Höchste Durchschnittspreise bei Flächenverkäufen in Sachsen-Anhalt erzielt Rasant steigende Preise für Acker und Grünland füllen der BVVG die Kasse
Die Preise für Agrarflächen sind in Ostdeutschland stark gestiegen. Die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) hat 2011 ordentlich kassiert. In Sachsen-Anhalt ist Acker besonders teuer.
Berlin/Magdeburg l Zweistellige Steigerungsraten bescheren der bundeseigenen Gesellschaft BVVG beim Verkauf der ehemals volkseigenen Flächen satte Einnahmen. Im vergangenen Jahr wurden 51700 Hektar veräußert. 315000 Hektar landwirtschaftliche und 66000 Hektar forstwirtschaftliche Flächen sind noch zu privatisieren.
2010 ging der Hektar land- oder forstwirtschaftliche Nutzfläche noch im Durchschnitt für 10418 Euro an den neuen Eigentümer, und das war bereits ein Plus von 27 Prozent zum Vorjahr. 2011 kletterte der Durchschnittspreis dann auf 12640 Euro pro Hektar (plus 21 Prozent).
Dabei ist das mit wertvollen Böden gut ausgestattete Sachsen-Anhalt mit 15392 Euro (Vorjahr: 14053 Euro) je Hektar Spitzenreiter. Die berechtigten ortsansässigen Pächter würden die Direkterwerbsmöglichkeit zum Marktwert nach den Privatisierungsgrundsätzen 2010 weiterhin stark in Anspruch nehmen, darüber hinaus gebe es eine starke Beteiligung an den Ausschreibungen, begründete die BVVG den rasanten Preisanstieg.
Der landwirtschaftliche Berufsstand nennt es Preistreiberei. Der Präsident des Deutschen Bauernbundes, Kurt-Henning Klamroth, Landwirt in Westerhausen bei Quedlinburg, bezeichnete die Pressemitteilung der BVVG zu den Flächenverkäufen als "zynisch". "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass einer der BVVG-Geschäftsführer selbst bei bester Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes in der Lage wäre, diese Summen zu erwirtschaften", sagte Klamroth gestern im Volksstimme-Gespräch.
Die Genannten sehen die Agrarbetriebe selbst als die Preisgestalter: Die BVVG sei ein bedeutender Anbieter, bestimme aber letztlich nicht die Marktpreise, erklärten Detlev Hammann und Wilhelm Müller: "Die Landwirtschaftsbetriebe geben bei den Ausschreibungen ihre Gebote ab. Sie entscheiden, wie viel ihnen die Flächen wert sind."
Untermauert wird das mit einer Studie, die das Bundesagrar- ministerium beim Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut in Auftrag gegeben hatte. Darin heißt es, "dass die Landwirte selbst die teils sehr starken Preisentwicklungen durch entsprechende Gebote oder Verträge bestimmen". Laut BVVG sind Acker und Grünland nahezu vollständig an ortsansässige Agrarbetriebe verkauft worden.
Für Kapitalanleger seien Ausschreibungen mit durchschnittlich rund acht Hektar verkaufter Fläche uninteressant. "Sie kaufen eher ganze Landwirtschaftsbetriebe, zum Beispiel durch Übernahme von Geschäftsanteilen. Darauf hat die BVVG keinen Einfluss", heißt es weiter.
Für DBV-Präsident Klamroth steht beides in engem Zusammenhang. "Die Betriebe sind in der Klemme. Sie haben investiert, haben dafür Kredite aufgenommen und müssen den Kapitaldienst erwirtschaften. Das schaffen sie gerade noch so, und das können sie nur auf ihrem Boden. Wenn ihr Pachtvertrag ausläuft und der Acker zum Verkauf steht, müssen sie zugreifen, sonst fehlt ihnen ein Teil ihrer Arbeitsgrundlage." Wenn das nötige Kapital aber nicht vorhanden sei, müssten sie sich fremdes besorgen. Das geschehe dann über stille Beteiligungen oder direkte Betriebs- übernahmen, beschrieb Klamroth die mit den steigenden Ackerpreisen verbundenen Ge- fahren für die landwirtschaftlichen Strukturen.
Der Druck zum Flächenerwerb ist in Sachsen-Anhalt groß. Der Pachtanteil an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche liegt mit 81 Prozent sehr hoch und wird nur von Thüringen übertroffen (86 Prozent). Im Bundesdurchschnitt liegt der Pachtanteil bei gut 60 Prozent. In Bayern (Eigentums-Spitzenreiter) wirtschaften die Bauern überwiegend auf eigenen Flächen, der Pachtanteil liegt bei knapp 45 Prozent. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind Pacht und Eigentum etwa gleichauf.
Nach BVVG-Angaben sind im vergangenen Jahr Pachtverträge mit Direkterwerbsansprüchen über rund 79400 Hektar ausgelaufen. Davon gingen 34 Prozent in den Direktverkauf, 36 Prozent in einen vierjährigen Pachtvertrag und 30 Prozent in einen neunjährigen. Nach den Privatisierungsgrundsätzen 2010 können berechtigte Pächter Flächen in beschränktem Umfang sofort oder während der neuen vierjährigen Pacht direkt erwerben. Wer sich für den Neun-Jahres-Vertrag entscheidet, verzichtet auf den Direkterwerb. Seite 5