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Sachsen-Anhalt Steuern brechen ein

Sachsen-Anhalts Steuereinnahmen sind eingebrochen. Finanzminister Richter hofft, dass die Neuverschuldung nicht ausufert.

Von Jens Schmidt 23.12.2020, 00:01

Magdeburg l In wenigen Tagen werden die Kassenbücher für 2020 geschlossen. Die Coronakrise wird wie zu erwarten erhebliche Lücken reißen. Der Finanzminister verbucht deutlich geringere Steuereinnahmen und weniger Bundeszuschüsse als noch im Vorjahr. Stand heute beträgt das Minus 355 Millionen Euro. Davon könnte man ein Jahr lang 8500 Polizisten und Lehrer bezahlen oder vier Jahre lang kaputte Straßen und Brücken sanieren.

Dennoch: „Wir sind bislang robuster durch die Krise gekommen als befürchtet“, sagt Finanzminister Michael Richter (CDU). Die Steuerschätzer hatten nämlich gar einen Rückgang von bis zu 700 Millionen Euro bis Jahresende prognostiziert.

Richters Fazit wird durch den gestern vorgelegten Steuer-Bundesvergleich gestützt. Von Januar bis November büßten Bund und Länder gut 8 Prozent ein, in Sachsen-Anhalt sind es knapp 5 Prozent. Dass Sachsen-Anhalt bisher glimpflicher davon kam, liegt auch an der kleinteiligen Wirtschaft. Andere Bundesländer mit stark exportorientierter Industrie traf es noch heftiger.

Das wiederum führt im Corona-Jahr zu einer paradoxen Situation im Länderfinanzausgleich: Sachsen-Anhalt, seit Jahren arme Maus und Nehmerland, wurde im 3. Quartal (Juli bis September) kurzzeitig zum Geberland. Die Landeskasse musste 28 Millionen Euro in den Ausgleichstopf zahlen, weil es anderen Bundesländern noch schlechter ging.

Wie sieht die Einnahmesituation im Land aus? Am stärksten schrumpfte die Umsatzsteuer, da der Satz im Sommer von 19 auf 16 Prozent (ermäßigt von 7 auf 5 %) abgesenkt wurde. Hier fehlen weit über 100 Millionen Euro in der Landeskasse. Spürbar zurück gingen auch Lohn- und Unternehmenssteuern. Lockdown und Kurzarbeit schlagen ins Kontor. In Sachsen-Anhalt waren zum Jahresende 20 000 Menschen weniger in Beschäftigung als Ende 2019. Das betrifft Angestellte wie auch Selbständige.

Ungetrübt liefen im Krisenjahr nur die Glücksspielgeschäfte. Bei der Lotteriesteuer macht die Landeskasse sogar ein leichtes Plus.

Um die Lage zu stabilisieren, hat das Land 500 Millionen Euro für Unternehmen und Kommunen in den Corona-Hilfstopf gepackt. Das Geld stammt etwa zur Hälfte aus der Rücklage des Landes – die andere Hälfte borgt sich Sachsen-Anhalt von den Banken. Von den 500 Millionen Euro Hilfsgeldern sind bislang 445 Millionen Euro beantragt und genehmigt worden. Real geflossen sind 360 Millionen Euro. „Ob wir den Kreditrahmen ganz ausschöpfen müssen, wissen wir noch nicht“, sagte Richter. Vor allem bei den Unternehmenshilfen fließen vor allem Bundesgelder - eigens aufgelegte Landeszusatzprogramme wurden weniger in Anspruch genommen als angenommen.

Den größten Teil der Hilfen überwies das Land bislang den Gemeinden, da diese selbst Einbußen bei der Gewerbe- und Einkommensteuer spüren. Bislang flossen 200 Millionen Euro an Gewerbesteuerausgleich und Liquiditätshilfe. Das meiste erhielten insgesamt Lützen (30 Mio. €), Barleben (20 Mio. €) sowie Magdeburg (24 Mio. €).

Der Finanzminister verfügt allerdings auch über ein paar „Reserven“. Das sind Gelder, die nicht wie geplant abgerufen werden. Das ist zum Beispiel beim Personal der Fall.

So hat das Land trotz guter Tarife seine Not, genügend junge Leute zu akquirieren. 2000 Vollzeitstellen sind im Landesdienst unbesetzt. Am stärksten betroffen sind Schulen. Allein dort sind 700 Vollzeitjobs derzeit verwaist; bei der Polizei sind es 350. Insgesamt bleiben daher gut 140 Millionen Euro Personalgelder in der Landeskasse übrig. Auch bei den Investitionen stockt es zum Teil. Von den zwei Milliarden Euro an Fördermitteln werden voraussichtlich etwa 100 Millionen Euro Landesgelder und 400 Millionen Euro an Bundeszuschüssen bis Jahresende nicht in Projekte und Unternehmen fließen.

Unter dem Strich würden somit am letzten Tag des Jahres 240 Millionen Euro Landesmittel in der Kasse liegen bleiben. Doch Richter kann damit weder Schulden abbauen noch Corona-Hilfen aufstocken. Der größte Teil geht dafür drauf, Haushaltslöcher zu stopfen. Denn: Als der Landtag den Etat 2019 beschloss, lagen die real beschlossenen Ausgaben über den Einnahmen. Diese „Lücke“ von 220 Millionen Euro (fachdeutsch globale Minderausgabe) muss bis Jahresende gestopft werden.