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Opferberatung Gewalt immer öfter rassistisch motiviert

2017 hat die Opferberatung weniger rechte Gewalt in Sachsen-Anhalt registriert. Doch der Anteil rassistisch motivierter Gewalttaten steigt.

14.03.2018, 09:55

Magdeburg (dpa) l Rechte Gewalt ist in Sachsen-Anhalt immer häufiger rassistisch motiviert. Im vergangenen Jahr ließen sich rund drei Viertel der von der Mobilen Opferberatung registrierten Angriffe auf diese Ursache zurückführen. "Das ist die Spitze des Berges an Alltagsrassismus", sagte die Sprecherin der Opferberatung, Antje Arndt. Während vor einigen Jahren noch politische Gegner die Hauptgruppe der Opfer ausmachten, liege inzwischen mit Abstand rassistisch motivierte Gewalt an der Spitze.

Absolut gesehen gab es 2017 weniger rechte Gewalttaten. Die Zahl der Angriffe sank um rund ein Viertel auf 198, wie die Opferberatung am Mittwoch mitteilte. 291 Menschen waren demnach von rechter Gewalt betroffen, im Vorjahr waren es noch 401 Menschen gewesen. Aus Sicht der Opferberatung gibt es trotz des Rückgangs keinen Grund zur Entwarnung – es handle sich um die dritthöchste Zahl rechter Gewalt in den vergangenen zehn Jahren. Von 2014 auf 2015 hätten sich die Zahlen nahezu verdoppelt.

Arndt beklagte, Rassismus werde in der Gesellschaft immer salonfähiger. Die Politik müsse sich klar auf die Seite der Opfer stellen, es fehle an einer klaren Solidarisierung. "Stattdessen macht sich der Staat zum Mittäter durch immer weitere Asyl- und Aufenthaltsrechtsverschärfungen, rücksichtslose Abschiebungen und bewusste Desintegration von Geflüchteten", sagte Arndt.

Politiker müssten sich sehr genau überlegen, welche Thesen sie in der Öffentlichkeit vertreten. Wähler binde man nicht an sich, indem man ein immer härteres Vorgehen fordere. Wichtig sei, Opfer rassistischer Gewalt wirksam zu schützen. Flüchtlinge, die hier Opfer von Gewalt wurden, bräuchten eine Bleibeperspektive – doch dazu fehle der politische Wille. "Sie werden erst zusammengeschlagen und dann will der Staat sie loswerden", sagte Arndt.

Bei den meisten von der Opferberatung dokumentierten Angriffen handelte es sich um Körperverletzungen. 79 Fälle von gefährlicher Körperverletzungen wurden gezählt. Es gab zwei Brandstiftungen, einen Raub und einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, zudem wurden Sachbeschädigungen und Bedrohungen erfasst. Am häufigsten fanden die Angriffe in den Großstädten Halle und Magdeburg statt. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es 2017 keine versuchten Tötungen.

Eine Zunahme stellte die Opferberatung bei antisemitischen Gewalttaten fest, auch wenn die absoluten Zahlen eher gering sind. In diesem Bereich gab es neun Körperverletzungen gegen 17 Betroffene – in den Vorjahren waren es den Angaben zufolge nur ein bis drei Angriffe pro Jahr.

Auch Kinder wurden Opfer rechter Gewalt, 35 Angriffe wurden gezählt. Hinzu kämen Fälle, in denen Kinder mit ansehen mussten, wie ihre Eltern zusammengeschlagen wurden, sagte Arndt. Die Kinder seien deshalb völlig verängstigt und litten unter den Folgen. Auf einem Spielplatz in Halle-Neustadt sei zum Beispiel eine schwarze Frau vor den Augen und Schreien ihrer eineinhalb und vier Jahre alten Kinder rassistisch beschimpft und zu Boden getreten worden.

Die Mobile Opferberatung unterstützt seit 2001 Betroffene politisch rechts motivierter Gewalt in Sachsen-Anhalt. Es gibt drei Anlaufstellen in Salzwedel, Magdeburg und Halle. Beratungen finden auf Wunsch aber auch direkt bei den Betroffenen statt, auch in anderen Landkreisen und Städten.