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Vor 500 Jahren predigte Martin Luther Magdeburg als Bollwerk des Protestantismus

Als vor 500 Jahren Martin Luther in Magdeburg predigte, folgte die Stadt seinen Lehren und entwickelte sich zu einem Zentrum der Reformation.

Von Grit Warnat Aktualisiert: 11.06.2024, 11:59
Martin Luther vor der Johanniskirche von Magdeburg. Das Denkmal schuf Emil Hundrieser 1886, so steht es auf einer Plakette im Sockel. Und in Goldschrift: „Gottes Wort mit uns in Ewigkeit“.
Martin Luther vor der Johanniskirche von Magdeburg. Das Denkmal schuf Emil Hundrieser 1886, so steht es auf einer Plakette im Sockel. Und in Goldschrift: „Gottes Wort mit uns in Ewigkeit“. Foto: dpa

Magdeburg. - Die Pfarrkirche St. Johannis soll voll gewesen sein, so voll, dass sich Menschen auch noch vor dem Eingang drängten. Sie alle wollten Martin Luther zuhören, der auf Einladung von Bürgermeister Nicolaus Sturm eingeladen war. Luther, der am 31. Oktober 1517 in Wittenberg seine 95 Thesen an die Schlosskirche genagelt haben soll und sich gegen den kirchlichen Handel mit dem Seelenheil der Menschen wandte, predigte am 26. Juni 1524 in Magdeburg „von der wahren und falschen Gerechtigkeit“.

Dieser Tag ging ein in die Geschichte. Magdeburg wurde als erste Großstadt evangelisch. Noch in jenem Jahr wurde die katholische Messe abgeschafft. Lediglich das Domkapitel mit der Stiftskirche und mehrere Klöster blieben katholisch, die breite Masse der Magdeburger bekannte sich zum Protestantismus. Später öffneten sich auch der Dom und das Kloster Unser Lieben Frauen dem neuen Glauben.

Die Stadt entwickelte sich in den Folgejahren zu einem Zentrum der Reformation und erhielt den Beinamen „Unseres Herrgotts Kanzlei“. Streitschriften wurden gedruckt, es gab turbulente Bürgerversammlungen.

An diese wegweisende Rede von Luther erinnert seit 1886 ein Denkmal vor der Johanniskirche. Es befand sich einst direkt vor dem Eingangsportal und damit einige Meter vom heutigen Standort entfernt, wie eine historische Aufnahme zeigt. Das Foto stammt aus der Zeit um 1931 und ist im Kulturhistorischen Museum zu sehen. Anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation in Magdeburg hat das Museum einen Teil seiner Dauerausstellung zur Stadtgeschichte neu gestaltet.

Museumsdirektorin Gabriele Köster meint, die Rede sei ein wenig inszeniert gewesen. Sie erzählt von der damaligen Situation in der Stadt, die mit etwa 30.000 Einwohner eine mittelalterliche Metropole war. Mit lesekundigen Händlern, Handwerkern und Kaufleuten habe es eine breite Schicht gegeben, die die im Druck verbreiteten Ideen Luthers rezipieren konnte. Sie seien bereits vor der Predigt Luthers bekannt gewesen und diskutiert worden. „Die Bevölkerung war selbstbewusst. Ein Teil des Stadtrates aber wollte den Landesherrn nicht gegen sich aufbringen“, sagt die Historikerin. Magdeburgs Erzbischof Albrecht von Brandenburg betrieb einen regen Ablasshandel.

Köster spricht von einer Welt im Umbruch, in der radikale und gemäßigte Sichten aufeinandertrafen. Sie sagt: „Niemand hat gewusst, wohin die Reise geht.“

Katholische Verfechter auf der einen Seite, protestantische Anhänger auf der anderen. Schmalkaldischer Bund, Augsburger Reichstag, Interim und die von Kaiser Karl V. angeordnete Rückkehr zum katholischen Glaubensbekenntnis. Die Zeit blieb aufregend und Magdeburg widerspenstig. Anderswo vertriebene Geistliche suchten den Weg in diese lutherisch geprägte Stadt. Magdeburg wehrte sich gegen jeden Versuch einer Re-Katholisierung. Die Ausstellung erzählt von diesen Jahren, die immerhin zwei Generationen Frieden brachte.

Dann aber werden Waffen und Feuersbrunst gezeigt. Die Auseinandersetzung im Land um Glaube und Macht gipfelte im brutalen, 1618 beginnenden, 30 Jahre währenden Krieg. Katholiken gegen Protestanten. Mittendrin Magdeburg. General Tilly rückte 1631 mit kaiserlichem Heer auf die Metropole vor, belagerte erst die Stadt und vernichtete sie am 10. Mai jenes Jahres. Es war ein grausames Wüten, Foltern, Plündern mit 20.000 Toten. Bis heute steht das Wort „Magdeburgisieren“ für das Auslöschen einer Stadt, für das Morden ohne Gnade.

Schwere Waffen aus dieser Zeit sind ausgestellt, dunkle Rüstungen – und feine Silbermünzen. Als sich Tage vor dem Massaker die kriegerische Situation zugespitzt hatte, vergrub ein Magdeburger ein kleines Keramikgefäß mit mehr als 100 Münzen. Man fand es bei Bauarbeiten vor einigen Jahren unweit des Domes. Geschrieben steht dazu: „Offenbar konnte der Besitzer den Schatz nicht mehr ausgraben.“