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Überraschender Personalwechsel an der Führungsspitze der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Quast-Widersacher verlässt Magdeburg

Von Silke Janko 18.08.2011, 06:29

In den monatelangen Querelen um eine mögliche Abberufung des Magdeburger Dompredigers Giselher Quast zeichnet sich möglicherweise eine Wende ab. Sein Widersacher Christian Frühwald, Personalchef der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), verlässt überraschend die Landeskirche.

Magdeburg. Der studierte Theologe Frühwald wird ab 1. November Sprecher des Diakoniekrankenhauses in Rotenburg/Wümme in der Nähe von Bremen, teilte die Kirchenleitung gestern mit. Frühwald, der 2003 aus einem Gemeindepfarramt in Bayern als Personaldezernent in die damalige Kirchenprovinz Sachsen gewechselt war, soll nun Sprecher der Geschäftsführung und Geschäftsführer Personal werden.

Eine Volksstimme-Nachfrage in der EKM-Pressestelle, ob der überraschende Wechsel in einem Zusammenhang mit den Querelen um eine mögliche Abberufung des Magdeburger Dompredigers Giselher Quast steht, verneinte Sprecher Friedemann Kahl. "Herr Frühwald ist seit acht Jahren im Amt. Ein Wechsel ist daher ganz normal." Frühwald selbst erklärte auf Volksstimme-Nachfrage: "Solch ein Angebot konnte ich nicht ablehnen." Die Frage, ob er wegen der Querelen um den Magdeburger Domprediger seinen Posten aufgebe, verneinte er ausdrücklich. Er sei "einer der profiliertesten Theologen" und habe ein "Angebot zu Top-Konditionen" angenommen. Sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Johannes-Schulstiftung, die Träger von acht Schulen ist, will er allerdings weiter ausüben.

Dass Frühwalds überraschender Abgang nichts mit Quast zu tun haben soll, fällt schwer zu glauben. Der Mann aus Bayern hatte maßgeblichen Anteil, dass das Abberufungsverfahren gegen den langjährigen Magdeburger Domprediger in Gang gesetzt wurde. Das Ergebnis steht noch aus - es soll, so heißt es aus der Kirchenleitung, im September vorliegen. Zwischenzeitlich hat sich auch der Gemeindekirchenrat der Domgemeinde für einen Verbleib Quasts auf seiner Pfarrstelle ausgesprochen. Das Wort des ehrenamtlichen Gremiums hat in dem Verfahren großes Gewicht. Nicht mehr auszuschließen ist es, dass das Abberufungsverfahren scheitern könnte.

Was konkret Quast, der die Pfarrstelle am Dom mehr als 30 Jahre innehat und als eine der führenden Figuren der friedlichen Revolution in Magdeburg gilt, konkret vorgeworfen wird, hat die Kirchenleitung nie erklärt. Eine Visitationskommission hatte im Mai 2010 unter der Leitung von Propst Christoph Hackbeil mit dem Gemeindekirchenrat gesprochen. Herauskam, dass Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde nicht geklärt sind. Quast räumte selbst Fehler ein. Eine Abberufung von Quast hatte die Kommission ausdrücklich nicht empfohlen. Zutage trat ein Konflikt zwischen ehrenamtlichem Gemeindekirchenrat und Quast über Fragen der Geschäftsführung und Ausrichtung der Domgemeinde. Offiziell spricht die Kirchenleitung allerdings von einer "Ungedeihlichkeit der Zusammenarbeit". Allein dieser Vorwurf reicht innerhalb des Kirchenrechts aus, um einen Pfarrer aus seinem Amt zu hieven. Die Gemeindemitglieder hatten sich allerdings vehement für Quast eingesetzt – mit einer Menschenkette um den Dom, Unterschriftenaktionen und zahlreichen Briefen auch an Bischöfin Ilse Junkermann.

Frühwald selbst soll bereits im Jahr 2009 intern davon gesprochen haben, dass Quast "weg müsse". Quast musste im September 2010 unter erheblichem Druck innerhalb von 48 Stunden eine Vereinbarung unterschreiben, nach der er seine Pfarrstelle aufgeben und auf eine noch zu schaffende Stelle am Dom, mit erheblich geringeren Kompetenzen, wechseln sollte. Für Quast eine tiefe Demütigung. Als er im Februar 2011 vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht Klage einreichte, musste die Kirchenleitung die Ausschreibung stoppen. Im Juli hatte der Personalchef das Abberufungsverfahren gegen Quast eingeleitet, weil die Grundlage für die Vereinbarung mit der Klage nicht mehr gegeben war, wie er betonte. Bei vielen Gemeindegliedern hatte das wiederum für erheblichen Protest gesorgt. Auch Bischöfin Junkermann drohte Schaden zu nehmen. Sie wurde von vielen Kirchenmitgliedern aufgefordert, sich zu äußern. Frühwald selbst geriet in den letzten Wochen auch in Internet-Foren immer mehr in die Kritik. Der Verein "Hilfsstelle für evangelische Pfarrer" verweist auf Frühwalds Agieren in mindestens zwei weiteren Fällen, in denen er Pfarrer ablösen wollte, er aber vor Kirchengerichten gescheitert war.