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Im Kaliwerk Zielitz wurde 1973 mit der Produktion von Düngemitteln begonnen / Morgen wird runder Geburtstag gefeiert Hier liegt noch Salz für 40 Jahre

Von Torsten Scheer 21.06.2013, 01:13

Vor genau 40 Jahren nahm das Kaliwerk in Zielitz seinen vollen Betrieb auf. Heute arbeiten hier 1800 Menschen. Sie stellen vor allem Düngemittel und Industriekali her. Zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Und das noch eine ganze Weile.

Zielitz l An seinen ersten Arbeitstag kann sich Joachim Baersch genau erinnern. Es ist der 1. September 1970, als er das Kaliwerk in Zielitz betritt und eine Lehre als Elektromonteur beginnt. Heute ist der fast 60-Jährige einer der dienstältesten Mitarbeiter. Der Betriebselektriker ist absoluter Experte für die Steuerungseinheiten der kilometerlangen Band- und Verarbeitungsanlagen über Tage.

Wenn Baersch im September seinen runden Geburtstag feiert, ist der Vorhang für das Festprogramm des Kaliwerkes längst gefallen. Vor 40 Jahren lief hier die Produktion von Düngemitteln richtig an. Dieser Tag wird morgen gefeiert. Es gibt Werksführungen, Stände und Zelte sind aufgebaut, die "Puhdys" werden spielen.

Am Werk hängen 4000 Arbeitsplätze

Das Kaliwerk ist mit mehr als 1800 Beschäftigten einer der wichtigsten industriellen Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt. Zählt man die Angestellten bei Dienstleistern vom Kantinenbetreiber bis zum Reinigungsservice hinzu, sind in der Region etwa 4000 Arbeitsplätze mit der Kaliproduktion verbunden.

Über allem sitzt Hans-Joachim Kind. Seit 16 Jahren lenkt er die Geschicke des Werkes. Auch er wird dieses Jahr 60. Der Chef ist stolz auf das, "was wir hier in vielen Jahren geleistet haben". Immer wieder habe man neue Produkte entwickeln und erfolgreich verkaufen können. "Und immer wieder entstanden dadurch neue Arbeitsplätze."

Das Kaliwerk, das fast nur für den Export arbeitet, stellt nicht mehr nur Kalidünger her. Zwar machen diese mit etwa 80 Prozent das Gros der Produktion aus und finden beispielsweise in Brasilien oder Indien, wo es mehrere Ernten im Jahr gibt, reißenden Absatz.

Aber um nicht allzu anfällig gegen Klima- und Konjunkturschwankungen zu sein, ist die Produktpalette in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt erweitert worden. Hinzugekommen ist etwa Indus-triekali, das unter anderem in der Elektrolyse eingesetzt wird, aber auch Kalisalz als Beimischung in Futter, aber auch in Lebensmitteln, etwa in Suppen oder Backmischungen.

Dafür werden von den Kaliwerkern jährlich bis zu zwölf Millionen Tonnen Rohsalzgestein in Tiefen zwischen 500 und 1300 Metern und bei Temperaturen von bis zu 45 Grad aus dem Steinmassiv herausgesprengt. Pro Tag etwa die Ladung von 25 Güterzügen. Stehen bleiben Pfeiler - 30 mal 30 Meter im Umfang, fünfeinhalb Meter hoch. So entsteht unter Tage ein riesiges Schachbrett aus Stützen und Hohlräumen.

Pro Tag werden 80000 Tonnen Luft umgewälzt.

"Das Gestein wird über den größten Förderschacht der Welt nach oben geholt", erklärt Kind. Die "Röhre" misst siebeneinhalb Meter im Durchmesser und reicht 700 Meter hinunter. Über einen zweiten Hauptschacht werden Technik und Personal befördert. Die Schächte drei und vier im Norden des Abbaugebietes sind zusätzlich für das Klima unter Tage zuständig. Über sie wird Frischluft zugeführt und verbrauchte abgesaugt. Jeden Tag werden 80000 Tonnen Luft umgewälzt.

Das Salzgestein wird vor allem in der Übertagefabrik mechanisch und chemisch aufgespalten und verwertet. Übrig bleiben zwei Millionen Tonnen fertige Ware. Die Rückstände werden auf den weithin sichtbaren riesigen weißen Salzhalden von Zielitz gelagert. Selbst dieser Rest kann teilweise noch verwendet werden, so etwa zur Herstellung von Salzbeton. Mit dem Spezialbeton, der aus Salz, Flugasche, Zement und Wasser besteht, werden unter anderem Hohlräume in der Grube des Atommülllagers Morsleben verfüllt.

Das unterirdische Förderfeld, das auch unter der Elbe verläuft, hat gigantische Ausmaße erreicht. In Ost-West-Richtung erstreckt es sich 22 Kilometer von Niegripp über Colbitz bis nach Planken bei Haldensleben, von Nord nach Süd etwa 6,5 Kilometer von Loitsche bis kurz vor Wolmirstedt.

Die Bergwerksfläche hat mittlerweile die Größe von Magdeburg. Die Lagerstätte insgesamt, die sogenannte Scholle von Calvörde, reicht Richtung Westen weitere 25 Kilometer bis in den Raum Flechtingen hinein.

Bisher haben die Zielitzer rund 330 Millionen Tonnen Salzgestein gefördert, noch gewinnbar sind 440 Millionen Tonnen. "Wir gehen davon aus, dass die Lagerstätten noch bis zu 40 Jahre ausgebeutet werden können", sagt Kind.

Mit der immer weiteren Ausdehnung des Abbaufeldes kommen aber auch Fragen. Können Hohlräume einstürzen, kann Gelände sich absenken? Sind gar Deiche an Elbe und Ohre in Gefahr?

"Wir verursachen keine Bergschäden."

Kind widerspricht. "Es gibt großflächige Senkungen, die nur einige wenige Millimeter pro Jahr ausmaßen. Punktuelle Spannungen, die Schäden an Gebäuden verursachen könnten, entstehen nicht. Wir verursachen keine Bergbauschäden", versichert er und verweist unter anderem darauf, dass sich das Unternehmen an Deichbaumaßnahmen etwa an der Ohre bei Loitsche mit "einer Millionensumme" beteiligt habe.

In den kommenden Monaten soll das Werk mit hohem Aufwand ausgebaut werden. Geplant ist eine neue Anlage zur Herstellung von Industriekali in Granulatform für 20 Millionen Euro. Das Material kann in dieser Form besser umgeschlagen werden und backt nicht so zusammen wie Pulver.

Das ist insbesondere für den langen Transportweg nach Übersee wichtig, der per Güterwagen in Zielitz beginnt und über den Hafen in Hamburg via Schiff in die Überseegebiete führt. Eine andere Route geht über den Mittellandkanal mit dem Verladepunkt in Haldensleben in Richtung Westeuropa.

Wenn morgen in Zielitz gefeiert wird, ist Joachim Baersch selbstverständlich dabei. Er wird seine Bergmannsuniform anlegen und Besucher auf die Halden, den "Kalimandscharo", führen. So wie er es immer in seiner Freizeit macht.