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Ost-Autos Trabant und Wartburg sind cool, weil’s so schön laut sind

Produktionsende von Trabant und Wartburg vor drei Jahrzehnten. Fans in Sachsen-Anhalt halten die Tradition hoch.

Von Bernd Kaufholz Aktualisiert: 28.4.2021, 07:11
Die „Trabantfreunde Schönebeck“ trafen sich am vergangenen Sonntag in Biere. Neben Trabis vom 500er bis zum  1,1-Vierzylinder, waren auch Wartburgs, Barkas und sogar ein W50 und ein russischer GAS dabei.
Die „Trabantfreunde Schönebeck“ trafen sich am vergangenen Sonntag in Biere. Neben Trabis vom 500er bis zum 1,1-Vierzylinder, waren auch Wartburgs, Barkas und sogar ein W50 und ein russischer GAS dabei. Foto: Bernd Kaufholz

Schönebeck. Die Luft in der Friedensstraße von Biere (Salzlandkreis) riecht nach Zweitakter. Das Knattern der Trabant-Karawane ist unüberhörbar. Dazwischen das in der Tonlage etwas tiefere Motorengeräusch von drei Wartburgs. Und dahinter das Röhren von zwei Lkw – einem Ifa-W50 aus Werdau und einem GAS aus dem russischen Gorki. Die „Trabantfreunde Schönebeck“ haben an diesem Sonntag eingeladen.

Die neun Jahre alte Venice, darf sich für ein Foto ausnahmsweise mal auf die Motorhaube des panamagrünen Trabis der Eltern (Mutter Britta Fischer: „Wir nennen die Farbe Schildkrötena....lochgrün“) mit dem DDR-Kennzeichen setzen. „ Trabis sind cool“, sagt sie, „weil es so schön laut ist.“

„Alles original“, zeigt ihr Vater Ronny auf den „601er“. „Es ist einer der letzten mit 26-PS-Motor vom März 1990. Er stand bei einem Rentner in Klein Rodensleben (Börde). Wir sind zufällig darauf gestoßen, weil meine Eltern dort einen Garten haben.“

Zu denen, die sich ein Leben ohne Trabi kaum vorstellen können, gehört auch Thomas Barthel aus Schönebeck, der seine Heimat in der Fangemeinschaft „Honnis Bester“ hat. Er fährt einen 601 Universal – kurz Kombi. An der linken Scheibe Aufkleber von den verschiedensten Trabi-Treffen und auf der Heck-Ablage den großen DDR-Straßenatlas, darüber baumelt der Wimpel „Kraftfahrzeug der ausgezeichneten Qualität“, von der vormilitärischen DDR-Massenorganisation Gesellschaft für Sport und Technik (GST).

Bis nach Ungarn gedüst

„Bis nach Ungarn und Tschechien sind wird zu DDR-Zeiten mit dem Trabant gefahren“, erzählt er. „Erst mit Übernachtung im Klappfix (aufklappbarer Wohnzeltanhänger). Später, mit der Freundin, beim Zwischenstopp im Hotel.“

An ein Erlebnis erinnert er sich besonders: „Auf einer Fahrt nach Freital hatte ich bei Leipzig Motorschaden. Dort gabelte mich ein anderer Trabi-Fahrer auf, schleppte mich bis auf einen Kaufhallenparkplatz. Nach zwei Stunden kam er mit einem Ersatzmotor zurück. Den haben wir vor Ort eingebaut.“

Marko Gurr ist Chef der „Trabantfreunde“ Schönebeck, den es seit 1999 gibt und in dem sich Trabi-Liebhaber von Schönebeck und Umgebung lose zusammengeschlossen haben. „Trabi-Fahren, das ist ein ganz eigenes Gefühl“, meint er. „Das gibt es in keinem anderen Fahrzeug. Im Gegensatz zu den heutigen Autos merkst du noch, dass du fährst und hast nicht das Gefühl, dass du in einem Flugzeugcockpit sitzt. Und ich liebe Lenkradschaltung.“ Touren in den Harz und Urlaub an der Müritz, das seien die Strecken, die er mit seinem Zweitakter gern fährt, so der 41-Jährige aus Kleinmühlingen im Salzlandkreis.

Stefan Matschaß hat seinen Papyrusweißen seit 2014. Zuvor hatte er auch schon einen Trabi, „aber der Unterhalt war mir während des Studiums zu teuer.

Der typische Zweitaktergeruch, der Fahrspaß, das pure Fahrverhalten, das sind die Gründe, warum ich ein Trabant-Fan bin“ sagt der 43-Jährige aus Biere. Und er erinnert sich an seine längste Strecke, die er mit seinem „Plastikbomber“ zurückgelegt hat. „Das war nach Unna in Nordrhein-Westfalen, knapp 400 Kilometer, wo ich beim Bund war. Da wurde ich natürlich als Exot bestaunt. Aber fast jeder meiner Kameraden wollte sich mal hinters Steuer setzen.“

Wartburg 353 - ein Kulturgut

Mario Boy ist stolz auf seinen olympiablauen Wartburg 353 Tourist – Baujahr 1977. Sein Fahrzeug trägt das H-Kennzeichen, das es als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ ausweist.

Der Zweitbesitzer des Wartburgs ist beinahe auf allen Ifa- und Oldtimer-Treffen zu finden. Ganz gleich, ob Ostoldtimertreffen oder beim Ommma, dem Ostmobile-Event in Magdeburg.

Der 62 Jahre alte Lutz Kirkam fährt seit seinem 18. Lebensjahr Trabant. „Als Kfz-Mechaniker war es für mich natürlich in der DDR leichter an Ersatzteile heranzukommen“, bringt er die damalige Situation auf den Punkt.

„1973 habe ich den Trabant als Unfallwagen für 5000 Mark gekauft und unter anderem die lädierte Karosse ersetzt.“ Besonders die Urlaubstour nach Koserow auf Usedom sei ein Erlebnis gewesen.

Der rote Wartburg Tourist von Wilfried Matschaß aus Hermsdorf (Bördekreis) erzählt eine andere – typische DDR-Geschichte. „Das ist ein Genex-Auto“, sagt der 64-Jährige. Und meint damit den Umstand, dass aus einem Katalog mit dem Titel „Geschenke in die DDR“, Bundesbürger Waren bestellen und mit D-Mark bezahlen konnten, die direkt an ihre Verwandten und Bekannten in der DDR versendet wurden.

„Alles ist noch original“, sagt der Zweitbesitzer, der das Auto, Baujahr 1980, für 23.000 DDR-Mark gekauft hat.

Pittiplatsch und Trabi gehören irgendwie zusammen.
Pittiplatsch und Trabi gehören irgendwie zusammen.
Foto: Bernd Kaufholz
Wimpel „Kraftfahrzeug der ausgezeichneten Qualität“ im Trabant.
Wimpel „Kraftfahrzeug der ausgezeichneten Qualität“ im Trabant.
Foto: Bernd Kaufholz
Venice (9) auf dem Trabi der Eltern mit DDR-Kennzeichen.
Venice (9) auf dem Trabi der Eltern mit DDR-Kennzeichen.
Foto: Bernd Kaufholz