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Sekt Bei Ingwertee kam die Secco-Idee

Magdeburger mischen Sekt und Kollagen zu „Beauty Secco“, der es in sich hat.

Von Manuela Bock 29.12.2019, 07:00

Groß Ammensleben l Ein kalter Vormittag in Groß Ammensleben. Der Nebel hängt über dem Gewerbegebiet im kleinen Ort in der Börde. In einem kühlen Büro sitzen Anke Sterzing und Tommy Hielscher. Gut sehen sie aus. In den Raum bringen sie Kartons und Flaschen. Die goldenen Etiketten schimmern. In den Flaschen ist ihr „Beauty Secco“ – ein „halbschäumender Wein“, der es in sich hat. Kollagen, das Eiweiß, das zu den wesentlichen Bestandteilen des menschlichen Bindegewebes gehört, in Knochen, Zähne, Knorpel, Sehnen, Bänder und der Haut steckt. Das man nicht riechen, dafür aber essen und eben trinken kann.

Wie es zur der Idee kam, das Protein in Secco zu mixen, ist schnell erzählt. „Vor knapp zwei Jahren hat man uns im Wellnesshotel einen Ingwertee serviert“, erinnert sich Anke Sterzing. „Der passte nicht in dieses Umfeld und hat auch noch ziemlich lau geschmeckt.“ Beim entspannten Nippen am faden Tee überlegen sie, was sie in diesem Umfeld viel lieber trinken würden.

Zu Hause holen sie aus dem Schrank, was der Sportler Tommy Hielscher als Unterstützung fürs Training zu sich nimmt: Kollagen. Und mischen es mit Secco. „Wir waren erstaunt, wie gut das schmeckt“, sagt der 32-Jährige. Ihre Ideen sprudeln über. „Es kribbelte in uns, weil wir merkten, dass wir daraus unser eigenes Produkt machen könnten“, so Hielscher. „Jetzt mussten wir nur noch herausfinden, welche Rezeptur richtig ist, und wie man Secco und Kollagen am besten zusammenbringt“.

Die Herausforderungen dabei sind: Das Kollagen darf nicht flocken, es darf sich nichts am Glasboden absetzen, und alles muss schmecken. Sie mixen, rühren, schütteln.

Sie holen sich beim Kollagen-Test Unterstützung im Weininstitut der Hochschule Anhalt, später auch im Experimentallabor der Magdeburger Universität mit wissenschaftlicher Expertise, mit der sich beide gut auskennen – Anke Sterzing ist Doktorin der Wirtschaftswissenschaften, Tommy Hielscher Doktor der Wirtschaftsinformatik. Die Analysen zeigen schwarz auf weiß: Kollagen lässt sich tatsächlich mit Secco vereinen und kann – richtig gemixt – wohlschmeckend kredenzt werden. „Das Institut hat uns die gute Qualität bestätigt“, sagt Anke Sterzing.

Prickelnde Erlebnisse sind das – und der Antrieb für die nächsten Schritte, die sie machen. Zusammen vollenden sie den „Beauty Secco“. Die Magdeburger verfeinern das Rezept, perfektionieren die Art des Mischens. „Man kann nicht einfach das Kollagen in den Secco kippen und fertig“, erklärt der Jung-Unternehmer. „Freunde und Bekannte, Familien und alle, die zum „Selbstversuch“ bereit sind, bekommen Kostproben eingeschenkt. „Viele wollten schnell noch mehr davon haben“, sagt Anke Sterzing und lächelt.

Damit alles auch schön aussieht, lassen die Uni-Dozenten Flaschenform und Etiketten von Designern gestalten. „Wir hatten keine Vorstellung davon, wie wir das Ganze verpacken sollen“, erinnert sich Hielscher. Es folgen Studien mit Probanden an der Uni, die probieren und gestalten. Am Ende halten sie eine schwarze Flasche mit goldenem Schild in den Händen. Darauf schreiben sie „Ambrosium“ – abgeleitet von „Ambrosia“, die Speise der Götter in der griechischen Mythologie – und taufen 2018 auch ihr Unternehmen so. Mit den süffigen Ergebnissen in den Händen und vielen Ideen im Kopf klappern sie Winzer ab, suchen nach einem „Versekter“, der ihr Getränk genauso gut findet wie sie selbst und bereit ist, kleine Mengen zu produzieren. Die Gründer finden ihn in einem kleinen Weingut in Rheinhessen.

Von dort kommen seitdem die Flaschen, in denen neben dem erstklassigen Secco auch das Eiweiß steckt, das der Hautalterung entgegenwirkt und beim Muskelaufbau hilft. Elf Gramm sind in einer 0,75-Liter-Flasche enthalten, in der Miniflasche mit 0,2 Liter-Variante sind es drei Gramm.

Vom Schlüsselerlebnis mit fadem Ingwertee bis zum Tag, an dem die ersten fertigen Flaschen ankommen, vergeht knapp ein Jahr. Die Paletten und Kartons lagern sie in Räumen auf dem Gelände des Hielscher-Familienunternehmens in Groß Ammensleben, in das der frisch promovierte Magdeburger jetzt mit eingestiegen ist. „Ambrosium“ entwickelt sich zwar zu einer gefragten Marke, „aber beide davon leben können wir noch nicht“, sagt Anke Sterzing, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Otto-von-Guericke-Universität arbeitet. Dort wissen viele, dass sie sich nebenbei dem prickelnden Beauty-Erlebnis verschrieben hat und die Marketing- und Vertriebstrommeln rührt.

Die Premiere liefern sie damals in Berlin. „Auf der Grünen Woche und der Fashion Week haben wir den Beauty Secco angeboten“, erzählt Tommy Hielscher. „Er kam super an, auch bei vielen Prominenten.“ Das Paar tingelt über Messen und Märkte, spricht Einzelhandelsketten an, Parfümerie- und Beautygrößen, schaut in „Spa-Bereichen“ vorbei, in Hotelbars, Golfclubs und Modeboutiquen. Es nimmt alle ins Visier, die mit Mode, Beauty und Wellness zu tun haben – oder „einfach gern Prosecco und Champagner trinken“.

Nächtelang falten sie Kartons, stundenlang telefonieren und mailen sie. Der Online-Auftritt wächst und damit die Möglichkeiten, auch Menschen weit, weit weg von Groß Ammensleben zu erreichen. 2018 verkaufen sie 20 000 „Einheiten“ – einzelne Flaschen oder im Doppelpack. „Am Jahresende werden wir diese Größe mindestens wieder erreicht haben“, sagt Sterzing.

Derzeit falten sie wieder viel. Tommy Hielscher klappt die Pappe blitzschnell zu einem Karton zusammen und lässt eine Flasche hineingleiten. „Alles Routine“, sagt er. „Gerade zu Weihnachten und Silvester bekommen wir einige Bestellungen.“ Dazu gesellen sich Lieferungen an eine Parfümeriekette, die den „Beauty Secco“ der Magdeburger deutschlandweit in ihren Filialen anbietet.

Kosmetikstudios fragen häufiger an, aus Österreich wird geordert. Der Stuttgarter Flughafen vertreibt ihr Getränk in seinen Duty-Free-Shops. In der kalten Jahreszeit gehört zum „Ambrosium“-Angebot nun auch ein weiteres Getränk – das prickelt zwar nicht so schön im Bauch, macht ihn aber warm: Der „Winter Beauty“ ist die neue Kollagen-Kreation, ein angereicherter Dornfelder, der als glühende Variante schön einheizen kann.

In diese Richtung soll es weitergehen. Nahrungsergänzungsmittel in Kombination mit Speisen und Getränken – das sollte „Ambrosium“ künftig bieten, wenn es nach den jungen Gründern geht. Im Büro verraten sie, dass ihre Freunde und Bekannten schon wieder im „Testmodus“ sind. Dieses Mal hat das Paar ihnen ein Mittel zum Kosten gegeben, das „nachweislich für Energie sorgt und Schlafmangel ausgleichen kann“.

„Das hat schon gut eingeschlagen, wir sollen für Nachschub sorgen“, sagt Tommy Hielscher. Er lächelt dabei, wirkt selbst vital und voller Energie. Zurzeit lässt das Paar einige Studenten erforschen, welche Produkte die „Linie“ des Unternehmens erweitern könnte. In Geisenheim schreibt man im Studienfach „Önologie“ Bachelorarbeiten über mögliche Kombinationen, die in Magdeburg und Groß Ammensleben die richtige Mischung erhalten könnten. Die „Mission Schönheit für alle“ ist für das Unternehmerpaar eine Quelle sprudelnder Ideen.