1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Regionale Wirtschaft
  6. >
  7. Dürre-Hotspot Sachsen-Anhalt

EIL

Klima Dürre-Hotspot Sachsen-Anhalt

Trotz eines feuchteren Frühjahrs als zuletzt sind die tiefen Bodenschichten in Sachsen-Anhalt knochentrocken. Dürrejahre wie 2018/19 werden künftig einmal pro Jahrzehnt auftreten, warnen Experten.

Von Alexander Walter Aktualisiert: 30.06.2021, 17:22
Trotz des feuchten Frühjahrs hat die Landwirtschaft für ihre Kulturen viel zu wenig Wasser.
Trotz des feuchten Frühjahrs hat die Landwirtschaft für ihre Kulturen viel zu wenig Wasser. dpa

Magdeburg - Seit 2012 fällt der Grundwasserspiegel in Sachsen-Anhalt. Das relativ feuchte Frühjahr 2021 hat daran nichts geändert. Knapp 50 Zentimeter tiefer als im langjährigen tiefen Mittel lagen die Pegel in den tiefen Bodenschichten auch Ende Mai. Nur die Oberböden sind relativ feucht – und selbst das nicht überall.

Das geht aus aktuellen Zahlen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) Leipzig hervor. Vor allem der trockene Sommer 2018 wirkt nach: „Damals haben wir in sechs Monaten 200 Millimeter Grundwasser verloren“, sagt Carsten Rinke, Experte am UFZ. Dramatisch ist das, weil Sachsen-Anhalt mit seiner relativ östlichen Lage im Regenschatten des Harzes ohnehin eines der trockensten Bundesländer ist. „Der Dürresommer 2018 hat das Land binnen sechs Monaten so viel Grundwasser gekostet, wie durch Niederschläge in vier Jahren aufgefüllt wird“, sagt Rinke.

Der Dürresommer 2018 hat das Land binnen sechs Monaten so viel Grundwasser gekostet, wie durch Niederschläge in vier Jahren aufgefüllt wird.

Carsten Rinke, Experte am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Denn: Nur um 25 bis 50 Millimeter baut sich der Grundwasserkörper im Land innerhalb eines normalen Jahres auf. In westlichen Bundesländern seien es teils mehr als 200 Millimeter. „Die Klimakrise ist bei uns angekommen“, sagte Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) jüngst dazu. Falsch liegt sie UFZ-Experten zufolge damit nicht. Waren die Dürrejahre 2018/19 bislang eine Ausnahme, werde es Trockenphasen wie diese bis zum Ende des Jahrhunderts „sehr wahrscheinlich“ einmal in jedem Jahrzehnt geben, schreiben UFZ-Wissenschaftler in einem Beitrag für das Landwirtschaftsmagazin „DLG-Mitteilungen“.

Grund für häufigere Dürren sind auch steigende Temperaturen. Seit 1980 hat sich die Luft in Deutschland im Schnitt um 2 Grad erwärmt. Bei ohnehin relativ geringen Niederschlägen geht so zusätzlich Wasser durch Verdunstung verloren. Die Folgen bekommen etwa die tiefwurzelnden Wälder zu spüren. Im Forstrevier Elbaue zwischen Calbe (Saale) und Heinrichsberg bei Wolmirstedt sterben derzeit in großer Zahl alte Eichen.

Erst ertranken die Bäume hektarweise in der Elbeflut 2013, dann kamen Stürme und die Dürresommer 2018/19. „Schließlich fielen Schadinsekten über die geschwächten Bestände her“, sagt Revierförster Jens Dedow. „Heute haben wir Flächen, auf denen man darüber nachdenken muss, die Eiche ganz herauszunehmen.“

Die Landwirtschaft leidet

Trotz Regens im Frühjahr: Auch die Landwirtschaft leidet. Messstellen der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Bernburg registrieren aktuell Wassermangel in sämtlichen gemessenen Bodentiefen.

So lag die Menge an pflanzenverfügbarem Bodenwasser 35 Zentimeter unter der Oberfläche vergangene Woche bei knapp 30 Prozent der Sättigung – und damit auf der Dürregrenze. „Landesweit herrscht Trockenheit aktuell vor allem von Quedlinburg über Aschersleben bis nach Bernburg vor“, sagt Nadine Börns, Referentin für Ackerbau und Pflanzenproduktion beim Bauernverband. „Wir wirtschaften von der Hand in den Mund“, ergänzt sie. Sämtlicher Niederschlag werde direkt von den Kulturen aufgenommen. „Wir haben keine Vorräte.“

„Die nächsten Tage sind entscheidend“, sagt auch Sven Borchert, Betriebsleiter der Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft Groß Germersleben in der Börde. Weizen, Mais, Kartoffeln bräuchten dringend Regen.

Wie schlimm wird es künftig noch? Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) warnte vergangene Woche vor Wasserknappheit in Deutschland. „Für die Zukunft ist es nicht selbstverständlich, dass es überall Wasser im Überfluss gibt“, sagte sie. Eine „nationale Wasserstrategie“ soll etwa mit Fluss-Renaturierungen Gegenmaßnahmen auf den Weg bringen. Armin Schuster, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), sagte gar: „Es gibt schon die eine oder andere Gemeinde, die mit dem Problem Trinkwasserknappheit konfrontiert ist.“ Laut Umweltministerium droht das in Sachsen-Anhalt nicht. Grund: ein leistungsfähiges Fernwassernetz mit Quellgebieten in Harz, Colbitz-Letzlinger Heide oder Fläming.

Umbau der Elbe?

Carsten Rinke vom UFZ rät dennoch zu Schritten, um das Absinken des Grundwassers zu stoppen. Sinnvoll wäre etwa, Buhnen in der Elbe abzubauen, um das Fließtempo des Wassers zu senken.

Das würde einem Eingraben des Flusses entgegenwirken und so auch das Bodenwasser halten. „Es geht um jeden Millimeter.“