MIT Reality Hack Drei Hallenser treten bei Hacker-Event an US-Spitzen-Uni an
Drei Sachsen-Anhalter sind für einen „Hackathon“ an der US-Spitzen-Uni in Boston. Insgesamt 500 Teilnehmer entwickeln beim „MIT Reality Hack“ virtuelle Lösungen für reale Probleme.

Boston - Die Reise von Binh Minh Herbst begann mit einem Tag Verspätung. Flug verschoben. Jetzt sitzt die Mittdreißigerin aus Halle in einem Café in Boston und wirkt trotz der langen Reise kein bisschen müde. Einen Tag hat sie noch, um sich auf den internationalen Wettbewerb vorzubereiten, zu dem sie eingeladen wurde. Dann sind ihr Wissen und ihre Fähigkeiten als Entwicklerin gefragt. Und Durchhaltevermögen.
„Es ist ein Hackathon. Da kann es schon passieren, dass man mit dem Kopf auf der Tastatur einschläft“, sagt Herbst. Sie lächelt, so wie eigentlich durchgängig während des Videogesprächs. Herbst ist eine der rund 500 Teilnehmenden des diesjährigen „Reality Hack“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der führenden Hochschulen weltweit.
„Hackathon“ klingt nicht umsonst so ähnlich wie Marathon. In kurzer Zeit arbeiten die Teilnehmer intensiv an ihren Projekten. Selbst die deutsche Bundesregierung hat schon einmal einen Hackathon veranstaltet. Das war im März 2020, als fast 30.000 Menschen virtuell an Lösungen zum Umgang mit dem Corona-Virus arbeiteten.
Welt mit Virtual und Augmented Reality zu besserem Ort machen
Vom 25. bis 29. Januar kommen nun in Boston Entwickler und Designer aus dem Bereich Virtual und Augmented Reality (VR/AR) zusammen. Mit dabei sind zwei weitere Sachsen-Anhalter: Katja Rempel und Felix Herbst vom Start-up Prefrontal Cortex aus Halle. Letzterer ist der Ehemann von Binh Minh Herbst. Zusammenarbeiten werden sie in Boston allerdings nicht. „Es wird empfohlen, nicht mit Leuten zu arbeiten, die man kennt“, sagt sie. Stattdessen gehe es darum, neue Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen.
Während des Hackathons formen die Teilnehmer kleine Teams, in denen sie an Projekten arbeiten. Das Motto lautet „Connection“, also Verbindung. Was genau sie entwickeln werden, weiß niemand im Voraus. Herbst weiß nur, dass sie an einem Spezialprogramm für „sozialwirksame Projekte“ teilnimmt. Die Designaufgabe soll sich auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beziehen und „die Welt zu einem besseren Ort machen“, zum Beispiel im Transport- oder Gesundheitswesen.
Empathie mit Technologie vermitteln
Kann das mit den Mitteln der virtuellen oder erweiterten Realität gelingen? Es sei normal, dass Menschen gegenüber neuer Technik erst einmal skeptisch seien, meint Binh Minh Herbst. Aber: „Ich sehe einen Mehrwert solcher Technologien.“ Zum Beispiel könne mittels VR- oder AR-Technik Empathie geweckt werden. Die Entwicklerin nennt den VR-Film „Clouds over Sidra“ als Beispiel, der den Alltag eines Kindes in einem Flüchtlingscamp für Syrer darstellt. „Das ist etwas anderes, als einen Text zu lesen“, meint Herbst.

Sie selbst beschäftigt sich in ihrer Arbeit viel mit der Vermittlung von Kultur. So hat Herbst mit ihrem eigenen Designstudio „A.MUSE“ das preisgekrönte Projekt „Songs of Cultures“ entwickelt. Auf spielerische Art können Kinder von drei bis zehn Jahren hier Lieder aus aller Welt kennenlernen und ihre Umgebung mit der App erkunden. Digital und Analog verschmelzen. Das nennt sich dann „Mixed Reality“, ein Schwerpunkt von Herbsts Arbeit.
Songs of Cultures: Musik als Türöffner
Das Musik-Projekt war Binh Minh Herbst besonders wichtig, da sie aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer das Ankommen in einer anderen Kultur und Sprache ist. Mit sieben Jahren kam sie aus Vietnam nach Deutschland, ohne Deutsch zu können. „Das war nicht immer leicht“, erinnert sich Herbst. Miteinander zu singen, habe es einfacher gemacht. „Wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik“, sagt sie.
Nach dem Studium an der Burg Giebichenstein in Halle arbeitete Herbst unter anderem als Designerin im Silicon Valley. Wieder in Halle machte sie sich selbstständig. An der Hochschule der bildenden Künste in Essen unterrichtete Herbst als Professorin.
MIT Reality Hack soll Ideen für Sachsen-Anhalt bringen
Am Ende des fünftägigen Events in Boston soll ein Prototyp stehen, außerdem gibt es Preise zu gewinnen. „Die Konkurrenz ist hart“, sagt Herbst. Der Hackathon ist ihr zufolge aber auch eine große Chance. Wichtige Firmen der Branche sind zu Gast, schauen den Teilnehmenden über die Schulter und geben Rat. Aus den Projekten der vergangenen „Reality Hacks“ entstanden bereits Firmen.
Binh Minh Herbst erhofft sich von dem „Reality Hack“ Inspiration und neue Ideen, die sie wieder mit nach Sachsen-Anhalt bringen kann, wenn es nächste Woche wieder zurückgeht. Dann hoffentlich pünktlich.