Staatsanwaltschaft vermutet Machtkämpfe zwischen "Bandidos" und "Underdogs" in Halle / Angeklagter schweigt / Verhandlung nach zwei Stunden vertagt Schießerei im Rockermilieu: Prozessbeginn hinter Panzerglas am Landgericht
Halle (dpa/dapd) l Eine Wand aus Panzerglas trennt Gericht und Zuschauer. Bewaffnete Spezialeinsatzkräfte der Polizei mit Sturmhauben und kugelsicheren Westen schützen das Justizzentrum Halle. Der Angeklagte aus dem Rockermilieu schweigt bisher.
Rund drei Monate nach einer fast tödlichen Schießerei im Rockermilieu der Saalestadt hat gestern am Landgericht der Prozess gegen ein mutmaßliches Mitglied der "Bandidos" begonnen. Die Verhandlung im Hochsicherheitstrakt des Justizzentrums wurde bereits nach rund zwei Stunden, ohne Verlesung der Anklageschrift, auf Montag vertagt. Grund: Die Verteidigung hatte die personelle Zusammensetzung der Schwurgerichtskammer des Landgerichtes Halle kritisiert. Ihrer Meinung nach war zu Beginn der Verhandlung eine andere Besetzung des Gerichts mündlich mitgeteilt worden, als vorher schriftlich mitgeteilt, sagte Staatsanwalt Klaus Wiechmann. Dabei sei es um die eingesetzten Schöffen gegangen. Darüber soll nun beraten werden.
Drei Schüsse
Angeklagt ist ein 39-Jähriger, der Mitglied des Rockerclubs "Bandidos" sein soll. Er soll am 3. Mai dieses Jahres in Halle dreimal gezielt auf den mutmaßlichen Präsidenten des rivalisierenden Motorradclubs "Underdogs MC" geschossen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Er soll auf seinen Rivalen, der in einem Auto saß, durch die Seitenscheibe geschossen haben. Der 26-Jährige wurde dabei an Hals und Brust verletzt. Er konnte sich dennoch in das Unfallkrankenhaus Bergmannstrost schleppen, wo er unter Polizeibewachung behandelt wurde.
Der Angeklagte hat sich nach Angaben von Staatsanwalt Klaus Wiechmann bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein erbitterter Machtkampf zwischen Rockergruppen um die Vorherrschaft in der Saalestadt Hintergrund der Tat war.
Der aus Halle stammende Angeklagte wurde gestern aus der Untersuchungshaft strengstens bewacht in Handfesseln in den Gerichtssaal gebracht. Ihm drohen nach Angaben eines Gerichtssprechers bei einer Verurteilung elf Jahre Haft.
Ob sein mutmaßlicher Rivale während des Prozesses erscheinen wird, ist noch unklar. "Ich will es hoffen. Ob er kommt, ich weiß es nicht", sagte der Staatsanwalt, der eine Vielzahl an Zeugen befragen will. Das Landgericht Halle hat vorerst Verhandlungstermine bis zum 21. September und darüber hinaus geplant.
Rachefeldzug
Auseinandersetzungen zwischen gewalttätigen Rockern sorgen in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen und Polizeirazzien in der Szene.
Bei einer nächtlichen Straßenschlacht im Oktober 2010 in Halle etwa waren zwei 25 und 26 Jahre alte Männer angeschossen worden. Zudem flogen Pflastersteine und Molotowcocktails, ein Auto geriet in Brand. Die Tat soll nach Medienberichten ein Rachefeldzug der "Underdogs MC" gegen Mitglieder gewesen sein, die zu den "Bandidos" wechseln wollten.