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ProzessReichsbürger beschimpft Gericht

Im Prozess gegen Reichsbürger Adrian Ursache hat der Angeklagte das Gericht beschimpft. Polizeivideos ließen die Zuschauer erschauern.

11.10.2017, 10:25

Halle (dpa) l Im Prozess gegen einen sogenannten Reichsbürger wegen versuchten Mordes an einem Polizisten hat die Ehefrau den Angeklagten als friedlich beschrieben. Gewalt sei nie ein Thema gewesen, sagte die 39-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht in Halle. Von der Existenz einer Waffe in ihrem Haus habe sie nichts gewusst. Das Paar hatte sich vor 17 Jahren kennengelernt. Ihr Mann, Adrian Ursache, war 1998 "Mister Germany". Mit seinen politischen Ansichten habe sie sich nie beschäftigt. Dies habe er respektiert.

Detailliert schilderte die schwarz gekleidete blonde Frau – die im Jahr 2000 zur "Miss Germany" gewählt worden war – dem Gericht am zweiten Verhandlungstag die Ereignisse vom Morgen des 25. August 2016: Damals rückte das SEK auf ihrem Grundstück in Reuden (Burgenlandkreis) sowie auf das ihrer Eltern nebenan an. Dabei kam es zu einer Schießerei. Ursache soll ohne Vorwarnung auf einen SEK-Beamten geschossen und dabei auf den Kopf des Polizisten gezielt haben.

Der Beamte wurde verletzt, ebenso der Angeklagte. "Es war furchtbar, schrecklich. Ich habe nur Maskierte gesehen, mein Mann lag in einer Blutlache", sagte die Frau des Angeklagten.

Anlass des SEK-Einsatzes war laut Staatsanwaltschaft der Schutz des Gerichtsvollziehers. Hintergrund war die Zwangsräumung von Ursaches Hausgrundstück. Nach Angaben von Ursache, gelernter KfZ-Meister und Selbstständiger in der Solarbranche, waren 140.000 Euro Schulden zusammengekommen. Er habe sie per Schuldschein begleichen wollen.

Nach eigenen Angaben hatte er auf seinem Grundstück seinen eigenen Staat mit der Bezeichnung "Ur" gegründet. Unterstützer von ihm hatten angesichts der anstehenden Zwangsräumung auf dem Gelände in Zelten übernachtet. Der Angeklagte sagte, dass er nur sein Eigentum und die Familie vor der Polizei habe schützen wollen. "Ich bin nicht geistesgestört, ich weiß, was ich tue." Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gehört der 42-Jährige der Reichsbürgerbewegung an. Mitglieder dieser Bewegung erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an.

Sie sprechen Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Die Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Herbst 2016 hatte ein "Reichsbürger" in Bayern einen Polizisten erschossen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der "Reichsbürger"-Bewegung rund 10.000 Menschen zu.

Der Angeklagte beschimpfte erneut das Gericht und zweifelte die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung und des Prozesses an. Er stellte einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, der aber als unzulässig abgelehnt wurde. Lautstark beteuerte er, stehend mit Fußfesseln und gestikulierend, seine Unschuld. "Ich habe mein Eigentum verteidigt". Er habe mit seinem Revolver nicht auf die Polizei geschossen, nur gedroht. "Ich stehe für meine Familie ein, egal was passiert, ich bin bereit für meine Familie zu sterben".

Im Landgericht wurden Polizeivideos vom Einsatz des SEK in den gepflegten Grundstücken und Häusern der Familien in Reuden gezeigt. Es waren Schreie und Schüsse zu hören. Im Gerichtssaal herrschte Totenstille. Maskierte und bewaffnete Polizisten bewachten den Saal im Justizzentrum und das Gebäude.

Die Ehefrau lächelte dem Angeklagten zu und beteuerte gegenüber dem Gericht: "Ich liebe meinen Mann über alles, daran wird sich nichts ändern." Ihr Mann sei ein toller Vater und Ehemann. Die beiden sind nach ihren Angaben seit 2003 verheiratet und haben zwei gemeinsame Söhne.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt und soll bis Ende November dauern.