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Kompetenzzentrum Frühkindliche Bildung erhält mehr Personal / Neuer Studiengang startet im kommenden Jahr / Investitionen in Höhe von 1,5 Millionen Euro Pilotprojekt in Stendal: Ausbildung für Kita-Mitarbeiter wird akademisch

Von Thomas Pusch 22.06.2012, 05:15

Stendal l Wann hört das Lernen auf? Nach dem Konzept des lebenslangen Lernens niemals. Und wann fängt das Lernen an? "Strenggenommen mit der Geburt", sagt Professor Wolfgang Maiers, Dekan des Fachbereiches Angewandte Humanwissenschaften der Fachhochschule Magdeburg-Stendal. Diese Erkenntnis ist Grundlage des Kompetenzzentrums Frühkindliche Bildung in Stendal. Dort sollen die Erzieherinnen darauf vorbereitet werden, die "Turbolerner" zu unterstützen.

Mit dem bereits laufenden Studiengang für Kita-Leiterinnen ist der erste Schritt bereits getan, im kommenden Jahr soll der Studiengang für die regulären Mitarbeiter folgen. "In den meisten EU-Ländern ist diese Ausbildung bereits akademisch", erklärte Maiers. Eine Alternative zum hochschulischen Ausbildungsweg sieht er nicht.

Forschungsvorhaben

Vor allem wird das Kompetenzzentrum Forschung betreiben, da es in Deutschland nur sehr wenige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Wirkung verschiedener Bildungs- und Betreuungsformen gibt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Bild über Kinderbetreuung tiefgreifend gewandelt. Die Überzeugung etwa, dass Kinder erst ab drei Jahren in eine Einrichtung gegeben werden sollten, weil sie vorher mit den anderen Kindern dort nichts anfangen können, ist überholt. "Es ist sogar sehr wichtig, dass sie sich mit Gleichaltrigen auch schon in dieser Phase auseinandersetzen", betonte der Dekan. Und nannte ein einfaches Beispiel. Wenn ein Zweijähriger ein Bild malt und es einem Erwachsenen zeigt, wird er wohl nur Lob ernten. Die anderen Mädchen und Jungen in der Krippe reagieren aber nicht unbedingt so. "Und damit lernt das Kind früh, sich zu behaupten", fasste Maiers zusammen.

Auch ist mittlerweile erwiesen, dass die Eltern nichts an ihrer Bedeutung für das Kind einbüßen, auch wenn es schon sehr früh für ein paar Stunden in eine Einrichtung geht. "Die Eltern bleiben die Hauptbezugsperson, das steht fest", bekräftigte der Psychologe.

Kinder sollen selbständig und aktiv ihren eigenen Weg auf Entdeckungsreise ihrer Umwelt gehen können. Dabei werden sie Fehler machen, doch dafür muss ihnen Zeit und Raum gegeben werden. Die Kleinen wollen Erfahrungen aus erster Hand machen, um die aus zweiter Hand zu bestätigen. "Die heiße Herdplatte ist dabei kein schlechtes Beispiel", meinte Dr. Frauke Mingerzahn. Ein kleines Kind weiß mit dem Begriff "heiß" noch nichts anzufangen, wird sich vom Anfassen also kaum abhalten lassen. "Dann ist es nur wichtig, dass die Platte nicht zu heiß ist, damit bei dem Kind nicht hängenbleibt, dass neue Erfahrungen gleich Schmerzen bedeuten", fügte Maiers hinzu.

Um die Kleinen auf ihrem Balanceakt zwischen Neugier und Vorsicht nach bestem Kenntnisstand begleiten zu können, erfordere es eben die akademische Ausbildung. Doch bei geplant 50 Studienanfängern jährlich ist es klar, dass die Akademisierung der Erzieherinnen und Erzieher ein langer Prozess wird. "Auf lange Zeit wird es noch ein Nebeneinander von Hoch- und Fachschule geben", ist Maiers überzeugt. Es soll aber auch die Möglichkeit zum Wechsel in Richtung Hochschule geschaffen werden.

Koordinierung

Die Zusammenarbeit der beiden Zweige zu koordinieren, ist eine weitere Aufgabe des Kompetenzzentrums. Dazu kommen die wissenschaftliche Beratung und Begleitung in der Praxis, die Beratung von Politikern und nicht zuletzt das Erstellen von Konzepten zur Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die Vorbereitung ist im Gange.

"Mit dem derzeitigen Personal wäre die Umsetzung des Zentrums nicht möglich gewesen", sagte Maiers. So wurden bereits zwei Stellen für Wissenschaftliche Mitarbeiter ausgeschrieben. Sie sollen aus dem Bereich Erziehungswissenschaften, Psychologie oder einer ähnlichen Fakultät kommen. Zudem werden zwei Professoren für den neuen Studiengang gesucht. Es wird der erste seiner Art in Sachsen-Anhalt sein. Und Professor Maiers blickt auch über den Tellerrand: "Damit sind wir auch bundesweit sehr gut aufgestellt."

Insgesamt werden über fünf Jahre rund 1,5 Millionen Euro investiert.