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Rechtschreibung Herr Schulminister, bitte zum Diktat!

Bildungsminister Marco Tullner und Michael Bock, stellvertretender Chefredakteur der Volksstimme, trafen sich zum Diktat.

Von Michael Bock 01.08.2018, 01:01

Magdeburg l Da sitzen wir wie anno dazumal, auf einer 100 Jahre alten Schulbank. Den Rücken durchgestreckt, wenig Beinfreiheit. Gemütlich ist das nicht. Sollte es auch nicht sein, damals. Das Kulturhistorische Museum in Magdeburg hat für uns das historische Klassenzimmer geöffnet. Schul- und Kindergartenkinder besuchen oft die spannende Dauerausstellung Schulgeschichte.

Nun also wir. Fertig zum Diktat. Ohne Duden. Ohne Google. Ohne Korrektor. Ganz auf uns allein gestellt. Volksstimme-Kollege Alexander Walter hat einen fiesen Text herausgesucht. Gespickt mit gemeinen Wort-Fallen. Er bittet um leserliche Schrift. Wegen der Korrekturen.

Die erste Hürde. Marco Tullner verrät: „Meine Mutter hat immer gesagt, wenn man von meiner Schrift auf meinen Charakter schließen würde, hätte ich im Leben schlechte Karten." Die Mutter war Deutschlehrerin. Selbst die können mal irren ...

Tullners Pressesprecher darf diktieren. Das macht ihm sichtlich Spaß. Er sitzt oben, wir hocken unten. 143 Wörter umfasst der Test. „Ich hatte in Rechtschreibung meistens eine eins", sagt der Minister und beugt sich konzentriert über das Blatt. Bei mir war es auch so.

Immer wieder stellt sich mir die Frage: Getrennt oder nicht. „Dessen ungeachtet" – die Wörter wurden früher zusammengeschrieben, jetzt nicht mehr. Ich liege daneben, Tullner schreibt es richtig. „Dienstagabend" – früher auseinander, heute zusammen. Diesmal liege ich richtig, Tullner liegt falsch.

Für Menschen, die mit der alten Schreibung aufwuchsen und umlernen mussten, halten Schwierigkeiten teils an. Wie Duden-Sprachberater bestätigen, bezieht sich das zum Beispiel häufig auf die Getrennt- und Zusammenschreibung (etwa: „Dank sagen"/„danksagen") und die Groß- und Kleinschreibung („goldene Hochzeit"/„Goldene Hochzeit").

„Das riesige Regelwerk versteht kein Mensch, es hat nur Verwirrung gestiftet", sagt Linguist Peter Eisenberg der Nachrichtenagentur dpa. Der emeritierte Professor der Uni Potsdam, der 2013 aus dem Rat für deutsche Rechtschreibung ausgetreten ist, hat die Reform von Beginn an kritisiert. Das Thema ist für ihn bis heute nicht vom Tisch. Eisenberg sorgt sich um eine sprunghafte Zunahme der Rechtschreibfehler – nach mehreren Untersuchungen um 30 Prozent bei Schülern, wie er sagt. Bei Fachkollegen und Deutschlehrern beobachtet er große Unsicherheit beim Beurteilen von Fehlern, die Verwirrung werde an Kinder weitergegeben. „Der gesellschaftliche Konsens über das, was in der Rechtschreibung richtig oder nicht richtig ist, ist zerstört worden", sagt Eisenberg. Er lehnt staatliches Eingreifen in die natürliche und kontinuierliche Entwicklung der Schrift ab. „Aber jetzt kriegen wir es wieder – beim Gendern."

Tullner sagt zur Rechtschreibreform: „Der große Wurf war das nicht. Mich hat das eine Zeit lang verunsichert, jetzt habe ich mich aber daran gewöhnt." Im Ministerium lasse er alle seine Texte gegenlesen. Der Hallenser sagt auch: „An einer weiteren Reform haben alle die Lust verloren."

Einiges aus der ursprünglichen Reform hat sich nicht durchgesetzt. Schreibweisen wie Majonäse, Grislibär oder Ketschup blieben unpopulär und landeten auf dem Rechtschreib-Schrottplatz.

Ach ja, im Diktat machte der Minister drei Fehler, der Volksstimme-Redakteur kam auf fünf. Und jetzt lasse ich diesen Text durchs Rechtschreibprogramm laufen ...

Die Jubilarin ist über achtzig, aber dessen ungeachtet im Allgemeinen bei bester Gesundheit. In Bezug auf ihre Hobbys weiß man von Seiten (vonseiten) gut unterrichteter (gutunterrichteter) Kreise zu erzählen, dass sie die hohe Schule des Stepptanzes beherrscht und diese hohe Kunst jeden Dienstagabend ausübt.

Damit sich dies nicht zu Ungunsten (zuungunsten) oben erwähnter (obenerwähnter) Gesundheit auswirkt, wurde ihr geraten(,) eine Zeit lang (Zeitlang) kürzer zu treten und länger zu schlafen, wozu sie sich aber außer Stande (außerstande) sah. Stattdessen nähte sie sich ein neues Kleid mit allerlei Zierrat aus länglich runden Stofffetzen und Stofffransen(,) um ihrem treu ergebenen (treuergebenenen) und dicht gedrängten (dichtgedrängten) Publikum eine weitere Tanznummer zu präsentieren. Die potenzielle (potentielle) Gefährdung solle nicht ihre Selb(st)ständigkeit beeinflussen, erklärt die Jubilarin.

Die Lebensfreude ist ihr anzusehen(,) und mit Bezug auf den heutigen Diätwahn ergänzt sie(,) ein wenig verschmitzt lächelnd, wie gerne sie Frittiertes und Spag(h)etti esse(,) ohne dabei die Kalorien zu nummerieren.

( ) = zulässige Varianten