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Polizeiwettkampf Zum Gipfelsturm nach Los Angeles

Sachsen-Anhalter Polizisten und Feuerwehrleute behaupten sich gegen die Weltelite in Los Angeles (USA).

Von Annette Schneider-Solis 19.08.2017, 15:21

Los Angeles l Die Sonne brennt unerbittlich. Regen gibt es im Süden Kaliforniens so gut wie nie. Wer irgendwie kann, sucht sich ein schattiges Plätzchen. Auch Jörg Sparenberg tut das. Er ist unter eine provisorisch als Sonnenschutz aufgestellte Zeltplane geflüchtet. An diesem ersten Wettkampftag muss er nicht selbst antreten. Der Polizist vom Landeskriminalamt ist heute als Begleiter mit zur Leichtathletikanlage einer Highschool gekommen. Später wird er Goldmedaillen hamstern – im Hochsprung, im Weitsprung, über 4x100 Meter. Eine Bronzene im Treppenlauf. Der Jesse Owens von Sachsen-Anhalt wird er respektvoll von seinen Mannschaftskameraden genannt.

René Schneider vom Technischen Polizeiamt ist einer der Dienstältesten in der 17-köpfigen Mannschaft aus Sachsen-Anhalt, die an den Police and Fire Games, den Weltsportspielen der Polizei und Feuerwehr, teilnimmt. 2005 ging er zum ersten Mal an den Start und seitdem bis auf eine krankheitsbedingte Zwangspause immer wieder.

1985 wurden die Spiele zum ersten Mal in San Jose, USA, ausgetragen – als sportlicher Wettstreit zwischen Polizisten, Feuerwehrleuten, Mitarbeitern von Zoll und Justiz weltweit. Seither alle zwei Jahre. Mit rund 10 000 teilnehmenden Athleten sind sie das zweitgrößte Sportereignis nach den Olympischen Sommerspielen. 1995 reisten erstmals Sportler aus Sachsen-Anhalt zu den Spielen nach Melbourne in Australien. Vier Magdeburger Feuerwehrleute und ein Polizist waren begeistert und steckten andere an. Seither ist Sachsen-Anhalt immer vertreten.

Es ist nicht nur der sportliche Wettstreit, der René Schneider und die anderen Sportbesessenen immer wieder antreten lässt. Es ist auch das Flair, der Austausch mit Kollegen aus aller Welt. Probesitzen auf einem Polizeimotorrad, Fotoshooting in einem Truck der Feuerwehr, fachsimpeln mit den knallharten Cops der Spezialeinheit SWAT, vergleichbar mit dem Spezialeinsatzkommando hierzulande. Die Polizei schickt ihre Sheriffs hoch zu Ross zur Eröffnungsfeier im Olympiastadion. Ganz unkompliziert kommt René Schneider kurz vor seinem Start zum Gehen über 5000 Meter mit zwei Kollegen aus Lettland ins Gespräch. Die freuen sich, dass ein deutscher Polizist Russisch mit ihnen spricht. „Einer der beiden Letten tritt gleich gegen mich im Gehen an“, sagt der 46-Jährige aus dem Jerichower Land und gibt dem Konkurrenten sogar noch ein paar Tipps.

René Schneider ist der Kopf der Mannschaft, der diesmal Polizisten von der Bereitschaftspolizei, dem Landeskriminalamt, dem Technischen Polizeiamt (TPA) und den Polizeidirektionen Nord sowie Süd angehören. „Wir sind stolz darauf, dass Sachsen-Anhalt immer eine der zahlenmäßig stärksten deutschen Mannschaften stellt“, erzählt René und verweist auch auf die Medaillen, die die Sportler immer wieder holen. Auch diesmal steht das ehrgeizige Ziel: Sachsen-Anhalt soll die erfolgreichste Mannschaft aus Deutschland werden.

Den Stolz, ihr Bundesland zu vertreten, spürt man schon am Vortag bei der Eröffnung. Die Sachsen-Anhalter marschieren mit der schwarz-gelben Landesfahne, einer Magdeburg- und einer Halle-Flagge in das Olympia-Stadion von 1932 und 1984 ein. Getoppt wird ihre gute Stimmung nur, als die vielköpfige französische Mannschaft in den Katakomben des Stadions lautstark die Marseillaise anstimmte.

Das Land unterstützt die Starter mit ein paar Tagen Sonderurlaub, und die Glückwünsche vom Ministerpräsidenten und dem Innenminister auf der Facebookseite der Mannschaft kommen gut an. Dennoch bezahlen die Sportler die Reisekosten als auch die üppigen Startgelder komplett aus eigener Tasche „Ich darf gar nicht nachrechnen“, gesteht René Schneider, der neben dem Gehen auch den Halbmarathon, den 5000-Meter-Lauf und den Treppenlauf angehen will. „Das ist die Königsdisziplin der amerikanischen Feuerwehrleute. Da wollen wir sie zu Hause angreifen!“ Das wird alles andere als leicht, denn es sind 62 Etagen zu bezwingen, die auch noch höher sind als die in Deutschland und dort eher 80 Stockwerken entsprechen. „Das AON-Center in Los Angeles ist 262 Meter hoch.“ Trainieren lässt sich das nicht optimal, denn Magdeburg und Halle haben gerade mal rund 20 Etagen zu bieten. Während René Schneider im Stadion noch auf seinen Start wartet, sind Werner Zabel vom Polizeirevier Halle und sein Kollege Thomas Weber schon im Ziel. Mit dem 4. beziehungsweise 10. Platz im Geländelauf über fünf und zehn Kilometer sind die beiden Debütanten zufrieden.

Einige Kilometer weiter kämpft Torsten Thiedke von der Wasserschutzpolizei in Havelberg um Punkte. Auch er ist zum ersten Mal dabei und hat sich gleich einen der anstrengendsten Wettbewerbe überhaupt ausgesucht – den TCA. Das steht für Toughest Competitor Alive, bei dem der härteste Wettkämpfer dieser Spiele gesucht wird. Hier sind die Spanier stark vertreten, aber auch die US-Amerikaner und Kanadier. Der Schwimmer aus Havelberg hat im Geländelauf über fünf Kilometer vorgelegt. Nach Schwimmen, Sprint und Kugelstoßen liegt er auf einem sehr guten 3. Platz. Bankdrücken, Seilklettern und Klimmzüge dürfen in der kühlen Sporthalle absolviert werden, doch es sind nicht die Schokoladendisziplinen des Havelbergers. Vor dem abschließenden Hindernisparcours liegt er auf Platz 5. Noch einmal sind Kraft und Schnelligkeit gefragt. Als Debütant darf sich Torsten Tiedke am Ende über Platz 4 freuen – ein riesiger Erfolg. „Jetzt weiß ich, welche Disziplinen ich üben muss“, resümiert er am frühen Abend. Vielleicht für die nächsten Spiele im chinesischen Chengdu.

Inzwischen ist René Schneider über 5000 Meter zu Gold gegangen. Es ist die erste Medaille, der viele weitere folgen sollen: Tashina Steffan von der Bereitschaftspolizei holt Gold im Bankdrücken, Bodo Zachow vom LKA Gold im Speerwerfen, Jörg Sparenberg sammelt Gold im Hoch- und Weitsprung und mit der Staffel über viermal 100 Meter, die Männerstaffel im Halbmarathon läuft als Drittbeste ins Ziel.

Schließlich wartet noch das 262 Meter hohe Hochhaus. Es soll der Höhepunkt für das Team aus Sachsen-Anhalt werden. Die Stimmung ist gut, als sich die Starter zu nachtschlafender Zeit am Fuße des Gebäudes treffen. Der Blick die verglaste Fassade hinauf flößt Respekt ein. Stufe um Stufe will erklommen sein, und mit zunehmender Höhe wird es immer schwerer. Doch dann wachsen sie alle über sich hinaus: die Frauen kommen in der offenen Altersklasse mit der besten Teamleistung oben an, die Männer erkämpfen in der Altersklasse 40+ die Goldmedaille hinter Russland und Belgien, und im gemischten Team wird es noch einmal ein vierter Platz. Torsten Thiedke bezwingt die 62 Etagen als bester Sachsen-Anhalter in 11.41 Minuten. „Das war eine grandiose Leistung“, jubelt René Schneider, als er völlig ausgepumpt nach gut zwölf Minuten auf dem Dach ankommt. Nach dem Warten auf die Wertung steht es dann fest: Es ist eine Medaille geworden.