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Tierhaltung Mit Video: Schweinehalter in der Krise - Warum ein Bauer aus Sandbeiendorf seinen Bestand radikal reduziert hat

Tierhaltung im großen Stil entwickelt sich immer mehr zum Verlustgeschäft. Bio-Bauer Stephan Polzin sucht seinen Erfolg in der Nische. Mehr dazu auch im Video.

Von Antonius Wollmann Aktualisiert: 18.01.2024, 09:44
Stephan Polzin mit seinen Ferkeln. Zehn bis 20 der Tiere zieht er auf seinem  Hof in Sandbeiendorf pro Jahr groß.
Stephan Polzin mit seinen Ferkeln. Zehn bis 20 der Tiere zieht er auf seinem Hof in Sandbeiendorf pro Jahr groß. Foto: Antonius Wollmann

Sandbeiendorf - Da ist allein dieser Mähdrescher in der Garage. Knappe 50 Jahre alt. Ohne separate Fahrerkabine, ohne GPS und sonstigen technischen Schnickschnack. Mithin das Gegenteil der hochgerüsteten Landmaschinen, mit denen Bauern heutzutage jeden Quadratzentimeter ihrer Äcker haargenau anfahren können. Für Stephan Polzin war es Liebe auf den ersten Blick, als er die Maschine in Bayern entdeckte.

Bio-Hof in Sandbeiendorf: Schweinebauer bricht mit Konventionen

Zärtlich streicht der schlaksige Landwirt, der in den 90er Jahren aus der Eifel nach Sachsen-Anhalt kam, über den dunkelgrünen Lack. Dem konnten die vergangenen Jahrzehnte nur wenig anhaben. „So einen hat nicht mehr jeder“, sagt der Bauer nicht ohne Stolz. Und schon gar nicht in Benutzung, möchte man hinzufügen.

Denn das Fahrzeug ist keineswegs nur eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten, sondern immer noch im Einsatz. Und damit sichtbarstes Symbol, dass auf Polzins Bio-Hof in Sandbeiendorf (Landkreis Börde) einiges anders läuft, als man es gewohnt ist.

 
Auf dem Bio-Hof von Stephan Polzin haben die Tiere mehr Platz als bei komventioneller Haltung (Kamera: Antonius Wollmann, Schnitt: Christian Kadlubietz).

Am augenfälligsten wird dies, wenn man den Schweinestall betritt. Ganz gelassen thront dort 500-Kilo-Sau Henriette in ihrem Verschlag. Die Gäste nimmt sie gelassen zur Kenntnis. Sie ist für den Nachwuchs zuständig. Das hat zuletzt aber nicht wie geplant geklappt. Deshalb hat Stephan Polzin zehn Ferkel dazugekauft. Sie leben eine Tür weiter.

Der Schweine-Nachwuchs reagiert viel lebhafter, als der Bauer eintritt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er sofort die Futtertröge füllt. Die Ferkel lassen sich nicht lange bitten. Laut schmatzend vertilgen sie das Futter. Mehr als dieses knappe Dutzend Schweine hat Stephan Polzin nicht.

Weg von der Massenproduktion: Bio-Bauer reduziert Schweine-Bestand

Vor einigen Jahren hat er sich für einen ungewöhnlichen Weg entschieden. Weg von der Massenproduktion, hin zu einer fast schon individuellen Betreuung seiner Tiere und Kunde gleichermaßen. Wo einst mehr als 400 Tiere lebten, sind es mittlerweile maximal 20.

Auf dem Bio-Hof kann man ein Ferkel nach dessen Geburt reservieren und bis zur Schlachtung begleiten. Sogar regelmäßige Besuche sind möglich, wenn der Kunde es wünscht. Dafür erhält man sämtliche Produkte, die so ein Tier bereithält. Vom Filetstück bis zur Leberwurst oder Teewurst ist alles dabei. Man kann sich aber mit der Hälfte oder einem Viertel begnügen.

„Wir sind der Gegenentwurf zur industriellen Haltung. Die Ferkel haben genug Platz, um sich zu bewegen. Im Stall genauso wie unter freiem Himmel. Selbst für Bioverhältnisse ist das hier wirklich luxuriös“, sagt Stephan Polzin, als er nach der Führung durch den Schweinestall im Wohnzimmer des Haupthauses Platz genommen hat. Das Futter stelle er zum größten Teil aus seinem eigenen Getreide her. Zum Hof gehören noch 270 Hektar Anbaufläche, auf der Getreide wächst. Mitarbeiter hat der gebürtige Rheinländer nicht. Der Betrieb läuft fast in Gänze in Eigenregie.

Statt in kurzer Zeit das Maximale an Gewicht zuzulegen, lasse er den Ferkeln Zeit. In Sandbeiendorf werden sie mindestens ein Jahr alt. In den Großbetrieben ist ihnen in den meisten Fällen nur eine Lebenszeit von sechs Monaten beschieden. Das mache sich beim Gewicht bemerkbar, sagt Stephan Polzin. Knapp 300 Kilo würden sie in der Heide auf die Waage bringen, bevor sie ihren letzten Gang antreten.

Gut 180 Kilo werden davon verwertet. Bei konventionellen Produzenten wiegen sie am Ende ihres Lebens selten mehr als 120 Kilo.

Schweinehalter setzt auf Duroc-Schweine - Kritik an zu viel Bürokratie

Das Konzept schlägt sich in der Wahl der Rassen nieder. Auch hier ist der gebürtige Rheinländer eher abseits des Mainstreams unterwegs. Nicht, um etwas Besonderes zu sein, sondern weil es am besten zur Idee des Hofes passe. „Ich habe mich bewusst für Duroc-Schweine entschieden“, sagt der 54-Jährige. Die sind bestens geeignet für die sogenannte extensive Haltung, die im Heidedorf praktiziert wird. Das bedeutet konkret: Den genügsamen und widerstandsfähigen Tieren macht es wenig aus, viel Zeit im Freien zu verbringen.

Der Sandbeiendorfer gibt aber offen zu: Aus purem Idealismus hat er seinen Pfad nicht eingeschlagen. Tierhaltung in größerem Stil entwickelt sich seit einigen Jahren zum Verlustgeschäft. Immer mehr Viehhalter streichen die Segel. Insbesondere bei den Schweinen befinden sich die Bestände seit etwa zehn Jahren im Sinkflug. Ein Kritikpunkt der Betroffenen: Eine überbordende Bürokratie mache ihnen das Leben schwer.

Schweinehalter unterstützt Bauernproteste gegen Subventionskürzungen

Stephan Polzin kann das nur bestätigen: „Das schränkt uns in der unternehmerischen Freiheit extrem ein.“ Viele Bauern fühlten sich von der Politik bevormundet. Die Kürzungspläne der Ampelregierung hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Deshalb habe er in der vergangenen Woche an den Protesten in Magdeburg teilgenommen.

Bleibt es bei der Abschaffung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel, würde Stephan Polzin pro Jahr 2.000 Euro verlieren. Das höre sich vielleicht im Vergleich zu Großbetrieben nicht nach sehr viel an, würde sich aber trotzdem bemerkbar machen. „Ich habe eigentlich keine Spielräume, diese Summe zu erwirtschaften. Ich bin zufrieden, wenn am Ende des Jahres die schwarze Null steht“, sagt der Bauer.

Stephan Polzin demonstrierte gegen die Kürzungen.
Stephan Polzin demonstrierte gegen die Kürzungen.
Foto: Privat

Alternative Einkommensquellen täten sich nicht auf. „Ich würde gerne PV-Anlagen auf meinen Äckern aufstellen. Das ist momentan aber nicht möglich.“ Schuld daran sei – wie so oft- eine ellenlange Liste an Vorgaben. So wird Stephan Polzin weiter sein Nischengeschäft betreiben. Mit dem alten Mähdrescher in der Garage und den Duroc-Ferkeln im Stall.