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Oldtimer Ein Stendaler und seine Liebe zu alten Autos

Alte Autos sind die Leidenschaft von Jörg Punzel aus Stendal. Seine Liebe zu Oldtimern rostet nicht.

Von Donald Lyko 01.12.2019, 01:00

Stendal l Wenn Jörg Punzel über die Anfänge seiner Leidenschaft für Motorräder und Autos erzählt, geht er ganz an den Beginn seiner Biografie und noch ein ganzes Stück weiter. Er berichtet über seine Mutter, eine gebürtige Altmärkerin, die schon 1931 als 18-Jährige die Fahrschule besucht hat. Er berichtet darüber, wie sie auf einem Victoria-Motorrad von Delitzsch in die Altmark gefahren ist. In Delitzsch arbeitete ihr Verlobter und späterer Mann, ein Berliner, als Lehrer. „Ich habe diese Leidenschaft für das Motorisierte also schon mit der Muttermilch aufgesogen“, sagt der heute 77-Jährige. Geboren wurde er in Leipzig, aufgewachsen ist er in den altmärkischen Orten Nahrstedt, Insel und Tornau. Seit Jahrzehnten ist er in Stendal zu Hause.

„Technik hat mich schon immer interessiert“, sagt Jörg Punzel. Beruflich ist er darum den Weg zum Wasserbau-Ingenieur und anschließend Tiefbau-Ingenieur gegangen. Privat haben es ihm Oldtimer angetan – die mit zwei und mit vier Rädern. Was sie alle eint: Zu jedem Fahrzeug gibt es eine Geschichte. Die seines ersten Autos spielt im Jahr 1966. Von einem ehemaligen BRD-Bürger, der in die DDR umgesiedelt war, kaufte er einen VW Käfer Baujahr 1956. Weil es Probleme mit dem Getriebe gab, das Schalten recht kompliziert und die Trabant-Bestellung gerade dran war, verkaufte Punzel den Käfer recht bald weiter an einen Musiker aus Berlin. Heute sagt er: „Ich hätte ihn gern noch, dieses Modell steht wieder hoch im Kurs.“ Denn heute ist dieser Käfer ein Oldtimer, damals war er es noch nicht.

Darum fängt Jörg Punzels Geschichte als Oldtimer-Liebhaber mit einem Hanomag Rekord Baujahr 1928 an, den er „als junger Bengel noch vor dem Studium“ aus Tangerhütte geholt hatte. „Mit dem Auto habe ich sehr viel Spaß gehabt. Es hat meine Liebe zu alten Fahrzeugen so richtig geweckt“, sagt der 77-Jährige. Später hatte es ihm der Golf 1 angetan. „10 000 davon wurden ex­tra gebaut, um das Stadtbild von Ostberlin internationaler zu machen.“

Er gab eine Annonce in der „Neuen Zeit“ auf. Ein Verkäufer meldete sich. Als Treffpunkt wurde vormittags um 10 Uhr in der Tiefgarage des Hauses des Lehrers am Berliner Alex vereinbart. „Als ich ankam, standen dort ein manilagrüner Golf und eine Frau im Trenchcoat.“ Dass er zur Übergabe 28.000 Ostmark in einer Einkaufstüte dabei hatte, lässt ihn bei seinen Erinnerungen immer wieder an eine Szene aus Agententhrillern denken. „Der ganze Vorgang hat zehn Minuten gedauert.“ Aber es hat sich gelohnt. „Der Golf hat mir gute Dienste geleistet.“

Die nächste Geschichte führt nach Lüderitz, heute ein Ortsteil von Tangerhütte. Auf dem Hof eines Freundes, in einem Schrotthaufen, entdeckte Jörg Punzel 1982 eine Phänomen Bob mit Sachs-Motor aus den 1930er Jahren. Die wieder herzurichten, ohne Internet zur Teilesuche und „unter DDR-Bedingungen, das war eine absolute Herausforderung. Da musste ich vieles selbst nachbauen und suchen.“ Das war so bei der Phänomen, das war aber auch bei den folgenden Oldtimern so, denen Jörg Punzel ein neues Leben auf der Straße gab. Darum habe es den richtigen Startschuss für ihn als „Schrauber“ erst nach der Wende gegeben, als die Märkte für Ersatzteile bundesweit erreichbar waren.

Zurück zur Phänomen, an der alles gemacht werden musste. „Aber ich hatte ja Zeit. Das ist ein Hobby, da setzt man sich nicht unter Zeitdruck“, sagt der Stendaler und nennt als Beispiel seinen Sohn Christian, der sieben Jahre lang an einem Porsche-Oldtimer gearbeitet hat. Die Oldtimer-Leidenschaft teilt mittlerweile die ganze Familie, bei Ausfahrten und Tageswettbewerben hat Jörg Punzel immer seine Frau Angelika auf dem Beifahrersitz an seiner Seite. „Darum habe ich auch vom Motorrad zum Auto gewechselt, wir wollten dieses Hobby als Familienspaß.“ Selbst der Enkel hilft schon gern mit.

Die Phänomen hatte er nicht für den täglichen Gebrauch wieder fahrtauglich gemacht, sondern als „Spaßfahrzeug“. Heute steht dieses Motorrad in der Nordwall Classic Garage am Stendaler Nordwall. Dort hat der gleichnamige Verein seit 2012 aus einer alten Husaren-Reit- und späteren Sporthalle ein lebendiges Fahrzeugmuseum gemacht. Der sehr aktive Verein, zu dessen Vorstand Jörg Punzel gehört, war in den vergangenen Jahren schon mehrfach Ausrichter von ADAC-Oldtimer-Rallyes für Motorräder und in diesem Jahr erstmals für Autos. „Unsere Halle ist schon ein bisschen einmalig und deutschlandweit gut bekannt.“

Im Laufe der Jahre hatte der Stendaler viele Fahrzeuge in seiner heimischen Werkstatt, die Liste reicht vom VW Käfer über eine AWO Sport 425, ein Wanderer-Motorrad bis zum IFA F 9. Ein kniffliger Fall war ein DKW F12 Roadster, erstzugelassen 1965 in New York, den er aus Eberswalde geholt hat „und den ich als DDR-Bürger noch nie gesehen hatte“. Der Vorbesitzer hatte schon mit der Restaurierung des Autos begonnen und das Fahrzeug komplett zerlegt. So übernahm es Jörg Punzel. Doch auch diese Herausforderung schreckte ihn nicht ab, im Internet besorgte er sich Baupläne und Werkstattlektüre, fragte andere Oldtimerfreunde, fand in Verden an der Aller einen kompletten Motor in Originalverpackung, ging das Vorhaben in Ruhe an. Getreu seinem Motto: „Man darf sich nicht unter Druck setzen.“

Dass jede Restaurierung damit beginnt, alles zu demontieren, weiß er. „Für einen Nichtfachmann ist es wichtig, jeden einzelnen Gang der Demontage zu fotografieren. Anhand der Fotos arbeite ich dann bei der Montage wieder rückwärts“, erklärt der Stendaler. Und wenn er doch mal Hilfe benötigt, gibt es dank des Vereins und eines großen Oldtimer-Fan-Netzwerkes ausreichend Kontakte. Begleitend recherchiert er viel, will möglichst alles über die Geschichte dieses ganz konkreten Fahrzeuges wissen. „Es besteht immer eine persönliche Beziehung zu einem Oldtimer, darum bemühe ich mich, dessen Geschichte aufzuschreiben.“

Und noch eine Geschichte hat der 77-Jährige parat. Es ist die eines DKW 1000 SP. Als Student hatte er den zweisitzigen Sportwagen auf Westberlins Straßen gesehen, hatte sich an Autohaus-Scheiben die Nase platt gedrückt. „Das war für mich das Auto. Schöne Autos haben mich schon damals interessiert.“

Als bekennender Elvis-Presley-Fan war er von diesem „Thunderbird-Verschnitt“ richtig angetan. Mit dem Wunsch, einmal selbst diesen Autotyp zu fahren, trat er am 11. August 1961 eine Sonderheimfahrt an – zwei Tage später stand die Berliner Mauer, dahinter verschwanden die DKW 1000 SP. Viele Jahre nach der Wende konnte er sich mit Hilfe eines Berliner Freundes seinen Studententraum erfüllen und sein Traumauto kaufen. Das stand in einer Fahrzeughalle in Berlin-Teltow und war als Ersatzteilspender schon jemandem versprochen. Punzel stimmte den Verkäufer um, drei Tage später wurde der DKW 1000 SP nach Stendal geholt. Seit 2017 erstrahlt er in neuem Glanz. Heute nimmt Jörg Punzel damit an Rallyes teil.

Denn neben aller Freude am Werkeln und Schrauben sagt er über sich: „Ich zähle zu den Oldtimer-Freunden, die fahren wollen. Das macht Spaß.“ Er gehöre nicht zu denen, die ihre Oldtimer in Vitrinen stellen. Denn das Gefühl, mit diesen historischen Maschinen unterwegs zu sein, möchte er nicht missen. „Wer Oldtimer fährt, will bewusst genießen. Und es wird schnell klar, mit wie wenig Technik man auskommen kann.“

Für ihn steht fest: „Ich will jeden Tag genießen, an dem ich noch fahren kann.“ Einige Termine für das kommende Jahr stehen schon im Kalender. Unter anderem ist er eingeladen zur Oldtimer-Rallye auf dem Nürburgring. „Gegen Langeweile ist gesorgt.“ Auch jetzt in den Herbst- und Wintermonaten, wenn es wieder öfter in die Werkstatt geht. Ein bisschen mehr Zeit hat er mittlerweile für sein Hobby, denn seine Straßen- und Kanalbaufirma hat Jörg Punzel an Sohn Christian übergeben, arbeitet aber immer noch mit.

Derzeit schraubt Jörg Punzel an einem NSU Wankel Spider, dem ersten Modell, das mit einem Wankel-Motor gebaut wurde. Im November 2018 hat er das Auto in seine Werkstatt geholt. „Der Motor stand seit 1977, ist aber auf Anhieb angesprungen“, freut sich der Stendaler über den Wankel-Motor, der schnell von Diesel- und Ottomotoren verdrängt worden war. Punzel ist sich aber sicher: „Der Wankelmotor ist nicht tot.“ Privat fährt er einen 22 Jahre alten Jaguar. Einen Jaguar E-Typ zu fahren, „das wäre noch ein Traum“.

Die Nordwall Classic Garage Stendal öffnet für Besucher nach vorheriger Absprache oder Anmeldung. Ein Kontaktformular für die Anmeldung und Nummern von Ansprechpartnern gibt es hier.