Sprach-Barrieren Extra-Wunsch

Unser Gastautor aus London berichtet über sein neues Leben in Sachsen-Anhalt. In Magdeburg kann er häufig Englisch sprechen.

Von Paul Kilbey 27.08.2017, 16:11

Magdeburg l Nichts ist deutscher, als sich nach einem langen Abend noch einen deftigen Döner zu holen. Man muss nicht lange hier gewohnt haben, um das mitzubekommen. Deshalb wollte ich dieses urdeutsche Ritual so schnell wie möglich ausprobieren. Denn als Vegetarier musste ich Kebab-Läden in Großbritannien bisher meiden, da es dort fast ausschließlich Fleisch gibt.

In Deutschland hingegen, so hatte ich gehört, gibt es einige fleischfreie Alternativen. Doch zu meiner Überraschung bot die Speisekarte in der Dönerbude noch viel mehr, als erwartet - zumindest auf den ersten Blick. „Jeder extra Wunsch" stand dort. Und das für einen Spottpreis von 50 Cent.

Eigentlich war es nicht schwer zu begreifen, was damit gemeint war: Mehr Ketchup etwa, oder extra Zwiebeln. Aber für mich als Engländer hat die direkte Übersetzung von „every extra wish"  eine vollkommen andere Bedeutung.

Denn das Wort „wish" benutzen wir eigentlich, wenn es um größere Begehren als eine Portion Mayo geht. Etwa: Erfolg im Beruf, fähige politische Führungskräfte oder den Weltfrieden. Wenn jemandem wirklich ein „wish" gewährt wird, scheint die Dönerbude doch ein eher fragwürdiger Ort zu sein, um ihn einzulösen.

Von englischen Imbissbuden bin ich eher trockene Ausdrücke gewöhnt - etwa „Extras" oder „jedes zusätzliche Produkt" - jedenfalls etwas, das genauso gut auf einer Steuererklärung stehen könnte. Der Fish and Chips Shop ist kein Ort, an dem man seine tiefsten Wünsche äußert.

Und im Dönerladen werden diese zwar ausdrücklich auf der Speisekarte erwähnt, trotzdem hatte ich meine Schwierigkeiten, sie zu äußern. Denn mein Deutsch ist leider noch immer so schlecht, dass selbst die Dönerbestellung einem Sprachtest glich.

unächst einmal ist die Atmosphäre in einer Dönerbude nicht gerade tiefenentspannt. Lauter hungrige Menschen stehen hinter dir, alles muss schnell gehen. Dazu kommt, dass man als Kunde gefühlt hundert Zusatzfragen beantworten muss. Scharfe Soße oder mit Kräutern? Zwiebeln? Ketchup oder Mayo? Der Druck ist einfach enorm. Denn wenn man - wie ich - diese Fragen nicht wie aus der Pistole geschossen beantworten kann, wird es peinlich.

Ich muss an dieser Stelle etwas gestehen: Es  ist nicht mein erster Versuch, Deutsch zu lernen. Als Student habe ich das Fach „Deutsch für akademische Zwecke" belegt. Ich hatte eine viel zu optimistische Lehrerin, die uns gleich in der ersten Stunde Auszüge aus Nietzsches „Fröhliche Wissenschaft" vorlegte, die wir übersetzen sollten. Eine traumatische Erfahrung. Denn wenn ich heute versuche, Deutsch zu sprechen, überwiegt die Scham darüber, dass ich es nicht besser kann.

Ich kann mich glücklich schätzen, dass Englisch meine Muttersprache ist. Denn die Leute hier nehmen an, dass ich als Brite nicht gut genug Deutsch spreche – zu Recht. Und dann nutzen sie die Gelegenheit dazu, mich mit ihren imposanten Englischkenntnissen zu beeindrucken. Das ist zwar wirklich freundlich, bedeutet aber gleichzeitig, dass ich mich im Alltag in Magdeburg komplett ohne Deutsch durchschlagen kann.

So groß die Versuchung für mich als Engländer ist, meine Muttersprache bei jeder Gelegenheit zu verwenden, kämpfe ich täglich dagegen an. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass mein Traum vom perfekten Deutsch eines Tages auch wahr wird.

Bis dahin werde ich mich den kleineren Dingen widmen, die auf meiner Wunschliste stehen. Und so viel kann ich bereits sagen: Mein Wunsch nach extra Schafskäse auf meiner Falafel ist in Erfüllung gegangen - und es hat köstlich geschmeckt.

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