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Gesundheit So gefährlich wird Apothekensterben in Sachsen-Anhalt

Noch nie seit Beginn der 1980er Jahre gab es so wenige Apotheken in Deutschland wie heute. Auch in Sachsen-Anhalt sinkt die Zahl stetig. Erste Betreiber warnen vor Versorgungsengpässen.

Von Alexander Walter 26.09.2022, 19:55
Auch in Sachsen-Anhalt geben immer mehr Apotheken auf - vor allem auf dem flachen Land scheint die Versorgung in Gefahr.
Auch in Sachsen-Anhalt geben immer mehr Apotheken auf - vor allem auf dem flachen Land scheint die Versorgung in Gefahr. Apothekerkammer Nordrhein/ABDA/o

Magdeburg - Von den vier Apotheken, die Norbert Hoffmann in und um Köthen betreibt, wäre derzeit keine einzige allein rentabel, sagt der Apotheker. In den letzten drei Jahren hätten in der 26000-Einwohner-Stadt im Kreis Anhalt-Bitterfeld bereits drei von zwölf Apotheken schließen müssen. In Weferlingen im Bördekreis hat Kollege Marc-Florian Witsch erst kürzlich eine seiner Filialen aufgegeben. Die Übernahme einer weiteren Apotheke hat er abgesagt, berichtet er.

Ländlicher Raum besonders betroffen

Es sind nur zwei Fälle die, aber für einen Groß-Trend stehen: Bundesweit ist die Zahl der Apotheken zwischen 2015 und Mitte dieses Jahres von 20249 auf 18256 zurückgegangen (-1933) – laut Landesapothekerkammer der tiefste Stand seit Anfang der 1980er Jahre. Beobachten lässt sich der Trend laut Kammer auch in Sachsen-Anhalt. Hier sind zwischen 2015 und 2021 von einst 612 Apotheken 45 verschwunden.

Besonders betroffen ist das flache Land abseits der Städte. Zahlen für 2022 liegen zwar noch nicht vor. Es dürfte aber das Jahr sein, in dem „die höchste je zu verzeichnende Schließungswelle zu beklagen ist“, glaubt Apotheker Witsch.

Warum? Kammer und Apotheker nennen ein ganzes Bündel an Gründen:

Vergütung: Die Apotheken bekommen einen festen Zuschlag je Packung. Die letzte Vergütungsanpassung aber stammt laut Kammer aus dem Jahr 2013. Die Steigerung bildet die tatsächlichen Ausgaben für Lohn und Lebenshaltung damit längst nicht mehr ab. Energiekrise und Inflation verschärfen die Lage nun auch für Apotheken erheblich.

Verzicht: Das gilt potenziell auch für einen Gesetzesplan von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Um ein 17-Milliarden-Loch bei der Finanzierung der Krankenkassen zu schließen, sollen die Apotheken auf einen Teil ihrer Vergütung verzichten. Laut Apothekerkammer entspräche die Kürzung bundesweit 120 Millionen Euro.

Fachkräftemangel: An den Hochschulen werden zu wenige Apotheker ausgebildet, sagt Apotheker Witsch. Und: Vorhandene Absolventen gingen wegen flexiblerer Arbeitszeiten und besserer Bezahlung häufig in die Wirtschaft.

Die Apothekerkammer kritisiert zudem überbordende Bürokratie.

Die Apotheker warnen vor den Folgen des Trends: Die Politik helfe nicht, „obwohl die Versorgung klar gefährdet ist“, kritisiert etwa Norbert Hoffmann. Kollege Witsch glaubt, dass die Folgen der Apothekenschließungen auch für die Bevölkerung und „gerade in der Fläche“ schon bald spürbar werden.

Die Apothekerkammer will so weit noch nicht gehen. Die Versorgung der Bevölkerung sei derzeit nicht gefährdet, sagte Präsident Jens-Andreas Münch. Auch er rechnet aber bei gleich bleibenden Bedingungen mit längeren Wegen für Patienten und letztlich mit „einer spürbaren Verschlechterung der Versorgung“. Seite 4