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In Halberstadt sterben innerhalb weniger Monate zwei Ausländerinnen mit Kontakten zur Prostitution Rocker, Rotlicht, tote Frauen

Von Bernd Kaufholz 14.09.2011, 04:29

Innerhalb von 15 Monaten sind in Halberstadt zwei junge Frauen getötet worden. Bei einem Opfer steht es definitiv fest, dass sie im Norden der Stadt als Prostituierte gearbeitet hat. Im jüngsten Fall lautet die offizielle Lesart von Zeugen, dass die Ukrainerin lediglich "Gast" im "Night-Club Lamour" gewesen sei, wo sie einem Verbrechen zum Opfer fiel.

Halberstadt. Am 27. August dieses Jahres gegen 6.30 Uhr fährt ein Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn vor das rote Gebäude in der Magdeburger Straße mit den großformatigen Frauenpostern neben und der Leuchtreklame "Lamour Nightclub" über der Eingangstür.

Wenige Minuten zuvor war eine 33 Jahre alte Frau in der oberen Etage des Etablissements bewusstlos aufgefunden worden. Von ihrem "Verlobten", Thomas O., der die mit einem Jogging-Anzug Bekleidete auf dem Boden liegend entdeckte.

Arzt stellt Würgemale am Hals fest

Der Notarzt stellt lediglich eine "Beule" am Kopf Olgas fest. Doch die gesamte Situation gibt dem Notarzt zu denken. Er bringt die Ukrainerin, deren Zustand sehr instabil ist und die kaum atmen kann, in die Klinik. Im Krankenhaus wird festgestellt, dass es nicht die Kopfverletzung ist, die die tiefe Ohnmacht der Frau verursacht hat, sondern Gewalteinwirkung gegen den Hals. Es werden eindeutige Würgemale festgestellt. Olga muss künstlich beatmet werden. Der Arzt informiert die Polizei.

Die Kripo nimmt Ermittlungen wegen versuchten Totschlags auf. Dabei wird schnell klar, dass sich um den Fall viele Ungereimtheiten ranken.

Diese beginnen bereits mit der Person des Opfers. Olga ist eigentlich mit Thomas O. verheiratet - aber auch wieder nicht. Denn die Eheschließung in der Ukraine wurde von den deutschen Behörden nicht anerkannt. Deshalb ließ sich das Paar wieder scheiden, um dann noch einmal nach deutschem Recht heiraten zu können.

Hinter der Frage, warum sich die Frau überhaupt im Nachtclub aufgehalten hat, steht offiziell ebenfalls ein großes Fragezeichen. Sowohl vom "Verlobten", als auch von den Betreibern des "Lamour" wird allerdings mit großem Nachdruck bestritten, dass die 33-Jährige ihr Geld mit Prostitution verdient hat.

Nach der Lesart von Zeugen und Ermittlungen der Polizei war im Club lediglich eine Hure angestellt. Die Zimmer über der Bar im Parterre seien auch keine "Freudenzimmer" gewesen, sondern lediglich "Rückzugsmöglichkeiten für müde Gäste". Solch ein "müder Gast" sei in der Nacht vom 26. zum 27. August auch das spätere Opfer Olga gewesen.

Täter anhand des Autos identifiziert

Die Ermittlungen der Polizei haben schnell Erfolg. In dringenden Tatverdacht gerät ein Halberstädter, der das Etablissement in der betreffenden Nacht besucht hat. Nach eigenen Aussagen zum ersten Mal.

Die Identität von Sven B. wird anhand seines Autokennzeichens ermittelt. Er wird noch am Tattag vorläufig festgenommen und räumt die Tat ein. Allerdings bleibt B., was das Motiv betrifft, sehr nebulös. "Nichts Greifbares", so ein Ermittler.

Am 27. August erlässt das Amtsgericht Halberstadt auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl.

Zwei Tage später, am 29. August um 14.50 Uhr, stirbt Olga, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben. Ermittelt wird von nun an wegen Totschlags.

Ein besonderer Aspekt des Falls ist, dass die gesamte Rotlichtszene Halberstadts in enger Nähe zur Motorradrockerszene stehen soll, wie Insider wissen. Die Claims in der Vorharzstadt seien "klar abgesteckt", heißt es aus Kreisen von Spezialermittlern. Und der Chef des "Lamour" soll selbst ein "Bandido", zumindest aber ein Strohmann dieser Motorradrockergang sein.

Dieser Umstand habe die Ermittlungen im Fall nicht unbedingt erleichtert, heißt es aus Ermittlerkreisen So sei die Identität der Frau - obwohl sie in der "Bandidos"-Szene bekannt sein soll - nicht preisgegeben worden. "Wir informieren die Familie in der Ukraine selber," habe es geheißen.

Der Polizei war nur übrig geblieben, den "großen Ball zu treten" und die Familie der Getöteten, einschließlich ihrer Tochter, über das Auswärtige Amt zu ermitteln und über den unnatürlichen Tod Olgas zu informieren.

Bereits vor einem Jahr war nur ein paar Kilometer weiter, im Norden Halberstadts, eine junge Frau umgebracht worden. Die polnische Prostituierte mit dem Künstlernamen "Monica" soll von ihrer Kollegin "Sandra" mit 20 Messerstichen getötet worden sein. Die 28-Jährige und deren Freund hatten Geld des Zuhälters mitgehen lassen und waren nach Polen geflohen.

Wenige Tage später wurden Dorotha T. und ihr Freund in Czarnkow (Woiwodschaft Wiel-kopolski/Großpolen) verhaftet und sind inzwischen wegen Straftaten, die sie in Polen begangen haben, verurteilt worden. Ob sie nach Deutschland ausgeliefert wird, steht nicht fest.

Vieles deutet darauf hin, dass auch "Monica" und "Sandra" "unter Aufsicht" der Halberstädter Rockerszene anschaffen gingen.