Sozialministerin fordert Studie zu Adoptionen in der DDR
Der Fall Juliane von der Insel Rügen machte Anfang dieses Jahres Schlagzeilen: Die Mutter hatte angezweifelt, dass ihr Kind 1977 wirklich gestorben war. Sie vermutete eine Zwangsadoption. Es ist kein Einzelfall.
Schwerin (dpa/mv) - Adoptionen in der DDR müssen nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) besser erforscht werden. In den vergangenen Jahren hätten sich allein im Nordosten mehr als 100 Angehörige mit Fragen zu früh verstorbenen Kindern oder unklaren Todesfällen im Kindesalter an die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, gewandt, sagte Drese am Mittwoch in Schwerin.
Manche Betroffene vermuten, dass ihnen ihr Kind entzogen und zur Adoption freigegeben worden ist. So wie die Mutter der kleinen Juliane von der Insel Rügen. Das Kind war 1977 nach damaligen Ermittlungen im Alter von drei Jahren in einer Badewanne bei ihren Großeltern ertrunken. Den Leichnam ihres toten Kindes hatte die Mutter damals nicht noch einmal sehen dürfen. Sie zweifelte an, dass Juliane wirklich gestorben ist und vermutete stattdessen eine Zwangsadoption. Anfang 2019 wurde das Grab geöffnet. Eine DNA-Analyse der Knochen ergab, dass das Kind in Sassnitz beigesetzt wurde.
Die wissenschaftlich-historische Aufarbeitung des Themas Adoptionen in der DDR stehe noch am Anfang, sagte Drese. "Die bislang bekannten gesellschaftlichen, rechtlichen und historischen Tatsachen reichen nicht aus, um wesentliche Fragen zu beantworten. Wir brauchen deshalb eine Hauptstudie zur Erforschung der Adoptionen in der DDR."
Hinter den Zahlen verbergen sich nach Dreses Worten Leid, Trauer und Wut. "Wir dürfen die Betroffenen damit nicht allein lassen und müssen sicherstellen, dass die Menschen die für sie so wichtige Beratung, Hilfe, Unterstützung und auch öffentliche Aufmerksamkeit bekommen."
Am Donnerstag kommender Woche (14. November) steht das Thema im Mittelpunkt einer Fachtagung, die sich in Schwerin an Betroffene und Interessierte wendet. Der Titel lautet: "Zwischen Zweifel und Akzeptanz. Kindstode, Kindesentzug und Adoption in der DDR - Der Umgang mit dem Unfassbaren". Die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, erklärte, eine Betrachtung der rechtlichen und medizinischen Rahmenbedingungen in der DDR soll Hintergrundwissen für damalige Abläufe, Verfahren und Entscheidungen vermitteln. Außerdem soll mit der Tagung der Austausch von Betroffenen untereinander sowie von Betroffenen mit Experten befördert werden.