Nicht die NPD ist das Problem, sondern der Resonanzraum der Neonazis. Ein Verbotsverfahren wäre wie ein Placebo", warnt er.
Es seien die Freien Kräfte und Kameradschaften, die diese Partei oder auch die JN schon längst nicht mehr als Bindeglied oder Sprachrohr benötigen. "Der Neonazi-Flügel in der NPD hat sich ohnehin abgewandt", sagt Begrich. Wie groß der Einfluss der Kameradschaften und Freien Kräfte ist, zeigen die selbst organisierten Aufmärsche der Neonazis jedes Jahr zum 16. Januar in Magdeburg. Die Rechtsradikalen reisen dazu aus dem gesamten Bundesgebiet an. Dieses Jahr werden auch nach Verfassungsschutz-Erkenntnissen wieder mehr als 1200 Neonazis zu dem Aufmarsch erwartet.
Laut Verfassungsschutzbericht gab es mit Stand 2011 in Sachsen-Anhalt 290 Neonazis, 760 gewaltbereite Rechtsextremisten und 40 Personen in sonstigen Zusammenschlüssen. Im Bericht heißt es: Im Laufe der letzten Jahre bewegten sich die subkulturell geprägte und die neonazistische Szene aufeinander zu, so dass Mischszenen entstanden.
Die Ursachen liegen in den offenen Strukturen der Neonazis, die oftmals in unabhängigen Kameradschaften agieren und somit der Organisationsunwilligkeit vieler Rechtsradikaler entgegenkommt. Seite 5