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400 Exponate bei großer Schau in Halle Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra

Die 3600 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra steht im Zentrum der Landesausstellung im Museum für Vorgeschichte Halle. Mit 400 Exponaten zeichnet das Haus ein Panorama der Welt von Nebra.

Von Grit Warnat Aktualisiert: 14.07.2021, 05:28
Ein Besucher betrachtet die Himmelsscheibe von Nebra, die  mit dem gesamten Fundstand ausgestellt ist.
Ein Besucher betrachtet die Himmelsscheibe von Nebra, die mit dem gesamten Fundstand ausgestellt ist. Foto: Grit Warnat

Halle - Wandfüllende Bilder von Steinen aus dem südenglischen Stonehenge und Holzpfählen des Pömmelter Ringheiligtums bilden die Kulisse für das Herzstück der neuen Landesausstellung: die bestens illuminierte Himmelsscheibe von Nebra.

Als ob Himmel und Ozean verschmelzen, ist der bedeutende archäologische Fund mit der weltweit ältesten konkreten Darstellung astronomischer Phänomene in blaues Licht getaucht. Zum Bronzeschatz, den 1999 Sondengänger auf sachsen-anhaltischem Grund illegal ausgruben und der nach einem wahren Krimi zum rechtmäßigen Besitzer zurückkehrte, gehören auch zwei prächtige Schwerter, zwei Beile, ein Meißel und zwei Armspiralen aus der Zeit um 1600 v. Chr. In einer Vitrine ist alles vereint und wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Die Himmelsscheibe von Nebra ist als Dauergast im Landesmuseum zu sehen. 2002 wurde sie erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, 2004 war ihr eine erste Ausstellung gewidmet. Aber damals habe man noch wenig gewusst, sagt Alfred Reichenberger, stellvertretender Landesarchäologe. Die Untersuchungen und archäologischen wie naturwissenschaftlichen Forschungen gingen all die Jahre weiter. Reichenberger winkt ab, wenn man ihn auf die Diskussionen um Echtheit und Alter anspricht.

Himmelscheibe von Nebra
Himmelscheibe von Nebra
Foto: dpa-Zentralbild

Heute ist das ursprüngliche Aussehen der Himmelsscheibe bekannt. Man weiß, woher das Kupfer stammt und dass das Gold für Gestirne und Horizontbögen aus dem Fluss Carnon in Cornwall kam. Eine Tasse aus Rillaton zeigt frühbronzezeitliche Goldverarbeitungen auf den britischen Inseln. Das Gold dieses wertvollen Exponates – entliehen aus der Royal Collection von Queen Elisabeth II. – stammt ebenfalls aus Cornwall und ist nur ein Beispiel für die wirtschaftlichen Verflechtungen jener Zeit. Schon vor 4000 Jahren wurden Waren, Rohstoffe und Technologien ausgetauscht, gab es Handel, ließ man sich in der Fremde inspirieren. Das auf der Himmelsscheibe festgehaltene astronomische Wissen stammt aus Babylon.

Kooperation mit demBritish Museum London

Die Himmelsscheibe ist Ausgangspunkt für einen Blick in ihr damaliges Reich und die Zeit ihrer Entstehung. Wie lebten die Menschen in Mitteleuropa? Reisten sie? Und wohin? Wie wurde bestattet, wie gelebt, gekämpft und wie Metall geschmiedet?

400 Objekte von Leihgebern aus 15 Ländern versuchen Antworten auf das Leben in der Bronzezeit zu geben, darunter sind bedeutende Funde wie das „Cape von Mold“ aus Wales (Großbritannien), der Goldhut von Schifferstadt (Rheinland-Pfalz) und die Goldschiffchen von Nors (Dänemark).

Der Goldene Umhang aus Mold gehört zum großen Schatz des British Museum, das mit seinen jährlich nahezu sieben Millionen Besuchern weltweit ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala steht. Das Londoner Haus unter Leitung des deutschen Kunsthistorikers Hartwig Fischer ist Kooperationspartner des von Harald Meller geführten Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Für die anschließende Schau in London, die Stonehenge in den Mittelpunkt rückt, wird auch die Himmelsscheibe auf Reisen gehen.

Erzählt wird dem Besucher von erstaunlichen Handelswegen, Macht und Reichtum. In gewaltigen Hügelgräbern ließ sich eine Oberschicht bestatten. Verzierte Waffen und Goldschmuck waren prachtvolle Grabbeigaben nicht nur im mitteldeutschen Raum. Auch Tausende Kilometer entfernt, galten bestimmte Gegenstände als besonders wertvoll und zeigen eine schon damals vernetzte Welt.

Vergleiche werden gezogen zwischen Stonehenge und dem Ringheiligtum Pömmelte im Salzlandkreis, wo immer noch gegraben wird und bemerkenswerte archäologische Funde ans Licht kommen. Kultplatz, Grabstätte, astronomischer Kalender. In Halle sind auch Opferschächte von Pömmelte dargestellt.

Reisen in denMittelmeerraum

Dutzende Beile und Stabdolche zieren große Vitrinen und sind Zeugen eines hierarchischen Systems. Waren Truppen damit ausgerüstet? Schwere Mahlsteine aus einem Grabhügel könnten der Versorgung einer Armee gedient haben.

So manches auf diesen Zeitreisen muss in der Möglichkeitsform Konjunktiv bleiben. Denn trotz aller Forschungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse bleiben Geheimnisse und mit ihnen Raum für Spekulationen. In Schriftform ist schließlich nichts niedergelegt. Aber gern lässt man sich auf die Interpretationen der Archäologen und Wissenschaftler ein, wenn sie zeichnerisch in Männerhäuser blicken lassen und die zwei möglichen Reisen in den Mittelmeerraum aufzeigen, die Ausgangspunkt gewesen sein sollen für das Bildwerk der Himmelsscheibe.

Bundespräsident Steinmeier als Schirmherr nennt die Schau im Katalog ein „großartiges Panorama der Welt von Nebra“. Und er schreibt anerkennend: „Zu welch erstaunlichen Leistungen die Archäologie heute fähig ist, wie sie Knochen, Scherben und Schmuckstücke zum Sprechen bringt, auch das zeigt diese Ausstellung.“